Kapitel 1

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"So, das war der letzte Karton, schönen Tag noch Mademoiselle." Und dann ist der junge freundliche Franzose auch schon weg und ich bin ganz alleine in meiner neuen unmöbilierten Wohnung. Ganz alleine bin ich nicht wirklich, ich gebe es zu, mein kleiner braun weißer Mischlingshund Cindy ist immerhin noch bei mir, aber Menschen oder menschenähnliche Individuen befinden sich keine mehr in meinem unmittelbaren Umfeld. Wow. Das klingt ja viel pessimistischer als es eigentlich ist.
Versuchen wir's nochmal:
ICH BIN ALLEINE *Freudensprung*
Ich bin sogar so glücklich dass ich zum singen und tanzen anfangen könnte, was ich nur in den äußerst schönsten Momenten mache.

Stattdessen habe ich jetzt genug Zeit um mich auf das zu konzentrieren wegen dem ich überhaupt hier bin. Arbeit.
Mit meinen gerade einmal 18 Jahren wird es zwar schwer werden etwas gut bezahltes zu finden aber an meiner akademischen Ausbildung sollte es zumindest nicht scheitern. Abschluss habe ich ja, sogar mit ausgezeichnetem Erfolg und das von der besten Schule Österreichs, das Land hat nur leider momentan echt nichts Interessantes zu bieten für mich, et voilà, jetzt bin ich in Paris, was für ein Cliché nicht wahr?
'Mädchen, naiv, glaubt nach Abitur in Paris die Welt verändern zu können'

Was genau ich hier machen möchte haben mich auch meine Eltern gefragt als ich ihnen vor gerade einmal 2 Wochen mein Vorhaben präsentiert habe und sie sich dabei fast aus dem 5. Stock ihres Penthouse geschmissen hätten weil sie mit so einer Enttäuschung nicht leben wollten. Sie sind Meister im Übertreiben und das ist leider nicht das einzige was sie gut können. Mein Vater ist Richter in Wien und meine Mutter Oberärztin der Chirurgie ebenfalls in Wien. Arm sind wir also bei weitem nicht und es wird ein sehr hoher Anspruch auf einen gut bezahlten Job gestellt. Was ich also hier mache?
Leben! Und zwar so wie ich es will. Ich habe Geld gespart, 6 Jahre lang, mein ganzes Taschengeld um mir jetzt diese schnuckelige Wohnung hier leisten zu können, wo genau ich arbeiten möchte weiß ich zwar noch nicht, aber ich würde sogar Mistkübel nach Pfandflaschen durchsuchen um hier bleiben zu können, von mir aus auch auf der Straße leben.
Um es aber nicht darauf ankommen zu lassen, packe ich aus einem der insgesamt 18 Kartons meinen Laptop aus und stelle ihn auf meinen mitgebrachten kleinen Tisch, den der Typ vom Umzugsservice mühevoll in den 4. Stock hochgetragen hat.

*Jobs für Jugendliche Paris*
Meine Google-Such Skills sind sehr minimal, man könnte sicher mehr als 100 freie Stellen finden, das einzige was bei mir erscheint ist ein kleines Café das, soweit ich das hier verstehe, eine Aushilfe sucht. Meine Eltern würden die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen und mir eine 5 seitige Pro und Kontra Liste auf Knopfdruck servieren wobei der negative Teil deutlich mehr wäre als der Positive, was denn sonst.
Ich greife also nach meinem Handy, wähle die Nummer der Inhaberin und bekomme für morgen einen Termin für einen Probetag. Viel besser kann es gar nicht laufen! Jetzt noch schnell eine SMS an meine Mutter um ein bisschen zu provozieren mit meinen möglichen 550€ monatlich, die ihr einen Stich ins Herz geben werden und dann geht es auch schon ans auspacken.

Möbel habe ich eigentlich so viel wie möglich mitgebracht, das einzige was wirklich fehlt ist ein Fernseher, aber der kann mir auch egal sein, Zeit werde ich sowieso keine dafür haben (im besten Fall zumindest).
So im Großen und Ganzen bin ich ziemlich zufrieden mit allem hier aber wie zu erwarten freut es mich bereits beim ersten Karton nicht mehr irgendetwas zu machen, weshalb ich also auf der Suche nach Cindys Leine alles ausräume und auf den Boden schmeiße, bis ich sie schlussendlich finde und ein Choas hinterlasse um einen Spaziergang machen zu können. Beim ersten Schritt raus aus dem alten Wohnhaus wird mir erst bewusst wie viele Leute hier eigentlich unterwegs sind und dass ich mir wohl den ungünstigsten Moment zum Umziehen ausgesucht habe den es überhaupt gibt. Die Europameisterschaft. Wie dumm muss man bitte sein?
Egal.
Immer positiv denken und lächeln, dann wird alles gut werden. Nur nicht verzweifeln.
Ich zwänge mich die Straße entlang bis zu einem Park der ungefähr 35 Minuten enfernt ist von all den Menschenmassen und meiner Wohnung und je weiter ich gehe, desto angenehmer wird es und ich kann sogar wieder richtig gute und saubere Luft atmen, was vorhin unmöglich war aber die Details von meinem Weg erspare ich euch lieber. Betrunkene Menschen, überall Müll und man wird hie und da mal kurz angequatscht und begrapscht von Menschen die man sonst eher meidet.
Angestrengt lasse ich mich Schweiß von der Stirn rinnend auf eine Parkbank plumpsen, nachdem ich weit und breit niemanden mehr gesehen habe. Ich bin also alleine. War ich vorhin auch, aber in der Natur ist es immer noch am Schönsten.

Rund herum ist alles voll mit Bäumen und Blumen die entweder voll aufgeblüht oder gerade dabei sind und das merkt man auch an den Massen an Insekten die ständig hin und her fliegen und dadurch Cindy zur Weißglut treiben bis dann schließlich das passiert was schon zu erahnen war. Eine Biene provoziert sie so lange bis sie, also mein ach so tolles Hündchen, sich wehrt und nach ihr, der gemeinen Biene, faucht und *Überraschung* sie, Cindy, wird gestochen. Mein Sarkasmus möchte sich schon wieder ausleben, aber ohne ihn wäre es unmöglich nicht auszuticken. Wäre das nicht Pech genug, reißt sie, ich meine wieder Cindy, sich vor Schreck von mir los und startet hysterisch Richtung Straße.
Ich hätte einfach nicht die Wohnung verlassen dürfen... Ich springe auf meine plumpigen Füße die gerade ihren Relax-Modus erreicht hätten, deshalb richtig einknicken und stolpere beim Versuch meine kleine Tussi wieder einzufangen über meinen linken Fuß der sich spontan dazu entschieden hat sich nicht bewegen zu wollen und das meinem rechten Sprinterfuß nicht mitgeteilt hat und TADAAAAAA ich schürfe mir beide Knie auf. Und ich dachte mein Optimismus bringt mich weiter. Stattdessen ist mein Hund weg, meine Füße blutig und hey, befummelt wurde ich heute auch schon.
Der Start ins neue Leben beginnt ja großartig!
"Verdammte Scheiße!", fluche ich während ich versuche wieder aufzustehen und dabei nochmals hinfalle. Ich sollte einfach aufgeben und warten bis die Zeit kommt in der man sich irgendwo hin teleportieren lassen kann. Das ist der Plan. Mein Masterplan.
Kurz bevor ich den Tränen nahe meine Wunden begutachte und mich auch davor ekle, schmiegt sich von der Seite etwas kuscheliges an mich. Keine Sorge, es ist kein Perverser sondern mein Hund. Gott sei Dank!
"Hey, alles okay bei dir?"
Nachdem ich Cindy kurz gestreichelt hatte, bemerke ich erst, dass sie 1. nicht sprechen kann und 2. die Stimme eindeutig männlich ist und ich mitbekommen hätte sollen wenn sie doch nicht meine kleine Cinderella wäre.
"Das ist dein Hund oder?"
Ich drehe mich um und starre einem Typen, der anscheinend neben mir in die Knie gegangen ist dass ich ihn besser verstehe oder was weiß ich warum, direkt in seine funkelnd blauen Augen.
"Ja." Mehr bekomme ich nicht aus meinem Mund.
"Sie ist mir entgegengelaufen, mein Hund war gleich ganz vernarrt in sie und ist ihr nachgelaufen deshalb habe ich gleich beide eingefangen. Alles okay bei dir, du blutest ja!"
Warum hört er nicht auf zu reden? Wahrscheinlich schauze ich ihn jetzt gleich an oder benehme mich wie der letzte Depp. Keiner sollte mich in meiner angepissten Sarkasmusphase erwischen.
"Ja klar." Und wieder nur eine kurze aber schmerzverzerrte Aussage meinerseits.
"Sieht ja gar nicht gut aus, lass mich dir aufhelfen."
Er rappelt sich schnell auf, gibt beide Leinen in eine Hand und streckt mir die andere hin.
"Danke."
Wie peinlich... Ich starre ihn jetzt das erste mal so richtig bewusst an und dann merke ich wie ich wohl aussehen muss. Er ist gut gebaut, nicht wirklich groß aber etwas muskulös mit dunkelblonden Haaren die seine blauen Augen echt gut zum Ausdruck bringen. Und gegenüber von ihm ich. Knapp 10cm kleiner als er, lange braune gewellte Haare die vermutlich zu Berge stehen, mit Sommersprossen die ich versucht habe abzudecken und einer schlanken Figur die man in meinem Kleid aber nur erahnen kann...

Boden tu dich auf und verschlucke mich!

"Woah, das sieht echt übel aus, setz dich lieber mal auf die Bank da."
Er stützt mich hin zur Teufelsbank und kniet sich vor mich hin während ich ihn wieder nur anstarren kann. In meinem ganzen Leben ist mir noch nie jemand begegnet der so perfekt ist. Angefangen bei seinem Gesicht bis zu seinen Gesichtszügen, seiner Fürsorglichkeit und seiner Stimme. Sein Blick als ich mich nach ihm umgedreht habe und das erste was er machte war mich anzulächeln.
"Warte hier, ich komm gleich wieder. Lauf nicht weg, ja?"
"Keine Sorge, ich kann mich höchstens wegrollen, aber wenn du gleich wieder kommst hätte ich nie eine Chance schnell genug wegzukommen."
Oh Gott! Wie dumm bin ich eigentlich?
Dem Herren sei Dank, er hat meinen Sarkasmus verstanden nachdem ich einen Grinser aufgesetzt habe und er lächelt nur. Nochmal Glück gehabt.

Ein Leben in Paris? - Antoine Griezmann FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt