21. Gespräch › Krieg
„Finden sie es traurig, dass so viel Krieg in ihrem Land stattfindet?"
„Natürlich."
„Krieg ist schrecklich."
„Und wie. Menschen umbringen, Länder zerstören. Alles furchtbare Dinge."
„Leider. Ich bin übrigens Paul."
„Yawad."
„Hatten sie oft gesehen, wie Menschen vor Ihnen wegen dem Krieg starben?"
„Zu oft.."
„Wollen Sie mir vielleicht sagen, wie Sie sich fühlten und wer es waren?"
„Meine Familie starb wegen dem Krieg. Mein Sohn und meine Tochter spielten draußen. Mein Sohn war sechs und meine Tochter war acht Jahre alt. Wie aus dem nichts wurden zwei Bomben auf sie geworfen, und sie starben. Meine Frau schrie und weinte, während ich nicht fassen konnte was passiert war. Sie rannte nach draußen, und wurde selbst eines der Opfer."
„Oh Gott..."
„Mein bester Freund rannte damals zu mir. Er weinte. Seine Frau war tot. Er zog mich aus dem Haus und wir mussten sofort von dort verschwinden. Wir zogen in andere Städte, nur um zu überleben. Zwei junge und gebrochene Männer, die auf der Flucht vom Krieg waren. Irgendwann kamen wir in einer Stadt an. Einige Jahre vergingen dort, bis mein bester Freund auch starb. Er war seit seinem sechsten Lebensjahr Krebskrank. Also war ich alleine. Als ich jeden verloren hatte, zog ich nach Quetta. Doch bevor ich hierher kam, war ich in meiner Stadt. Alles war zerstört. Tausende Menschen starben an diesem Krieg, meine Familie, meine Stadt. Ich vermisse sie jeden Tag. Was würde ich nicht tun, um das wunderschöne Lächeln von meiner Frau und meinen Kindern zu sehen? Nur ein einziges Mal."
„Das ist so schrecklich anzuhören, was sie alles erlebt haben."
„Es ist entsetzlich, ich weiß. Aber ich bin achtundsiebzig Jahre alt, und mir geht es besser. Ich vermisse sie zwar alle noch, aber der Schmerz hat sich verringert."
„Hatten sie je wieder jemanden gefunden, dem sie Ihr Herz öffneten?"
„Nein. Ich hatte mich in diese eine Person verliebt, und mit ihr zwei Kinder bekommen. Ich versprach mir, dass ich mich nie mehr in eine Person verlieben würde. Sie war meine große Liebe, und ich habe sie verloren. Der Krieg nahm mir meine Liebe, meine Seele, mein Licht. Er nahm mir mein Leben."
„Das haben Sie wirklich schön gesagt!"
„Ich wünschte Sie wären jetzt hier, aber das sind sie nicht, und werden es auch nie."
„Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, aber leider kann ich das nicht.."
„Ich hatte seit sie starben, nie mehr etwas über sie gesagt. Danke, dass du mich an diese wundervollen Erinnerungen erinnert hast. Ich hatte fast vergessen, wie wunderschön das Lächeln meiner Frau war, wie wunderschön mein Sohn und meine Tochter doch waren. Ich danke dir, Paul."
„Ich danke Ihnen, dass sie mir Euer Herz geöffnet haben!"
„Ich gehe jetzt die Vögel füttern. Es tat gut mit jemanden nach so vielen Jahren zu sprechen!"
„Geht mir ebenso. Ich wünschte wir würden länger sprechen, aber ich muss in einer Stunde am Flughafen sein. Mach's gut, Yawad!"
„Du auch, Kleiner. Pass immer auf dich auf, und wenn du eines Tages deine große Liebe findest, lass sie nicht los."
„Werde ich nicht, versprochen!"
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Humans
General FictionPaul John ist ein 19-jähriger Student, welcher für seine Universität ein halbes Jahr eine Reise angeht und mit 40 verschiedenen Menschen ein Gespräch führt. © wakeuphumanity, 2016