Beim Erwachen

600 39 6
                                    

Matt Taketer's P.O.V.

Blinzelnd öffne ich die Augen. Der Himmel ist blau.

Ich spüre die Kälte an meinem ganzen Körper und als ich eine Hand hochhebe und betrachte, ist sie von weiß glitzerndem Frost überzogen. Langsam setze ich mich auf und betrachte die hohen Gräser um mich, deren Grün von dem selben Glitzern verziert wird wie mein gesamter Körper. Meine steifen Glieder durchstreckend stapfe ich über den gefroren knisternden Boden bis zum See, wo ich, nachdem ich festgestellt habe, dass das Feuer auf der Insel erloschen ist, einen Blick auf mein Spiegelbild werfe.

Getrocknetes Blut  verschmiert meine Nase und den Mund und eine klaffende Wunde prangt an der Stirn. Daher also diese unangenehmen Schmerzen. Gibt es angenehme Schmerzen? Von dem Gedanken bin ich erst einmal verwirrt, also beschließe ich, mich zu waschen.

Das eiskalte Wasser tut gut auf meiner Haut, ich bin sofort hellwach, doch als es an die Stirnwunde gelangt werde ich wieder von einer Woge der unangenehmen Schmerzen überströmt.

Ich kremple meine Ärmel hoch, um mir die Arme zu waschen, als mir feine blaue Linien an meinem Unterarm auffallen. Kugelschreiberschrift. Entschuldigung. Viel Glück.

Ich beiße die Zähne zusammen und schrubbe mit aller Kraft die Schrift weg, bis meine Haut sich rötlich verfärbt und kribbelt.

Ich hätte nichts anderes erwarten können, als, dass sie mich alleine lässt. Immerhin hat sie ja einen Freund. Ich verdrehe verächtlich die Augen.

Nachdem ich überprüft habe, wieviele Waffen ich noch besitze - einen Dolch den ich im Stiefel versteckt hatte und die Pistole - beschließe ich, zur Insel zurückzukehren und alles zu holen, was mir weiterhelfen könnte. Vor allem warme Klamotten wünsche ich mir.

Doch ich werde enttäuscht. Alles auf der Insel ist abgebrannt, ich scharre mit den Füßen nur noch in Asche. Das Einzige, was vom Haus übrig geblieben ist, ist ein Schutthaufen. Dennoch trete ich in die schwarzen, verkohlten und immer noch schwelenden Teile, bis ich endlich eine kleine Schachtel mit Munition sowie das Langschwert finde, das wir von Onkel Jack mitgenommen haben.

Halbwegs zufrieden, nicht mit leeren Händen abziehen zu müssen, überquere ich den See erneut und taste dann in meinen Taschen nach dem Crossschlüssel. Als ich ihn nicht finde jogge ich zurück zu der Stelle, wo ich gelegen habe, doch sie ist leer. Diese Schlampe hat mich also nicht nur hier liegen gelassen, sondern auch noch meine Maschine geklaut. Vor Wut bebend trete ich mit voller Kraft gegen einen Stein und brülle den Himmel an.

Und dabei bin ich so sauer, dass ich mir noch nicht einmal dämlich vorkomme.

Jackie's P.O.V.

Saskia klammert sich an meinen Arm und ich weiß, dass ich sie trösten müsste. Ihr sagen müsste, dass diese Leute gerade nicht unsere Eltern erschossen haben, sondern Monster. Ich müsste ihr jetzt sagen, dass alles in Ordnung ist, und dass sie sich keine Sorgen machen muss. Dass ich immer auf sie aufpassen werde.

Aber irgendwie starre ich nur auf die beiden toten Körper, denen das Blut aus den Köpfen fließt, und kann nicht anders, als darin unsere Eltern zu sehen. Eine Weile bemerke ich garnicht, dass Tränen über meine Wangen fließen, merke auch nicht, wie meine Fingernägel blutige Male in meine Handflächen graben, und als die Menschen, die unsere "Eltern" erschossen haben, uns mitzerren, lasse ich es geschehen. Ich höre Saskias schrille Schreie hinter mir, spüre ihre kleinen Fäuste, die gegen meinen Körper trommeln. Sie will nicht mit diesen Leuten gehen, doch ich halte es für das Beste.

Wo sollen wir auch sonst hin? Unsere Freunde sind vermutlich längst tot. Und Iri habe ich das letzte Mal gesehen, als sie aus dem Bus stürzte,  also kann ich sie getrost zu den Toten zählen. Irgendwann zwischen der anfänglichen Schockstarre, den Panikanfällen und Hyperventilationen in den darauffolgenden Tagen und meiner jetzigen Situation habe ich mich wohl damit abgefunden, dass die Welt den Bach runter geht. Vielleicht ist das ja Gottes Strafe so wie damals die Flut? Ist mir auch Scheiß egal.

Gott ist sowieso ein narzisstisches Arschloch.

Die Leute führen uns durch enge Gassen zwischen Hochhäusern hindurch, meine Füße stapfen durch Schlamm und Müll. Hier hat sich die Welt nicht verändert. Saskia klammert sich immer noch an meinen Arm und versucht, mich in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen, aber ich stapfe einfach  weiter durch den vertrauten Großstadtmüll.

Foto: Jackie

Die Zombieapokalypse und was das Leben sonst so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt