Kapitel 26

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Auf dem Bildschirm erscheint ein Bild von Antoine der gerade dabei ist mir die Kaputze aufzusetzen, gefolgt von Schnappschüssen unseres Kusses. Nach einer überdimensionalen Vergrößerung meines Gesichts und einem großen Fragezeichen darauf, spühre ich die aufgeregten Blicke der anderen. Wer um Himmels Willen ist Antoine?
"Ich... Ich muss... Ich muss sowieso noch... Also zu Hause ist sicher... Okay. Tschüss.", stehe ich stotternd auf und bewege mich ganz schnell weg. In meinem Kopf rattert es nur so vor Verwunderung. Und die anderen? Die sehen mich an wie einen Außerirdischen der den Gangnam-Style tanz.
"Mila warte!", läuft mir Théo hinterher und versucht alles um mich zu stoppen.
"Ich muss sowieso nach Hause, ich hol nur Cindy und meine Sachen.", sage ich gestresst und greife mir dabei auf die Schläfen.
"Hat er dir nichts gesagt?", fragt er verwundert.
"Ehm... Nein. Schon gut. Richte ihm bitte aus, dass er sich nicht bei mir melden soll. Bitte.", meine ich nur während es mir die Tränen in die Augen schießt. Jetzt bloß nicht weinen. Einfach nichts anmerken lassen. Das kann ja nicht so schwer sein.
"Mila, warte hier auf ihn.", gibt Théo sein bestes und läuft mir hoch ins Zimmer nach.
"Lieber nicht. Ich bin auch schon weg, keine Sorge. Cindy, hopp. Komm du kleine Schaumrolle. Wir gehen.", fordere ich meine kleines Nilpferd auf, die gleich aufspringt und sich an meinen Fuß klebt. Sie merkt immer wenn es mir nicht gut geht.
"Mila. Komm schon.", wird mir nur schnell nachgerufen, aber ich lege einen kleinen Sprint die Treppen runter hin und verlasse das Hause ohne einen Mucks. Ich will hier nie wieder hin. So gern ich diese Familie habe. Wie können sie mir alle verschweigen wer Antoine wirklich ist? Und was meinte die Moderatorin? Nationalteam-Held? Welche Sportart? Warum Held?
Jetzt macht auch alles Sinn. Wie dumm muss ich sein und Kamera-Geräusche mit einem zerbrochenen Glas zu verwechseln? Wie naiv ich bin. Fast schon erbärmlich wie ich ihm einfach blind vertraut habe. Und was macht er? Küsst mich einfach so! Wenn er so ein toller Mensch ist, wie alle meinen, warum nimmt er dann mich? Oder bin ich nur eine von vielen? So ein Star wie er kann doch jede haben. Hat er bestimmt auch. Ich könnte mich selbst Ohrfeigen für meine Dummheit. Schade, dass die nicht angeboren ist. Sonst hätte ich meinen Eltern und deren Genen die Schuld für alles geben. können. Aber andere Menschen als Sündenbock hinstellen wäre unfair. Ich bin doch der Depp.
Warum vertraue ich auch einem Wildfremden? Ich würde jetzt gern als eine andere Person auf mich schauen, mit dem Finger auf mich zeigen und ein lautes 'Ha Ha' brüllen. Dann würde ich mich über mich lustig machen und dann einen blöden Flachwitz reißen.
Mit meiner kleinen Sporttasche im Arm und Cindys Leine in der anderen Hand, überquere ich aussehend wie der Strubelpeter, aus dem Kinderbuch vor dem ich mich immer von Angstschweiß durchnässt unterm Bett versteckt habe, die Straße, wo gerade ein Bus zufährt.
"Hey!!! Bitte warten Sie!", schreie ich mir die Seele aus dem Leib und springe gerade noch rein, als der Türe sich schließen möchte.
"Mila!"
"Mathéo? Heute mal eine andere Strecke?", frage ich verwundert ihn in dieser Buslinie zu sehen.
"Mein Weg ist überflutet, die Straße wurde gesperrt. Sag mal, was ist denn passiert? Was schaust du denn so traurig?", erkundigt er sich besorgt.
"Dieser Typ. Kennst du einen Antoine Griezmann?",
"Aber natürlich Schätzchen. Das ist doch dein Freund. Der Fußballer.", meint er unbeeindruckt ohne den Ernst der Lage zu verstehen.
"Du wusstest wer er ist?
"Aber er hat mich doch so angesehen. Ich sollte es dir nicht sagen.", verteidigt er sich.
"Und jetzt sieht mich ganz Frankreich ihn küssend in den Nachrichten.", lasse ich mich erschöpft in einen Sitz fallen und schlage die Hände vor mein Gesicht. Keiner soll sehen, dass ich weine. Es reicht wenn sie mich alle bei meinem ersten Kuss auf Youtube auslachen können. Und seine Hardcore-Fans können mich jetzt im Internet beleidigen und zu meiner hässlichen Visage hinzoomen. Man sieht sie ja klar und deutlich auf den Bildern. Und meine Eltern! Was passiert wenn die das alles mitbekommen? Sie werden herkommen und mich einen Kopf kürzer wieder mit nach Hause schleppen. Eine Karriere als hoch angesehene Akademikerin, wie sie es verlangen, kann ich mir sonstwohin schieben. Wer nimmt mich denn noch irgendwo wenn Klatsch und Tratsch über mich verbreitet wird? Diese geldgeilen Journalisten werden bald meine Persönlichkeit kennen und dann alles dafür tun um eine gute Story über mich zu erfinden. Wow. Das ist das Leben das ich wollte. Nicht.
Ich will nicht jedes Mal wenn ich mir eine Zeitung kaufe beten müssen, dass nichts über mich drinnen steht. Nicht, dass ich jetzt zum Star werde. Aber irgendwer wird sich bestimmt sein Maul darüber zerreißen. Ich sehe ja aus wie jeder andere. Bin nichts besonderes. Bin kein Model, schauspielern ist auch nicht meine beste Eigenschaft und im musikalischen Bereich bin ich fast sogar unterirdisch unterwegs.
Den Leuten bleibt gar nichts übrig als Lügen zu verbreiten. Ich bin so langweilig wie eine trockene Scheibe Brot. Ganz normales Brot. Ohne Kerne oder Karotten oder spezielle Details. Einfach nur Brot.

Bereits die nächste Haltestelle ist meine, weshalb ich ohne Kommentar aus dem Bus laufe und dann direkt zur Haustüre, die ich aufsperre, aufreiße und hoch zu meiner Wohnung sprinte. Es soll mich ja keiner sehen. Nicht nur, dass meine Wimperntusche verronnen ist, nein, es besteht die Gefahr, dass irgendjemand aus diesem Haus die Nachrichten gesehen hat. Und dem gilt es aus dem Weg zu gehen.
Nachdem ich die zig tausend Treppen endlich hinter mir habe, gehe ich frustriert zum Kühlschrank, nehme mir alles raus, was ich in meine Hände bekomme und lege mich dann Gesicht nach unten in mein Bett um immer kurz meinen Kopf heben zu müssen, wenn ich das Bedürfnis habe etwas in mich reinzustopfen.
Das ganze geht jetzt bestimmt schon einige Stunden so und jedes mal wenn ich aufblicke, sehe ich durch mein Fenster nur wie es immer dünkler wird draußen.
Vollkommen unwissend wie spät es eigentich ist, rapple ich mich dann schlussendlich doch auf. Mein Hund sollte vielleicht mal seine Blase entleeren dürfen. Sonst habe ich wieder die Ehre den Boden zu reinigen. Ich brauche sowieso eine kleine Ablenkung.
"Cindyyyyyy!", brülle ich emotionslos und warte nur darauf wie sie sich zu mir herschleppt. Ihr macht das ganze fast noch weniger Spaß als mir, aber sie ist diejenige die Schuld daran ist. Warum kann sie sich nicht einfach auf die Kloschüssel setzen? Machen wir Menschen doch auch!
Geschätzte 30 Minuten später stehen wir dann auch endlich vor der Türe und ich rieche wieder den Verwesungsgeruch der Fußballfans die aus ihren Löchern gekrochen sind. Sollen sie doch alle ihren heiß geliebten Antoine anfeuern. Ich werde sie bestimmt nichf davon abhalten. Dieser Typ hat keinen Platz mehr in meinem Kopf, in meinem Herz schon gar nicht. Hat er sich nicht verdient. Anlügen kann ich mich selbst auch, dazu brauche ich ihn nicht und auf seinen doofen Kuss kann ich auch verzichten. Ich sterbe sowieso lieber ganz alleine in einem Wohnwagen, abseits von der Zivilisation mit 20 Katzen und einem kleinen Selbstversorgergarten.
Life goals nenn ich das.

"Mila! Ich warte seit einer halben Ewigkeit hier auf dich!", läuft mir auf einmal jemand nach.
"Halbe Ewigkeit? Kannst du das etwas genauer definieren? Die Ewigkeit dauert nämlich verdammt lange, vor allem gegen Ende hin, aber darauf musstet du ja gar nicht warten, denn TADAAAAA hier bin ich. Kannst du jetzt wieder gehen nachdem wir jetzt eine wundervolle Konversation geführt haben?"
Warum rede ich so viel? Es macht ja nicht einmal Sinn was ich da von mir gebe!
"Mila bitte. Bleib stehen!", ruft mir Antoine etwas hilflos hinterher.
"Mein Hund muss mal, wenn du mich also entschuldigen würdest. Ich suche ihr einen adäquaten Platz für ihr Geschäft sonst holt sie sich hier noch irgendwelche Krankheiten." Warum? Warum tue ich das? Als ob die Verbindung zwischen Gehirn und Mund unterbrochen wurde und ich jetzt mit meinen Zehen denken würde. Genau soviel Schwachsinn rede ich.
"Mila. Können wir bitte reden?"
"Haben wie doch gerade.", zucke ich mit den Schultern hnd drehe mich weg von ihm.
"Ich will es die erklären."
"Erklären? Was denn? Ach, dass du ein fucking Fußballer bist und mich die ganze Zeit angelogen hast? Du spielst für Atletico Madrid, ja genau ich hab dich gegoogelt, aber bilde dir bloß nichts ein, ich wollte nur wissen wer du wirklich bist!", fauche ich ihn böse an.
"Ich wollte es dir..."
"Sagen? Ach echt? Wann denn? Nachdem du vielleicht irgendwann mal aus versehen gestehst wo du arbeitest oder warum dich Leute verfolgen? Danke, lieb von dir. Ich wäre bestimmt nie darauf gekommen. Anscheinend hältst du mich für dumm..."
"Tu ich nicht. Im Gegenteil. Ich wollte, dass du mich als ganz normalen Menschen kennenlernst.", meint er verzweifelt. Er hat keine Ahnung wie er mit mir umgehen soll. Amüsant.
"Als ob ich oberflächlich sein würde! Wenigstens vor unserem Kuss hätte ich gerne erfahren wer du bist und nicht 2 Stunden später im Haus deiner Großmutter im Fernsehen von einer aufgespritzten und umoperierten Moderatorin, die dich als Nationalhelden darstellt und so tut als ob du ein Gott wärst.", schnaufe ich aufgebracht und fuchtle wie einer Verrückte mit den Armen herum.
"Es tut mir leid, dass ich nicht ehrlich war."
"Nicht ehrlich? Ich bin im fucking Fernsehen! Was denkt meine Familie jetzt von mir, jeder sieht mein Gesicht! Die Leute werden sich das Maul über mich zerreißen und ein Video gibt es auch und das von meinem ersten Kuss. Danke. Wirklich. Ich muss nur deinen Namen auf Youtube eingeben und kann mir dann all die wunderschönen Kommentare zu einem Augenblick durchlese, den ich mir die letzten Stunden versucht habe aus dem Gedächtnis zu löschen! Vielen herzlichen Danke dafür! Echt! Du kannst dir selbst eine Tröphäe überreichen und dir auf sie Schulter klopfen dabei. Ganz große Klasse, Kompliment. Nicht jeder geht mit einer 18 Jährigen so behutsam um."

Ein Leben in Paris? - Antoine Griezmann FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt