Irina Jacksons P.O.V.
Als ich wieder zu mir komme, habe ich keine Ahnung, wie spät es ist. Dichte Wolken sind aufgezogen und verdecken den Himmel, die ersten Regentropfen fallen um mich herum zur Erde herab. Ich liege in Embryonenhaltung seitlich am Boden, die Knie ans Kinn gezogen, und streiche mit ein paar Fingern nachdenklich über das blutige Gras. Ich finde es nicht einmal ekelhaft, mitten in Matts Blut zu liegen - wieso auch? Er ist ohnehin längst tot.
Langsam nimmt der Regen zu und ich zwinge mich, mich aufzusetzen und umzusehen. Alles ist ruhig, niemand ist in der Nähe. Ich bin allein.
Ich komme schwankend auf die Füße und will mich gerade umdrehen, zurück zur Cross und zurück zu Tio, weil ich hier ohnehin nichts mehr verrichten kann, als etwas meine Aufmerksamkeit erregt. Was für mich anfangs nur nach einer getrockneten Blutlache aussah, ist vielmehr der Anfang einer Blutspur, die von der Straße weg und in Richtung des anschließenden Waldes führt. Vielleicht ist es nicht gut, der Spur zu folgen.
Ich gehe ein paar Schritte neben den Schlieren zum Waldrand hin. Vielleicht renne ich gleich mitten in eine Zombieherde. Zombiegruppe? Zombieschwarm? Ich schüttle den Kopf und gehe schneller.
Mein Herz pocht mir bis zum Hals und ich ziehe die Pistole aus dem Hosenbund. Wie ich es in Hollywoodfilmen gesehen habe, halte ich sie mit ausgestreckten Armen vor dem Körper und beginne zu rennen. Es ist mir egal, worauf ich treffe. Wenn ich auf Menschen treffe, umso besser, aber auch Zombies würden mir im Moment guttun. Ich will irgendetwas den Kopf zertrümmern.
Direkt am Waldrand liegt eine Leiche am Boden, über die ich beinahe stolpere. Vor Schreck springe ich zurück und werfe aus ein paar Metern Entfernung mit einem Stein darauf, um sicherzugehen. Ja, der hier ist tot. Und wenn er tot ist steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Matt an dieser Stelle noch am Leben war...
Ich laufe mit hämmerndem Puls zwischen den ersten Bäumen hindurch und höre den Regen auf den Blättern, doch hier unten am Waldboden werde ich kaum nass, während ich mich durch Brombeergestrüpp vorankämpfe, immer der deutlich sichtbaren Blutspur folgend. Wie viel Blut muss derjenige verloren haben? Wie viel Blut hat ein Mensch überhaupt, und mit wieviel kann er wenigstens leben? Vielleicht hätte ich in Bio besser aufpassen sollen...
Vielleicht fünf, sechs Liter? Auf jeden Fall besteht diese Blutspur aus verdammt viel Blut.
Das Gelände steigt stetig an und immer wieder weiche ich hohen Felsen aus, die hier und da aus dem Boden ragen. Ich fühle mich unsicher, habe Angst in dem unübersichtlichen Gelände überrumpelt zu werden. Also versuche ich, wieder ans Verbluten zu denken.
Ich beiße die Zähne zusammen, als mir Matts grüne Augen in den Sinn kommen. Wie er damit aufmerksam die Umgebung abgesucht hat, als wir die Insel abgingen... ich versuche, es ihm gleichzutun, und lasse immer wieder den Blick in der Umgebung herumschweifen.
Der Regen wird stärker, und über das Knacken der Äste und Blätter unter meinen Füßen und das stetige Rauschen von Wasser überhöre ich das leise Geräusch hinter einem etwa mannshohen Felsen zu meiner Rechten beinahe.
Matt Taketer's P.O.V.
Immer noch vor Wut bebend stoße ich gegen den Stein, obwohl meine Zehen schmerzen und vielleicht sogar gebrochen sind. Bei dem Gedanken an einen gebrochenen Fuß höre ich doch lieber auf, denn jetzt muss ich immerhin zu Fuß weiter.
Aus dem Augenwinkel registriere ich eine Bewegung, erst halte ich es für eine Lichtspiegelung, doch dann wird mir klar, dass ich keineswegs gegen einen Stein getreten habe, sondern gegen ein Lebewesen.
Ich knie mich hin und biege das Gras zur Seite, das rund um das Ding liegt, um zu sehen, was es ist. Schlechte Idee. Sehr, sehr schlechte Idee.
Bevor ich aufspringen kann oder irgendetwas unternehmen, graben sich bereits die Zähne in meinen Arm.
Mehr vor Überraschung als vor Schmerz brülle ich und greife mit links nach meinem Schwert, während ich rückwärts taumle und hinfalle. Der Zombie kriecht neben mich und seine Finger krallen sich in meinen rechten Unterarm, direkt in die klaffende Wunde. Ich keuche und mir wird klar, dass ich so nicht an die Waffe komme. Die Erde bleibt an meinen Klamotten kleben, als ich rückwärts durch den Schlamm krieche. Mit einem Fuß trete ich dem Zombie ins Gesicht und ein schleimiges Knacksen verrät mir, dass ich getroffen habe, als ich mich auch schon aufrapple und am Seeufer entlang losstolpere. Blut fließt aus meinem Arm und mir wird schummrig. Mit dem linken Arm stütze ich mich an einem breiten Baumstamm ab, der direkt am Waldrand aufragt. Ich atme tief durch, kann das denn so schwer sein? Ich muss dringend hier weg!
Noch bevor ich meine Gedanken vollständig gesammelt habe dringt erneut dieser würgereiz-verursachende Verwesungsgeruch an meine Nase und Schmerz schießt durch meinen Arm. Fast ohne zu wissen, was gerade geschah, senke ich langsam und bedächtig den Blick zu dem Zombie, der genüsslich die Zähne ins Fleisch meines Oberarmes schlägt und mich dabei aus seinen leeren weißen Augen anzusehen scheint.
Mein linker Arm beginnt zu zucken, meine Beine ebenso und wir gehen gemeinsam zu Boden, wo ich fasziniert zusehe, wie er meine Sehnen durchbeißt. Der Kehlkopf an dem sehnigen Hals zuckt, als er schluckt.
Durch halb geschlossene Augen und mit zuckenden Gliedern sehe ich gerade noch hellblonde Haare und eine schlanke Silhouette darunter, bevor mein Kopf zurücksinkt.
Das Gewicht des Zombiekörpers verschwindet über mir und jemand packt meinen Körper unter den Schultern. Ich werde durch den Schlamm und Laub gezogen. Immer wieder schlägt mein Rückgrat gegen Steine, woraufhin ich genervt ächze. Man könnte ruhig etwas sanfter sein... man hätte mich auch gerne dort liegen lassen können. Hätte ich nichts dagegen gehabt...
Doch ich kriege den Mund nicht so recht auf, um mich zu beschweren, also atme ich tief durch und lasse mich ziehen. Ich wünschte nur, ich könnte mehr sehen, mich würde interessieren, ob ich noch Beine habe. Die spüre ich irgendwie auch nicht so recht.
Meine Ohren gehen zu und mein Schädel pocht, als ich irgendwann endlich liegen bleibe. Ich werde einmal herumgerollt, mein Gesicht zeigt zum Boden, doch da ist kein Boden mehr. Ich werde hochgehievt, an Seilen oder vielleicht an einer Trage, ist schwer zu sagen da ich nur noch kleine Teile meines Körpers spüre. Als Zombie zu sterben gehörte eigentlich nie zu meinen Plänen. Was solls?
Wenige Minuten später liege ich endlich ganz ruhig, mit den Fingern der linken Hand kann ich noch fühlen, und was ich fühle ist schiefriges Holz. Ein Druck auf meinem rechten Arm. Und dann Schmerz. Mehr Schmerzen, als ich vermutlich je gespürt habe. Und keineswegs angenehme Schmerzen.
Foto: Zombie
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Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringt
HorrorIrina ist 16, Einzelkind (also Verwöhnung pur) hat eine tolle beste Freundin, einen liebevollen, sexy Freund und gehört zu den beliebtesten Leuten an der Schule. Ihr Leben wäre eigentlich perfekt, doch eins macht das ganze kaputt - wieso muss ausge...