"Babe?", die leise, raue und doch eindringliche Stimme an meinem Ohr erklingt nach schier unendlicher Zeit, und doch bin ich nicht sicher, ob es nicht nur fünf Minuten gewesen sind. Ich löse mich aus der Starre, in die ich verfallen bin und wische mir rasch übers Gesicht, nur um schwarze Schlieren der Wimperntusche auf meiner Hand vorzufinden.
Tio kniet neben mir, seine Finger streichen sanft über die Faust, die meine zweite Hand immer noch konsequent bildet. Langsam löse ich die Muskeln, einen nach dem anderen, und erst als Tio es mir abnimmt wird mir klar, dass ich das blutverschmierte Messer immer noch in der Hand hatte.
Kurz darauf wird mir noch etwas klar: nämlich, dass ich in einer Pfütze aus Zombiesekret und Hirnstückchen sitze. Sofort springe ich panisch auf und stoße dabei voll mit meinem Kopf gegen Tios.
"Aah", stöhnt er, fängt mich auf als ich keuchend taumle und schlingt die Arme fest um mich. Doch er ist noch schwach und seine fiebrige Stirn brennt an meinem Ohr, während er sich herunterbeugt und leicht auf mich stützt. So halte eher ich ihn, als er mich und ich blinzle ernüchtert, versuche sein Gewicht zu halten und gleichzeitig die Panik zu unterdrücken, indem ich die Luft anhalte. Matt wäre stark genug... egal was kommt, winselt meine weinerliche Gehirnhälfte, die ich geflissentlich ignoriere. Nachdem ich Luft geschnappt habe helfe ich Tio zurück ins Wohnzimmer, wo wir nebeneinander auf die Couch fallen. Tio schließt sofort blinzelnd die Augen, also krieche ich unter seinem Arm hervor und gehe in den Gang, um die Verbandssachen zu holen. Ohne den Zombie zu berühren, der dort auf dem Boden liegt, schaffe ich halb springend, halb mit akrobatischer Anmut ins Bad zu gelangen, und hole die Utensilien aus dem Waschbecken. Draußen fällt mir ein kleiner Gegenstand auf, der unter dem gräulichen Zombieoberkörper hervorglänzt. Ich sehe genauer hin und erkenne mein Handy, na super. Ich muss es während des Kampfes verloren haben...
Ich kauere mich neben den Leichnam und versuche vorsichtig mit der Schere, das Handy herauszupulen. Erfolglos. Das einzige was dabei passiert, ist, dass mein Display noch mehr Kratzer bekommt, als es ohnehin schon hatte.
Seufzend fasse ich mit einer Hand unter die Rippen und umfasse mein Handy, wobei ich regelrecht spüre wie das langsam verwesende Fleisch unter meine Fingernägel sickert. Es ist kühl und irgendwie weich, fast schon dickflüssig, wie es auf meinem Handrücken drückt und gleichzeitig zwischen meine Finger sickert. Den Brechreiz unterdrückend ziehe ich das Handy hervor und gehe damit ins Bad, wo ich es notdürftig abwische, um bei einer Wäsche mit Wasser nicht seine Funktionstüchtigkeit zu gefärden, und mir die Hände wasche. Wieder fällt mein Blick auf mein Spiegelbild und diesmal beschließe ich bei dem erschöpften Anblick, schnell zu duschen. Ich entfilze meine struppigen Haare und wasche mir die verschmierte Schminke vom Gesicht.
Als ich fertig bin wasche ich noch meine Klamotten und schlüpfe dann notgedrungen in die nasse, kalte Kleidung. Ganz sicher werde ich mich nicht in dem möglicherweise mit Zombies überfluteten Haus nach frischen Klamotten umsehen. Zumindest nicht allein, und Tio ist momentan offensichtlich nicht in der Lage, mich zu begleiten, geschweige denn zu beschützen...
Zurück im Wohnzimmer knie ich mich neben Tio auf die Couch und ziehe ihm umständlich den Pulli über den Kopf.
Besorgt bemerke ich, dass er seelenruhig weiterschläft und sich kein Stück rührt, auch nicht, wenn ich ihn in die Seite piekse. Ich halte vor Schreck die Luft an und überprüfe zittrig seinen Puls. Doch, sein Herz schlägt, zwar schwach aber immerhin. Tief durchatmend sinke ich für einige Sekunden in die tiefe weiche Polsterung der Couch und schließe einfach die Augen. Es ist zu viel passiert, zu viel um es einfach zu verarbeiten. Doch ich muss jetzt durchhalten, muss stark bleiben, ich rapple mich wieder auf und beuge mich über Tio, dessen Brust sich langsam aber gleichmäßig hebt und senkt.
Dann ziehe ich ganz vorsichtig den blutverschmierten Ärmel seines T-Shirts hoch - und erstarre.
Die Kugel ist nicht nur tief in den Arm eingedrungen, sondern direkt hindurch geflogen. Das Fleisch is zerfetzt und immer noch fließt ein bisschen Blut aus der Wunde. Wie viel er wohl schon verloren hat?
Beim Anblick der Hautfetzen bekomme ich eine Gänsehaut. Wie soll ich mit so einer Wunde umgehen?
Foto: Irina
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Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringt
TerrorIrina ist 16, Einzelkind (also Verwöhnung pur) hat eine tolle beste Freundin, einen liebevollen, sexy Freund und gehört zu den beliebtesten Leuten an der Schule. Ihr Leben wäre eigentlich perfekt, doch eins macht das ganze kaputt - wieso muss ausge...