Kapitel 20

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Ich wusste gar nicht, dass ich so amüsant bin. Ständig lachen immer alle wenn ich etwas mache. Bin ich so unfähig? Also mir selbst ist das bis jetzt noch nie so aufgefallen. Nagut, eigentlich schon, aber in letzter Zeit sind die Reaktionen auf mein Handeln immer so extrem.
"Mila? Maaaaann. Jetzt hör doch ein mal zu wenn ich rede.", werde ich von Antoine mit einem Lappen abgeschossen, mit dem er anscheinend sauber machen wollte. Da kann er lange wischen, die Bude steht fast unter Wasser.
"Was denn?", schrecke ich zurück.
"Ich habe dich etwas gefragt.", meint er nur schnell und kommt dann auf mich zu, um den Fetzen wieder an sich zu nehmen.
Hatte ich gerade einen Aussetzer oder war so sehr von mir selbst gelangweilt, dass ich nicht mitbekommen habe wie sich die Welt weiter gedreht hat? Ich könnte schwören, dass die Sesseln gerade noch felsenfest im Boden verankert waren und Isabelle war doch auch gerade noch hier! Oder etwa nicht?
"Mila?"
"Hmmm?"
"Was ist denn los?", werde ich verwundert gefragt und bemerke dann erst wie nahe Antoine vor mir steht.
"Nichts ist los. Wahrscheinlich nur schlecht geschlafen.", meine ich sarkastisch und schieße ihm seinen Lappen zum Hochwasser aufwischen zu.
"Schlecht geschlafen? Wann hattest du schon mal einen so gut aussehenden Polster?", verarscht er mich und stellt sich extra doof hin. Wie der Typ von der Prinzenrollen-Kekspackung. Wenn er jetzt noch gekleidet wäre wie dieser Strumpfhosenträger mit seinem fake Schwert mit dem er nicht mal eine Fliege abstechen könnte, dann würde man keinen Unterschied erkennen.
"Gut aussehend? Warst du über Nacht jemand anders? Shawn Mendes vielleicht? Oder Luke Hemmings? Also wenn du Luke Hemmings gewesen wärst, dann solltest du Gott danken, dass ich geschlafen habe und nichts von deiner nächtlichen Verwandlung mitbekommen habe. Dann hätte ich für nichts garantieren können, peinliche Stimmung inklusive.", sage ich nur vor mich hin schwärmend.
"Wer?"
"Lebst du am Mond?"
"Eigentlich ja in Madrid, momentan aber in Paris.", lächelt er mich frech an. Wow. Dieser Witz hat schon so einen langen Bart, dass ihn mein verstorbener Urgroßvater in einer anderen Galaxie, vielleicht sogar im Himmel wenn man an Gott glauben möchte, aufzwirbelt weil er sonst längenmäßig alle Rahmen sprengen würde. Genau so abgedroschen ist der schon.
Diese andere Galaxie, also die der Toten, stelle ich mir übrigens so weit vor wie von hier bis zur Sonne, aber wirklich bis zur Sonne und nicht bis zu dem Punkt ab dem man am Weg dorthin in Asche verwandelt wird. Keine Ahnung wie weit das ist, aber von meinem Standort aus kann ich sie immer sehen, dem zu Folge kann das ja nicht allzu weit sein. Ist für mich ein schönerer Gedanke als Himmel und Hölle, wer soll denn auch bestimmen wer wo hin kommt? Jeder Mensch hat doch eine andere Auffassung von Gut und Schlecht. Aber das ist ein anderes Thema. Keine Sorge, ich hör schon auf. Mein Philosophengerede bringt sogar mich zum gähnen.

"Ha. Ha. Ha. Du bist der gebornene Clown. Die sind meistens fast noch unlustiger als du.", lache ich ihn nur aus und beginne dann mich irgendwie nützlich zu machen. Wo genau ist eigentlich Isabelle? Nicht dass ich sie brauche, aber immerhin ist das hier doch ihr Café, sollte sie nicht diejenige sein, die sich am meisten in die Arbeit stürzt?
Als ich damals als kleines unschuldiges und zuckersüßes Kind meinen Kaufmannsladen bekommen habe, bei dem ich immer Käufer und Verkäufer gleichzeitig war, war ich immer die Person, die nach einem 'unabsichtlichen' Rempler meiner Mutter, an zufällig dem Regal an dem ich alles aufgebaut hatte, alles sofort wieder in Ordnung bringen wollte. Ich war ein Wunderkind müsst ihr wissen, ich konnte sogar ohne Freunde ein Spiel 'ab 2 Personen' spielen. Damals gab es ja noch nicht meine Steine. Die kamen erst ab dem Zeitpunkt als meine Mutter in einem Ratgeber für Rabeneltern gelesen hat, dass diese Rollenspiele die ich immer vorgetragen habe eventuell zu einer psychischen Störungen ausarten könnten. Ab diesem Zeitpunkt wurden mir nämlich alle Sachen weggenommen für die ich Mitspieler gebraucht hätte. Dass meine Eltern vielleicht diese fehlenden Leute sein könnten, ist niemandem in den Sinn gekommen, dann habe ich eben angefangen Steine von Spaziergängen im Kindergarten oder in der Volksschule mit ins Haus zu nehmen. Den Rest kennt ihr wohl alle schon. Es entstand eine wundervolle Freundschaft.
"Mila. Hallo? Ist in deinem Gehirn das Licht ausgegangen?", starrt mich Antoine nur millimeter von meinem Gesicht enfernt an.
"Was?", schüttle ich einmal kurz meinen Kopf. Mit Aufmerksamkeit habe ich es heute echt nicht. Was genau lenkt mich dauernd ab? Es liegt nicht an seiner Anwesenheit oder?
"Okay, du brauchst Koffein und Zucker. Ich hol uns etwas aus dem Lager. Mach währenddessen einfach nichts, so wie bisher auch. Wir wollen ja nicht, dass jemand verletzt wird. Als lebende Deko bist du mehr wert als als Arbeitskraft.", zwinkert er mir zu und verlässt den Raum.
Als ob ich jemanden verletzen würde. Höchstens mich selbst. Ja okay, ich war schon öfters kurz davor andere in ein klein wenig Gefahr zu bringen, aber mehr als ein Kratzer oder eine Beule war noch nie drinnen. Einmal vielleicht eine gebrochene Hand, aber ich konnte doch nicht wissen, dass das Mädchen über meinen ausgestreckten Fuß stolpert und dass ich ihr dann auch noch über ihre Finger gefahren bin war ein doofer Zufall. Wer legt seine Hand auch mitten auf einen Radweg wenn er zu Boden fällt? Im Nachhinein tut es mir ja wirklich leid, ich bin keine Sardistin die sich am Leid anderer erfreut. Ich habe sogar mal eine Beerdigung für einen Marienkäfer organisiert, mit Blumen, einem Sarg und allem was dazu gehört. Ihr seht also, ich schätze andere Lebewesen.
Sie, der Käfer, war eine meiner ersten Freunde. Ihr Name war Susi. Ein süßes Ding und sie hat mich auch nur ein mal angepisst. Liebe auf den ersten Blick, wenn ihr mich fragt.
"Hier, nimm das mal.", drückt mir Antoine zwei Teller in die Hand und holt dann noch Tassen mit köstlich duftenden Kaffee. Der Tag ist gerettet.
Nachdem die Intelligenzbestie keinen Tisch mehr übrig gelassen hat auf dem wir unser verspätetes Frühstück genießen könnten, hüpfe ich kurzer Hand mit meinem Allerwertesten auf die Theke und mache es mir dort gemütlich.
Vom 'den Raum mit meiner Anwesenheit schmücken' tun mir meine Beine derartig weh, dass sie auch gleich abfallen können und das dann weniger Schmerzen verursachen würde als ich momentan ertragen muss. Ich rege mich sehr selten über irgendetwas auf und war auch nie eines der Kinder, das beim in den Urlaub fahren quängelnd am Rücksitz gefragt hat wie lange wir noch fahren müssen. Aber wenn es um meine Beine geht, also da verstehe ich echt keinen Spaß.
"Nagut, wenn das so ist." Er zuckt einmal mit den Schultern und zieht sich mit einem Ruck neben mich.
"Neeeeein. Du nimmst mir meinen ganzen Freiraum weg. Siehst du das hier? Das ist die Grenze zwischen uns.", lege ich schnell zwei Geschirrtücher zwischen uns.
"Wer weiß, vielleicht stielst du sonst meinen Kuchen! Wehe du übertrittst die Grenze.", steigere ich mich in das ganze hinein. Er ist schon sehr beunruhigend nahe. Nicht, dass mich das stören würde... Doch eigentlich ja schon. Wollte ich mich nicht von ihm distanzieren? Was ist aus diesem Gedanken geworden? Ich sollte wirklich mal ein ernstes Wörtchen mit mir selbst reden. Ich bin schlimmer als jeder Politiker und halte mich an gar nichts was ich mir vornehme und allen stolz präsentiere.
Schande über mich.
"Ach, du glaubst, dass mich zwei Stofffetzen davon abhalten würden dein Essen zu stibitzen?", meint er nur herausfordernd. Er sollte aufhören so zu schauen. Das macht ihn nur süß und knuffig. Eine ganz schlechte Idee seinerseits.
"Okay, ich werde schnell meine Betonmischmaschiene von zu Hause holen und mal einfach so hier eine Wand zwischen uns aufbauen. Gib mir 2 Tage, stell schon mal ein Zelt auf oder besorg dir besser ein Ruderboot, noch eine Nacht mit so einem Regen und du musst hier davon schwimmen, weil, achja, 'beweg dich nicht vom Fleck.' Deine Worte, nicht wahr? Das hast du auchschon am ersten Tag im Park gesagt."
Ich nehme eine gegupfte Gabel in meinen Mund und hoffe endlich meinen Mund zu halten. Der Sarkasmus war zwar deutlich herauszuhören, aber im Moment scheint er sich eher zu amüsieren als meine Bitte oder Drohung ernst zu nehmen. An meiner Glaubwürdigkeit sollte ich noch etwas arbeiten.
"Du erinnerst dich also noch an die Parksituation und meine genaue Wortwahl?", fragt er frech.
"Wenn jemand,während du blutend am Boden liegst, zu dir sagt du sollst hier warten, ganz ehrlich. Wer merkt sich solche Dummheiten nicht?", versuche ich mich aus der Situation zu retten.
"Ich war doch nur hilfsbereit..."
"Jaja, bleib lieber auf deiner Seite, sonst muss ich wirklich eine Mauer aufstellen.", weise ich ihn in sein Territorium zurück.
"Und du glaubst wirklich, dass du mich mit einer Betonwand davon abhalten könntest was ich vorhabe?", lächelt er mich spitzbübisch an.
Wie um Himmels Willen will er über eine Betonwand mit einer Gabel an meinen Teller rankommen? Bastelt er sich dann eine Armverlängerung oder klettert darüber? Oder meint er gar nicht den Kuchen, weil oha, warum kommt sein Kopf immer näher? Gibt es hier nirgends eine Fallklappe am Boden oder einen Notausgang? Wenn bitte kurz jemand auf Pause drücken könnte, dass ich mich hier eventuell vom Acker machen könnte. Irgendetwas passiert hier gerade und obwohl ich nicht weiß wie ich mich dabei fühle, gibt mir mein Magen das Gefühl die Pizza vom Vortag wieder hoch transportieren zu wollen.

Ein Leben in Paris? - Antoine Griezmann FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt