Kapitel 10

3.6K 123 45
                                    

"Maud? Ich bin's, Mila. Bitte hilf mir.", schluchze ich aufgeregt ins Telefon.
"Oh nein, was ist passiert?", ertönt es mitfühlend von der anderen Seite des Hörers meines Mittelalter-Kabel-Telefon, dass ich mir extra für meine neue Wohnung gekauft habe. Ich habe leider Gottes eine kleine Schwäche für altes Zeug...
"Er war hier und ich hätte einfach auf dich hören sollen." Ich kann mich gar nicht einkriegen und klinge verzweifelter als ein kleines Kind, dass seine Lieblingsbarbie nicht mehr finden kann.
"Was hast du gesagt, oder besser noch, was hat er gesagt?", versucht sie zuerst die Lage zu analysieren.
"Ich habe ihm indirekt meine Gefühle gestanden und am Schluss hat er sie erwidert, aber auch nur weil ich hysterisch und unerträglich war. Er hat es einfach so gesagt, aber ich weiß doch, dass es nicht stimmt."
"Ach Gottchen... Weißt du was? Morgen lenken wir dich ab! Ich hab da auch schon eine Idee. Mein bester Freund, er heißt Max, glaub mir, er wird dir gefallen. Wir gehen einfach einen kleinen Shoppingtrip machen, gut? Du glaubst gar nicht wie oft er mein Herz schon wieder repariert hat nach einer Woche weinend Schoko-essend im Bett und 'All by myself'. Jedes Mal fast ohne Kratzer wieder ins Leben der sich-verlieben-Wollenden zurückgekehrt. Ich hol dich gegen 9 ab, ok? Dann haben wir den ganzen Tag Zeit ihn aus deinem Kopf zu bringen!"
Ich nicke nur bis mir auffällt, dass sie mich gar nicht sehen kann. Soetwas doofes kann auch nur mir passieren.
"Mhmmm. Danke.", flüstere ich heiser.
"Dann bis morgen, versuch zu schlafen."
"Gute Nacht.", verabschiede ich mich dankend und raffe mich auf.
Müde schleife ich mich von Cindy gefolgt in mein Schlafzimmer und vergrabe mich mit immer noch bedrückter Stimmung in meiner Decke.
Na hoffentlich wird der morgige Tag schöner, schlimmer geht immer wird wohl eher das Moto sein. Aber ich will ja optimistisch bleiben.

Ich werde von stinkendem Sabber auf meinem Arm geweckt und sofort von einer wieder topfiten Hündin angestarrt.
Nach einem kurzen Blick auf mein Handy, hüpfe ich aus den Federn und beginne mich fertig zu machen. Neuer Tag, neues Glück heißt es doch, oder?
Als ich gerade dabei bin meine Zähne zu putzen, klingelt es bereits an meiner Türe, die ich mit dem Mund voll mit meiner Lillyfee Zahnpasta öffne.
"Mila! Wir sind daaaa!", wird mir lautstark zugerufen. Ich entferne den rosaroten Dreck aus meinem Gesicht, schnappe meine Tasche und trete den beiden gegenüber.
"Guten Morgen.", begrüße ich sie mit einer Umarmung.
"Mila, das ist Max, Max, das ist die berühmt berüchtigte Mila.", werden wir einander vorgestellt. Er lächelt mich herzhaft an während ich ihn kurz mustere. Er ist richtig knuffig, wie ein Teddybär, den man am Liebsten überall hin mitnehmen möchte weil alleine seine Aura zum strahlen verleited. Ein Kuscheltier eben, nur ohne dicken Bauch und Wurst-Armen. Er hat einfach diese niedlichen Züge...
"Gut, dann wollen wir mal los, oder? Ich habe gehört, dass wir dir heute mal eine kleine Ablenkung bieten müssen, genau mein Ding.", fängt er ohne Pause an zu quasseln.
"Max.", unterbicht ihn Maud mit einem Rempler so auf 'habe ich dir nicht gesagt du sollst nicht darüber reden?'
Ich schließe meine Türe hinter mir ab und laufe dann den beiden nach, die wie Kleinkinder herumtobend nach unten gelangen.
"Weißt du eigentlich was für ein Glück du hast? Das vorne, dort sind die absolut allergeilsten Läden überhaupt! Ernsthaft, ich würde bei dir einziehen um jeden Tag hier herkommen zu können.", wird beim betreten der Plflastersteinstraße vor meinem Haus nebenbei bemerkt, was mich zum lächeln bringt. Jetzt weiß ich auch warum sich die beiden so gut verstehen, beide neigen dazu etwas anders zu sein wie der Rest. Ein bisschen verrückt vielleicht, was aber alles andere als negativ gemeint ist.
Wir spazieren die wieder gesäuberte Straße entlang in der sich heute mal ausnahmsweise nicht allzu viele Alkoholleichen ein Schlafplätzchen gegönnt haben und biegen dann in die große Hauptstraße ein, in der ein paar Kastenwägen gerade Lieferungen an die verschiedenstens Geschäfte ausladen.
"Okay, erst mal sollten wir etwas essen. Vorschläge?", dreht sich Maud fröhlich singend zu uns um und beschließt lieber rückwärts zu gehen um alles besser besprechen zu können.
Seitdem ich einmal mit voller Wucht rückwärts gegen die Kante eines Briefkastens gelaufen bin, der davor anscheinend noch extra an den Ecken nachgeschärft oder gleich ein Messer daran befestigt wurde, habe ich da so meine Probleme damit und halte eher Ausschau nach Hindernissen vor denen ich alle hysterisch schreiend warnen könnte.
"Ist das auch in Ordnung für dich Mila?", werde ich schnell aus dem Zusammenhang gerissen gefragt. Ich hätte ihr wohl doch besser zuhören sollen, meine Postkästchenangst hat mal wieder die Oberhand über mich übernommen.
"Sorry, könntest du bitte nochmal...?"
"Maud besorgt ein paar Brötchen da drüben und was es sonst noch alles gibt und wir beide suchen inzwischen ein süßes Bänkchen, dass wir dann mit unseren Krallen verteidigen müssen, die Touristen werden bald kommen.", Max zeigt seine perfekt maniküren Nägel, gepflegt ist der moderne Mann von heute also, und klingt dabei als ob eine Horde hungriger und sitzbedürftiger junger Löwen uns alle Plätze wegschnappen würden. Wenn er meint...
Ich nicke nur und werde prompt von ihm am Handgelenk gepackt und meterweit hinterhergezogen.
"Was ist mit der Bank?", deute ich unbeholfen auf ein Holzbrett mit improvisierten Lehnen.
"M-m.", schüttelt er nur verneinend den Kopf.
"Dort, DAS ist unsere Bank.", meint er dann laut aufschreiend und macht sich im Hopserlauf auf dem Weg zu ihr. Niedlich wie ihn soetwas glücklich macht.
Aus seiner Männerhandtasche, man könnte es auch Umhänge-Aktenkoffer nennen, packt er als ich mich gerade setzen möchte, 3 kleine Luftmatratzen aus, die etwa so groß sind wie eine Sitzfläche.
"Selbstaufblasend, wir wollen ja nicht Haut an Metall sitzen, wer weiß was die vor uns damit gemacht haben.", meint er nur alle 3'Kissen' schön platzierend bevor er an jedem ein kleines Ventil öffnet.
"Bequem, nicht?", fragt er mich völlig begeistert davon was er sich ausgedacht hat "meine neueste Erfindung. Hoffentlich gefällt sie meinem Chef. Sonst ist mein Job so schnell weg wie Mauds letzter Freund.", scherzt er locker flockig herum.
"Ja, also ich würde schon das ganze Internet nach ihnen absuchen, für meine Oma brauch ich sowieso noch ein Weihnachtsgeschenk und sie liebt solche kleinen Gadgets die ihren Tag aufheitern.", gebe ich nur mit einem Lächeln als Antwort. Ich will gar nicht wissen wie bescheuert das hier aussieht, aber ich will ihm ja auch nicht seine Illusion zerstören.
"Okay und jetzt erzähl mir von diesem Typen." Er dreht sie zu mir und ich versuche mich halbwegs natürlich so hinsetzen zu können, dass ich ihn auch ansehen kann und entscheide mich für die Schneidesitz-Pose, die zwar mit der Luft unter meinem Allerwertesten etwas schwierig ist, aber so sitze ich immer da, wenn etwas passiert ist. Quasi meine Problem-Haltung.
"Er heißt Antoine.", fange ich mit etwas zittriger Stimme an und räuspere mich erstmal.
"Ich war an meinem ersten Tag auf einem echt schönen, etwas stressigem Spaziergang, du weißt ja, überall Menschen und bis man erstmal zu einem Park kommt..." Ich lasse kein Detail aus. Gar keines. Erzähle dem eigentlich mir Unbekannten alles was ich gefühlt habe, was ich mir gedacht habe und so viel mehr.
Kurze Zeit denke ich sogar, dass er hier ist, dass ich ihn sehen kann und er zu mir sieht und mich anlächelt. Aber es ist nicht er. Ich sehe ihn in anderen Menschen. So krank bin ich schon.
"Ach Liebes, das ist ja herzerwärmend. Glaubst du nicht, dass er es ernst
gemeint hat gestern?", meint er mir Mut zusprechen zu wollen.
"Nein, sicher nicht. Wäre ich nicht so peinlich gewesen, hätte er nichts gesagt. Gar nichts. Das war nur aus Mitleid. Ich tat ihm einfach nur leid, ich bin erbärmlich.", beginne ich wieder leicht schluchzend.
"Der erste Liebeskummer ist immer am schmerzhaftesten, glaub mir, es wird alles besser! Weißt du was? Ich nehme dich morgen auf Mauds Geburtstagsfeier mit, als Begleitung. Sie ist sowieso ganz vernarrt in dich, wahrscheinlich wird sie dich eh noch einladen, aber wir beide", deutet er ein paar mal mit seinen mit Tattoos geschmücktem Finger zwischen uns hin und her "wir beide rocken das morgen, gut? Sie hat einen Bruder, er wird dir gefallen. Ein richtiges Sahneschnittchen. Sagt man das heute bei euch jungen Mädels eh noch so?", schwärmt er mir Herzchen in den Augen machen zu wollen in höchsten Tönen. "Ich weiß zwar nicht mehr wie er heißt, aber das können wir ja morgen auch herausfinden. Ich regle das schon." Seinem Gesichtsausdruck nach würde er sich jetzt am liebsten verbeugen und einen Orden angesteckt bekommen für diese, seiner Meinung nach, grandiosen Idee. Ob Maud das wohl zulässt?
"Danke dir Max.", umarme ich ihn mit gespielt glücklicher Miene. Ich bin eher unsicher als happy, aber soll sich er ruhig glücklich fühlen.
Gerade als ich ihn in meine Arme schließe, merke ich, wie nur ein paar Meter vor mir Antoine wie ein Kartoffelsack dasteht und mich mit gesenken Schultern und starrem Blick ansieht. War das vorhin also doch er und keine Fata Morgana? Ich kann ihm nichtmal in die Augen sehen, so sehr schäme ich mich für meinen Ausraster im Treppenhaus und schließe meine Augenlider für maximal eine Sekunde und als ich sie wieder öffne, sehe ich ihn eine Tüte fallen lassen und darauftretend weggehen. Was war da wohl drinnen?

Ein Leben in Paris? - Antoine Griezmann FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt