15. Gespräch › Depressionen
„Hey, kann ich mich neben dich hinsetzen?"
„Ist mir egal."
„Weißt du, ich saß gerade dort drüben, und habe gesehen, wie du angefangen hast zu weinen. Ist alles in Ordnung?"
„Ja."
„Ich weiß, dass du lügst."
„Was willst du?"
„Mit dir reden."
„Ich kenne dich aber nicht."
„Dann lass mich dir vorstellen. Ich bin Paul, und würde gerne wissen, wer du bist und wieso du weinst. Du kannst mir vertrauen, auch wenn du mich nicht kennst, und das vielleicht gerade sehr seltsam ist."
„Ich bin Alex, und ich habe geweint, weil es das einzige ist, was mir gerade hilft."
„Was ist passiert?"
„Vieles ist passiert."
„Erzähle es mir, ich höre dir zu, und ich verspreche es, dass ich dir nicht in das Wort falle."
„Ich habe zur Zeit so einige Probleme in meinem Leben. Alles fing an, als ich mich veränderte und eiskalt wurde. Wieso ich so wurde war, dass ich meinen Vater verloren hatte, und den Sinn des Lebens verloren hatte. Das gefiel niemanden, also beendeten die Meisten Freundschaft mit mir, was dazu führte, dass ich psychisch am Arsch war. Ich hörte auf zu essen und schlief weniger. Jeden Tag weine ich mich in den Schlaf. Meine Mutter interessiert sich nicht für mich, da sie immer meine Schwester lieber hatte, und ich war vollkommen alleine. Und seit zwei Wochen lebe ich bei meiner Oma, weil ich ihr helfen will, wegen meinem Vater und, weil ich bei der Frau, die meine Mutter sein soll, nicht mehr aushalte. Ich liebe meine Oma. Meine Noten sind schrecklich, plus stehe ich auf den typischen beliebten Jungen, und rate mal, wer seine Freundin ist. Genau, die Schulschlampe."
„Das hört sich alles so unglaublich schrecklich an, und es tut mir so leid. Aber Alex, glaub mir. Es wird vergehen. Dir wird es wieder besser gehen, und was diesen Jungen angeht, er verdient dich nicht. Ich weiß, wir kennen uns nicht, ja, aber du sollst wissen, dass es vorbei sein wird."
„Und wann, Paul? Wann werde ich wieder glücklich? Wann kann ich wieder lachen? Wann?"
„Alles hat seine Zeit."
„Du verstehst es nicht, niemand versteht es."
„Doch, tue ich. Und wie ich es tue. Als ich dreizehn Jahre alt war, hatte ich auch depressive Zeiten. Ich war kein allzu dünner Junge und niemand mochte mich wirklich, weswegen ich immer alleine war. Aber ich fühlte mich alleine wohler. Ich sprach oft mit Psychologen und hatte Selbstmordgedanken. Aber jetzt weiß ich, dass alles einmal ein Ende hat. Du bist noch jung, und du sollst nicht so denken, lebe dein Leben, genieß es. Scheiß auf die Menschen, die es versuchen zu ruinieren. Es lohnt sich zu leben."
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es tut mir so leid, Paul. Ich wusste nicht, dass es dir auch mal so ging."
„Es ist gut, Alex. Ich muss hier dann aber mal aussteigen, war nett dich kennengelernt zu haben."
„Ich muss hier auch aussteigen."
„Du, sag mal. Hast du etwas wichtiges vor, wenn nicht, können wir auf ein Café gehen und über irgendetwas reden."
„Klar, können wir das. Lass uns dann am besten auch noch über Orange Is The New Black reden."
„Also ich bevorzuge eher The Walking Dead."
„Das kannst du vergessen, Paul. Wer zuerst am
Kaffeehaus ankommt, darf bestimmen, über welche Serie wir reden werden."„Wir wissen beide, dass ich schneller bin als du."
„Vergiss es, Paul. Niemand besiegt die Königin."
„Hey, das ist unfair. Du hast noch nicht Start gesagt."

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Humans
General FictionPaul John ist ein 19-jähriger Student, welcher für seine Universität ein halbes Jahr eine Reise angeht und mit 40 verschiedenen Menschen ein Gespräch führt. © wakeuphumanity, 2016