"Komm schon!!! Genieß die Musik und den Regen!!", fordere ich ihn überglücklich auf. Wann hat man schon mal die Gelegenheit dazu?
"Ach Mila.", murmelt er mit einem verschmitzten Grinser vor sich hin.
"Was denn? Das Lied ist doch wunderschön.", meine ich nur und drehe mich nochmal unter seinem Arm. Mein Kleid schaut unter meiner, eigentlich seiner, Jacke genau so viel heraus, dass es sich dabei mit mir bewegt.
Meine, wie auch seine, Haare sind schon komplett mit Wasser vollgesaugt und hängen träge herum, beziehungsweise meine bleiben bei den Bewegungen in meinem Gesicht kleben bis ich sie dann wieder richte.
"Ist das dein Ernst? Du willst wirklich weiter so herumhopsen?", lacht er leise. Ehm, ja? Sieht er doch!
Früher habe ich das doch auch immer gemacht. Stundenlang bin ich im Wohnzimmer vor der Terassentüre gesessen und habe darauf gewartet bis es regnet und als es dann endlich angefangen hat, habe ich mir meine Socken ausgezogen und bin mit meinem Lieblingskleid in den Garten gerast um dann jede kostbare Minute zu genießen. Ihr glaubt gar nicht was das für einen Spaß gemacht hat. Einmal bin ich dabei aber in einer Pfütze versunken, dann hat es mich auf den Boden geschmissen und ich musste mit einem verstauchten Knöchel zur Türe kriechen, wo mich dann meine wütende Mutter am Ohr ins Haus gezogen hat. Dann musste ich mich rechtfertigen warum ich Spaß haben wollte. Tja und jetzt kann mich niemand davon abhalten das zu machen was ich möchte.
MUHAHAHA.
Okay. Das war vielleicht zu viel.
Sagen wir's mal so: ich freue mich ein klein wenig das machen zu können was ich will. Wäre Cindy jetzt hier, könnte ich sie an ihren Pfoten packen und durch die Luft wirbeln. So wie sie es immer mochte. Sie liebt es wenn ihr Speck auf und ab schwabbt, dürfte wie eine Massage für sie sein.
"Nagut, dann komm wenigstens näher her, wenn ich schon mittanzen muss.", zerrt er mich näher zu sich hin.
Ich starre ihn für ein kurzen Augenblick ganz bewusst an um vielleicht erkennen zu können was ihn umgestimmt hat oder was sein Plan ist. Er kann doch nicht von jetzt auf gleich ein begeisterter Tänzer werden und sich vor mir blamieren wollen. Ich mag vielleicht nicht die hellste Glühbirne im Lampenland bei IKEA sein, aber ich kann sehr wohl erkennen wenn jemand etwas ausheckt. Ich bin ja nicht in einem Erdloch aufgewachsen wo ich nie soziale Kontakte hatte.
Meine Mutter wollte mir mal versuchen einzureden, dass ich Zwangsstörungen und Halluzinationen habe nur weil sie nicht verstehen konnte, dass ich keine Freunde mit nach Hause bringe. Sie dachte ich rede mir alles nur ein und die Leute mit denen ich immer rede seien imaginär, ich war sogar einen Tag in der Klapse, bis dann meine verrückte High School Musical Freundin bei mir vorbeischauen wollte, weil ich in der Schule krank gemeldet war. Schon damals wusste ich, dass ich nicht so blöd bin wie mich jeder gerne darstellt. Und meine Mutter hat nur die Augen aufgerissen und war ganz perplex, dass ihr Kind soetwas hat was sich Freunde nennt. Tja. Da hat sie mich wohl unterschätzt.
"Dann brauchen wir aber ein etwas passenderes Lied, findest du nicht?", lächelt er mich spitzbübisch an als er mich ein paar Millimeter vor sich gezogen hat. Nein zu sagen wäre jetzt auch ziemlich blöd.
Wäre dann wie wenn er das Angebot machen würde 'Hey, hast du Lust mit mir zu tanzen' und ich dann so 'Ach nö, lass mal stecken. Allein macht es eigentlich mehr Spaß, aber danke für das Angebot Bro'. Wisst ihr was ich meine? Das kann ich jetzt nicht bringen. Obwohl mir die jetztige Situation schon etwas unangenehm ist. Er muss mich ja nicht gleich immer sooo nahe an sich ziehen. Ich würde an seiner Stelle für einen Sicherheitsabstand sorgen. Wahrscheinlich hat er schon wieder vergessen was ich für zerstörerische Kräfte entwickeln kann. Als ob ich mich in ein Monster transformieren würde, dass auf die Welt kommt um Menschen die es gerne hat zu vernichten. Ach. Schön wenn man so eine gestörte Persönlichkeit ist.
"Was würdest du denn vorschlagen?", meine ich nur und hebe dabei meine rechte Augenbraue. Mit der linken kann ich das nämlich nicht. Meine Linke ist viel zu brav, nett und schüchtern um jemanden einen strengen Blick zuzuwerfen. Die Rechte ist da eher die Ausreißerin. Mag es mehr zu provozieren.
"Hey, kannst du irgendetwas von Ed Sheeran spielen? Tenerife Sea vielleicht?", dreht er sich zum Gitarristen um, der dann voll enthusiastisch beginnt die Saiten seines Instruments zu zupfen. Er dürfte anscheinend darauf gewartet haben, dass er dieses Lied heute noch spielen darf. Merkt man auch daran wie er mit seinem Kopf hin und her schlägt und epileptische Anfälle mit seinem Fuß bekommt. Irgendwie schön mitanzusehen, wie jemand seine Leidenschaft ausübt und richtig darin aufgeht. Wie die aufblühende Knospe einer Blume. Vorhin war er noch zurückhaltend, aber jetzt zeigt er es allen. Er paniert alle anderen Straßenmusiker dezent, würden meine lieben österreichischen Freunde und ich sagen.
Bereits beim ersten Ton geht mein Herz auf. Dieses Lied ist so wunderschön, das ich instinktiv meine Augen schließe und mich an Antoines Brust anlehne, der wie ein Schaukelpferd, nur nach rechts und links statt von vorne nach hinten, wippt. Talent ist er zwar keines im Tanzen, aber die Stimme des Musikers lässt mich das ganz auszublenden."You look so wonderful in your dress, I love your hair like that.", flüstert er seinen Kopf an meinen gelehnt, während der Gitarrist seine Kolibri-Stimme auspackt, mit.
"Mila?", murmelt er nach einer kurzen Pause.
"Schhhhhhhhhh.", meine ich nur schnell. Er soll diesen Moment jetzt nicht versauen. Nur bis das Lied aus ist. Dann kann ruhig alles wieder normal weiterlaufen, ich kann wieder herumspringen und er kann wieder seinen verschränkte-Arme-Tanz tanzen.
"Mila.", hört er einfach nicht auf zu sagen bis ich meinen Kopf hebe und zu ihm hoch sehe.
"Was gibt's denn?", frage ich mit einem leichten Grinser im Gesicht. Er hat irgendwie so einen Blick drauf, den man einfach nicht beschreiben kann, aber dieser Blick ist so herzerwärmend.
"Darf ich?", meint er mit heiserer Stimme.
"Was denn? Aufhören? Zum Tanzen? Aber, aber, wo lehne ich mich dann an?", fake ich eine leichte Enttäuschung. Er aber bleibt ganz gechillt, macht keine Anzeichen jetzt ein Gegenargument zu bringen und lächelt mich mit seinen funkelnd blauen Augen an. Hmmm. Was meint er? Was will er?
"Nein du Dummbatz. Darf ich...?", beginnt er schnell und wird immer langsamer beim Sprechen. Warum spricht er nicht zu Ende? Soll ich riechen, spühren oder in seinem Gesicht ablesen was er meint? Soll ich es einfach bei seiner Aussage belassen oder weiterfragen? Nicht näher darauf eingehen? Oder meiner nervig neugierigen Ader die Oberhand über mich überlassen? So viele Fragen, aber wer kann mir eine sinnvolle Antwort geben?
Ratlos beiße ich mir auf die Unterlippe, wie ich es immer mache wenn ich über etwas nachdenke. Also sehr selten.
Man könnte sich jetzt vorstellen, dass ich das ganz unauffällig mache oder so wie die ganzen Schauspielerinnen in ihren Schnulzen, nein. Bei mir sieht es eher so aus als ob ich seit 3 Tagen nichts gegessen habe und deshalb nach Alternativen suche. Meiner Unterlippe also.
Von eine auf die andere Minute bleibt er aber stehen, wiegt uns beide nicht mehr nach links und rechts. Was ist jetzt los? Geht er? Will er weg? Warum hört er auf?
Seine rechte Hand lässt meine auf einmal los und streicht meine Haare hinters Ohr. Okay. Was tut er?
Seine Augen wechseln den Blick von meinem Mund zu meinen Augen, die er dann ganz konzentriert fixiert während seine Hand dort wo sich Kiefer Ohr und Hals treffen liegt. Kann er jetzt bitte laut loslachen und 'got ya' schreien weil er mich verarschen wollte? Dann könnten wir darüber lachen und als beste Freunde nach Hause gehen. Klingt doch gut, oder?Sein Plan dürfte anders aussehen. Ganz langsam und noch immer mit den Augen zwischen meinen Lippen und meinen Augen wechselnd, kommt er immer näher und wenn ich ehrlich bin läuft mir dabei die Gänsehaut im Hundertstelsekunden-Takt rauf und runter während ich versuche meine Puls etwas zu senken. Einen schnellen hektischen Atem kann ich jetzt nicht gebrauchen. In meinem Bauch dreht sich alles wie bei einem Looping gefolgt von einer Schraube in einer Hochschaubahn, was mich fast dazu bringt als Schutzreaktion meine Hand darauf legen zu müssen. Dafür müsste ich mich aber bewegen können. Gestaltet sich schwierig wenn man wie mit einem Stock im Arsch dasteht und fast der ganze Körper eingefroren ist. Nicht weil es kalt ist, das ist Nebensache. Ich bin nervös, hibbelig, unruhig, aufgeregt, aufgedreht, verunsichert, eingeschüchtert,... Braucht ihr noch mehr Eigenschaftswörter um zu vestehen wie es mir geht?
Ihn scheint das alles jedoch unbeeindruckt zu lassen, warum sonst sollte er mit einem Lachen im Gesicht immer näher kommen?
Gott sei Dank ist sein Gesichtsausdruck ansteckend. Sonst würde ich aussehen wie ein Kind das eine Fratze beim Perchtenlauf gesehen hat. Verschreckt, erstaunt, unattraktiv.
Da kann ich echt froh sein, dass meine Mundwinkel sich dazu entschieden haben nach oben zeigen zu wollen.
Er kommt also näher, immer noch, und irgendwie habe ich den Drang etwas dummes sagen zu müssen. Es ist fast so als ob ich mich selbst davon abhalten müsste nichts zu ruinieren.
Tja und wie es kommen musste...
Seine Lippen berühren meine. Ja genau. Ich habe mich einmal zusammengerissen und einfach dem Leben seinen Lauf gelassen. Ich habe weder einen Laut von mir gegeben, noch habe ich angefangen auf hebräisch zu predigen oder den Enten-Tanz getanzt. Ich bin einfach wie jeder normale Mensch dagestanden und habe den Moment genossen. Und wie ich ihn genossen habe. Dieses Gefühl, vor dem ich mich immer drücken wollte, dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich. Nicht in Worte zu fassen. Nicht wie Geburtstag und Weihnachten zusammen, eher wie ein 'BÄÄÄÄÄÄÄÄHM'. Aber ein gutes Bähm. So ein 'mein Herz dreht sich vor Freude und backt gleich Plätzchen, besser als ich natürlich, weil der Geschmack der Liebe dominiert'. Gott war das schnulzig. Leider ist es aber so. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen was ich für einen Freudensprung hätte machen können, als seine Lippen meine berührt haben. Kurz davor habe ich gezweifelt, wollte nur mehr weg. Habt ihr wahrscheinlich sowieso mitbekommen. Aber jetzt. Jetzt bin ich froh, dass ich mich einmal in meinem Leben etwas getraut habe und nicht weggelaufen bin.
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Ein Leben in Paris? - Antoine Griezmann Fanfic
FanfictionAls die 18 jährige Mila sich dazu entschließt ihren reichen Eltern in Österreich 'au revoir' zu sagen um in Frankreichs Hauptstadt ein neues Leben zu beginnen ohne dem Druck dem sie zu Hause ausgesetzt war, hat sie sich alles wohl um einiges einfach...