10. Gespräch › Homosexualität
„Dein Freund sieht wirklich sehr sympathisch aus."
„Das ist er, Kleiner."
„Ich bin neunzehn. Was für Kleiner?"
„Für einen 28-jährigen bist du klein, Kleiner."
„Du bist aber mal höflich."
„Immer wieder gern, Kleiner."
„Ich heiße übrigens Paul, und hättest du vielleicht kurz Zeit?"
„Ich bin James und bis mein Freund sein Geschäft erledigt hat, habe ich Zeit, ja."
„Das wird nicht so lange dauern. Also, James. Wie lange weißt du schon, dass du auf dasselbe Geschlecht stehst?"
„Ich hatte schon immer Vermutungen, dass ich auf dasselbe Geschlecht stehe, aber habe das immer weggeschoben, und mir eingeredet, dass das nicht stimmt. Und mit zweiundzwanzig war ich mir dann sicher, dass ich auf Männer stand und fing an, es zu akzeptieren."
„Wieso das?"
„Ich hatte Angst."
"Vor der Reaktionen der Menschen?"
"Einfach alles. Ich hatte Angst, dass meine besten Freunde Kontakt abrechnen, dass meine Familie mich nicht akzeptiert, und vor allem, dass Gott mich hasst."
„Und? Wie haben alle reagiert?"
„Naja, nicht so gut. Mein bester Freund brach Freundschaft mit mir ab, weil er dachte, dass ich irgendetwas von ihm will, was mich zwar sehr verletzte, aber ich vermisse ihn trotzdem, er war immerhin wie ein Bruder für mich. Meine beste Freundin fand es nicht so toll, aber sie hatte mich akzeptiert, und meine Familie. Oh, Gott.."
„Hey, du musst nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich will halt nur mit dir sprechen, aufgrund meines Projektes in der Schule."
„Meine jüngere Schwester hatte mich akzeptiert, meinte, es wäre nichts schlimmes, und ich wäre immer noch derselbe Mensch. Und meine Eltern schmissen mich aus dem Haus."
„Oh, Gott. Das tut mir leid."
„Es ist okay. Sie hatten mich sowieso nie geliebt, und meinte immer, dass ich unnötig wäre. Meine Schwester war ihnen immer schon wichtiger. Die letzten Worte meines Vaters waren, dass es ein Fehler war, dass ich auf die Welt kam, und er wünschte, dass ich sterben würde.."
„Das tut mir alles so leid."
„Es ist okay."
„Und wie war es in der Schule?"
„Naja, ich habe wie gesagt mit zweiundzwanzig, wo ich nicht mehr in die Schule ging, akzeptiert, dass ich schwul bin. Also bin ich glücklich, dass ich nicht jeden Tag Homophoben in das Gesicht sehen musste."
„War deine Schule denn gegen Homosexualität?"
„Oh, ja. Und wie sie war."
„Das tut mir leid zu hören."
„Sollte es nicht. Jetzt bin ich glücklich. Als ich mich meiner Familie outete, lebte ich sowieso schon bei meinem Freund und das tue ich immer noch. Ich bin so glücklich mit ihm, Paul. Er bedeutet mir alles."
„Es freut mich, dass es dir jetzt besser geht, James. Und es freut mich, dass er dich glücklich macht. Du bist echt eine nette Person, und verdienst Glück so sehr."
„Ich danke dir, Paul."
„Keine Ursache. Wie findest du es eigentlich, dass Homosexuelle in den USA heiraten können?"
„Ich finde es so toll, wirklich. Als mein Freund und ich dies erfuhren, waren wir sowas von die glücklichsten Menschen auf dieser Welt."
„Das ist so toll zu hören, James."
„Das ist es wirklich."
„Aber eine Frage würde mich noch sehr interessieren."
„Schieß los."
„Bist du ein religiöser Mensch?"
„Ich war es. Ich wurde so aufgewachsen. Meine Eltern waren immer sehr religiöse Menschen, und wir gingen jeden Sonntag in die Kirche. Sie merkten schnell, dass das mich alles nicht interessierte, trotzdem zwangen sie mich immer, dies zu tun, was sie auch taten. Naja, dass ging eben so weiter, bis ich endlich neunzehn war, und mit meinem Freund auszog. Damals waren wir nur Freunde, doch wir merkten schnell, dass zwischen uns mehr als nur Freundschaft ist. Nun ja, als ich mir dann sicher war, dass ich homosexuell bin, wusste ich, dass Gott mich hasst und enttäuscht von mir ist."
„Gott hasst niemanden. Schließlich würde es keinen Sinn haben, Etwas zu hassen, was man selbst erschaffen hat."
„Es ist trotzdem nicht leicht für mich, so zu denken."
„Natürlich nicht, dennoch solltest du versuchen, nicht mehr so zu denken."
„Ich werde es versuchen. Danke, Paul!"
„Nichts zu danken, aber ich glaube ich sollte langsam wieder weg, es war ein tolles Gespräch mit dir, James. Ich wünsche dir und deinem Freund noch viel Glück in eurem weiteren Leben. Und egal, wer auch immer etwas zu euch sagt, dass euch verletzten könnte, ignoriert es und genießt euer Leben. Das Leben ist zu kurz um traurig zu sein."
"Dankeschön, das wünsche ich dir auch noch und keine Sorge, das werde ich, Kleiner!"
„Kein Ding. Mach's gut!"
DU LIEST GERADE
Humans
Ficción GeneralPaul John ist ein 19-jähriger Student, welcher für seine Universität ein halbes Jahr eine Reise angeht und mit 40 verschiedenen Menschen ein Gespräch führt. © wakeuphumanity, 2016