24. Gespräch › Magersucht
„Hey, Kleines. Hättest du vielleicht die Kraft, um mit mir ein kleines Gespräch zu führen?"
„Ja, klar."
„Ich bin Paul."
„Hey, Paul. Ich heiße Elizabeth, aber nenn mich bitte einfach Liz."
„Okay, Liz. Deine Ärzte haben mir gesagt, dass du an Magersucht leidest. Hättest du vielleicht Lust, mit mir darüber zu sprechen?"
„Klar."
„Wie lange leidest du denn schon unter Magersucht?"
„Seit ich zehn Jahre alt bin."
„Und wie alt bist du jetzt?"
„Dreizehn."
„Drei Jahre sind eine verdammt lange Zeit"
„Das sind sie.."
„Und wieso bist du magersüchtig geworden?"
„Ich hatte Angst übergewichtig zu sein."
„Ist es schwer für dich?"
„Sehr schwer. Ich muss ständig irgendwelche Medikamente nehmen, bin fast immer müde und ich kann nie viel essen, weil ich mich sonst übergebe."
„Das ist echt schrecklich, Liz. Gehst du denn zur Schule?"
„Ja, ich bin zwar sehr oft im Krankenhaus, aber ich gehe trotzdem zur Schule. Schule ist wichtig."
„Schule ist sehr wichtig, und ich finde es toll, dass du so denkst. Möchtest du vielleicht etwas darüber erzählen, ob Menschen dich je verletzt haben, wegen deiner Krankheit?"
„Das haben sie leider sehr oft. Oft schauen sie mich an, als wäre ich irgendein Zombie, aber da haben sie ja auch nicht unrecht.."
„Sag so etwas nicht. Du bist wunderschön, Liz. Deine Krankheit macht dich nicht hässlich, sie macht dich zu dem was du bist. Sie macht dich besonders. Gott hat dir dieses Leben gegeben, weil er wusste, dass du ein starker Mensch bist und du alles tun würdest, damit dieses Leben perfekt ist!"
„Vielen Dank, Paul. Deine Worte haben mein Selbstbewusstsein wirklich gestärkt, und ich wusste nicht einmal, dass ich selbstbewusst bin."
„Das freut mich!"
„Weißt du was mich am meisten verletzt?"
„Was denn?"
„Dass Menschen nicht begreifen, wenn sie zu einer untergewichtigen Person sagen, dass sie mehr essen soll, es genauso weh tut, wie wenn sie zu einer übergewichtigen Person sagen, dass sie abnehmen soll!"
„Das ist leider so wahr. Menschen können manchmal echt sehr verletzen.."
„Leider.."
„Nun ja, wie auch immer. Deine Ärztin sagte, dass ich nicht lange reden könne. Ich sollte langsam gehen."
„Ich verstehe es. War trotzdem toll, mit dir zu reden."
„Mit dir auch."
„Paul?"
„Ja?"
„Haben dich Menschen denn oft verletzt?"
„Zu oft, Kleines. Zu oft."

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Humans
General FictionPaul John ist ein 19-jähriger Student, welcher für seine Universität ein halbes Jahr eine Reise angeht und mit 40 verschiedenen Menschen ein Gespräch führt. © wakeuphumanity, 2016