Spätnachts

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Irina Jackson's P.O.V.

Der dicke Teppich auf dem Büroboden ist leicht kratzig gegen meinen Rücken. Matt's Kopf liegt auf meinen Brüsten, und er atmet tief ein und aus, in einen sanften Schlaf gesunken. Ich fahre mit einer Hand durch seine Haare, und lasse meine Finger über seinen muskulösen Rücken rauf und runterstreichen. Mein Kopf ist zur Seite gedreht und ich schaue aus dem Erkerfenster der Sonne beim Untergehen zu. Das ganze Büro ist in oranges Licht gehüllt, und ein Lächeln spielt um meine Lippen. Alle Einsamkeit ist Vergangenheit. 

Matt murmelt irgendetwas im Halbschlaf, und ich küsse ihn sanft auf den Hinterkopf. Seine Hand liegt seitlich auf meinem Hintern und zuckt leicht. Ich kann nicht anders, als zu grinsen. Der warme Frühlingstag hat den Großteil des Schnees weggeschmolzen, und zum ersten Mal seit Langem spüre ich sowas wie Hoffnung.

Nach einiger Zeit wird Matt langsam wieder wach, und überredet mich, mich hinzulegen. Er würde sich inzwischen an der Cross zu schaffen machen, die noch seit unserem ersten Tag vor dem Haus steht. "Die muss doch irgendwie zu reparieren sein", meint er, und schnappt sich doch tatsächlich ein Technische Mechanik für Dummies Buch aus dem Regal. Ich seufze. In der Apokalypse hat man wohl keinen einzigen freien Abend. Von dem Schlafzimmer aus, in das er mich trägt, kann ich ihn in der Garage werkeln hören. Nicht nur, dass das das Schlafen unmöglich macht, auch lockt es wahrscheinlich einige unserer verwesenden Freunde an. Deswegen rufe ich ihm zu, dass er doch bitte das Garagentor schließen möge, was er dann auch macht.

Ich kuschle mich wieder in die dicke Daunendecke ein und ziehe sie bis zum Kinn hoch. Ich spüre immer noch Matt's Arme um mich, jede Berührung und jeden Kuss. Als ich die Augen schließe, stelle ich mir vor, dass er noch bei mir ist, und mich hält. Es dauert keine fünf Minuten bis ich in einen tiefen, erholsamen Schlaf falle.

Ein dumpfes Geräusch reißt mich wieder hoch. Das Garagentor zu schließen hat wohl doch nicht gereicht. Ich schaue aus dem Fenster und sehe einen einsamen, armlosen Zombie, der immer wieder mit dem Kopf voran gegen das Tor rennt. Drinnen brennt Licht, und ich höre leise Rockmusik. Matt vertraut dem Tor wohl sehr. Ich dagegen weniger.

Ich schnappe mir einen Gehstock neben dem Bett, der wohl Onkel Jack gehört hat, und mache mich auf den Weg ins Waffenarsenal. Nachdem ich kurz die schier unendliche Sammlung an MGs, Pistolen und Granaten bewundert habe, die illegaler nicht sein könnte, hänge ich mir einen Pfeilerbogen samt Köcher um die Schulter und gehe zurück ins Schlafzimmer. Ich habe erst einmal mit Pfeil und Bogen geschossen, als ich klein war und mein Vater mich mit auf die Kirmis genommen hat. Aber zum Glück ist die Garage nicht weit weg, und ich habe circa 20 Pfeile im Köcher. Also fange ich einfach mal an, munter drauf los zu schießen. Ich kann jetzt sowieso nichtmehr schlafen, und die Pfeile machen wenigstens kaum Geräusche. 

Nachdem zwei Pfeile die Straße getroffen haben und einer Matt's gestohlenes Auto, überlege ich es mir doch nochmal, und konzentriere mich besser. Ich setzte langsam an, atme tief ein und halte die Luft an, während ich ziele. Dann lasse ich den Pfeil sausen, und er schlägt etwa zwei Meter rechts vom Kopf des Zombies in die Garagenwand ein, und durchbohrt sie glatt. Ups.

"Hey!", höre ich Matt von drinnen rufen, und er fährt das Garagentor ein paar Zentimeter hoch, um nachzusehen, was los ist. 

"Zombie!", rufe ich als Warnung, gerade als sich der Zombie fallen lässt und unter dem Spalt hindurchzukriechen versucht. Ich entdecke Matt's Hand, die mit einem Schraubenzieher gezielt in den Hinterkopf des Zombies sticht, bis dieser sich nichtmehr rührt. Dann rollt Matt unter dem Tor hindurch und sieht sich um.

"Hey!", rufe ich vom Fenster aus, und winke ihm mit dem Bogen zu. Er lacht und kommt zu mir gelaufen. "Ich hab irgendwie ein bisschen dein Auto abgeschossen".

"Ich war eh kein großer Fan. Nicht wendig genug und viel zu tief gelegt für die Apokalypse", er zuckt die Schultern und küsst mich, viel zu intensiv und aus dem Nichts, sodass mein Herz einen Sprung macht und sich mein Unterleib zusammenzieht. 

"Was?", fragt er, als ich ihn, anstatt zu antworten, einfach nur ansehe. 

Ich grinse nur, schüttle vollkommen durcheinander den Kopf, und küsse ihn auf die Wange: "Alles gut". Sehr gut sogar.

"Leg dich wieder hin. Ich komm auch bald nach. Nur noch eine Stunde oderso", verspricht er mir. "Und lass die Finger von dem Bogen, bevor du dich noch selbst erschießt!" Damit joggt er grinsend zurück zur Garage und ist wieder verschwunden.

Weil ich jetzt natürlich nichtmehr schlafen kann, beschließe ich, mir ein Buch zu holen. Vielleicht irgend ein Survival-Buch. Man kann nie genug lernen in der Apokalypse. Also humple ich ins Büro und sehe mich um. Wieder fällt mein Blick unwillkürlich auf das Radio, und ich lasse mich am Schreibtisch nieder.

Das kann doch nicht sein, dass uns das garnichts bringt. "Und zweitens ist ein Radio kein Sendegerät, sondern ein Empfänger", hat Matt gesagt. Macht schon Sinn. Und auf einmal kommt es mir in den Sinn. Wir können zwar nichts senden, aber vielleicht sendet ja die Regierung, oder die Armee, oder das Rote Kreuz.

Mit vor Aufregung zitternden Fingern schalte ich das Radio an, und drehe langsam, ganz vorsichtig, am Frequenzfinder. 

Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt