Während ich beim Popcorn anstehen musste, war total viel Zeit vergangen. Weil ich es hasste wie die Pest, den Anfang eines Filmes zu verpassen, war ich gerade dabei die Treppe runter zu rennen, und versuchte dabei nichts von meinem Popcorn zu verschütten. Bisher klappte das erstaunlich gut. Als ich endlich im zweiten Untergeschoss angekommen war, registrierte ich zwar einen Jungen der in meinem Blickfeld stand, hatte aber keine Zeit ihn genauer unter die Lupe zu nehmen, ich hatte es schließlich eilig.
Doch genau in dem Augenblick, als ich zu ihm schaute, um ihn zu betrachten,- peng.
Gestolpert.
Liv auf dem Boden.
"Verdammte Scheiße!", fluchte ich vor mich hin. Mist, und genau neben mir stand der Typ. So was passierte aber auch nur mir oder?
Peinlich berührt rappelte ich mich auf und zog meinen Popcorn-Becher zu mir her. Von dem, nebenbei gesagt nicht mehr viel übrig war, er war höchstens noch zur Hälfte gefüllt. Der Junge sah mich die ganze Zeit nur an, machte keine einzige Geste, kein einziges Wort verließ seinen Mund. Ich fand erst jetzt die Zeit ihn richtig anzuschauen. Abgesehen davon, dass er mindestens einen Kopf größer als ich war, hatte er ganz dunkle Augen, in denen man sich richtig verlieren konnte; und braune Haare, die leicht wuschelig von seinem Kopf abstanden. Dazu trug er einen blauen Abercrombie-Pulli, Jeans und hellbraune Timberlands.
Nun ja, Modegeschmack hatte er wohl. Nur anscheinend leider keine Stimme.
Also der wär ja echt was für mich, genau auf die Sorte Jungs stand ich vom Aussehen her und...- Stop!, warnte ich mein Unterbewusstsein, denn ich wollte eigentlich gar nicht von seinem Aussehen schwärmen. Obwohl es das wirklich wert war.
Mist, meine Gedanken kamen denen eines schwärmenden Groupies schon ziemlich nahe. Ich sollte mich dringend zusammenreißen und aufstehen, anstatt den namenlosen Jungen vom Boden aus anzuglotzen. Es war schließlich nur ein Junge, wenn auch ein ziemlich gutaussehender. Pech für ihn, ich wollte ihn nämlich gar nicht. Ich wollte nur aufstehen, und meinen Arsch zum Kino bewegen. Genau. Ich stand auf, und stand dabei blöderweise viel zu nah an ihm.
Als ich gerade überlegte, ich ich noch etwas sagen sollte, und wenn ja, was ich sagen konnte, ohne mich noch mehr zu blamieren, bewegte er sich. Er kam einen Schritt auf mich zu und, Oh mein Gott, er kam noch näher.
Was war da los? Was sollte das? Auch sein Gesicht bewegte sich in meine Richtung. Er wollte doch nicht etwa...? Ich wurde immer unruhiger, umso näher er kam und es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung nicht zurückzuweichen, also blieb ich einfach still stehen.
Er war schon ganz nah bei mir und als ich einatmete, atmete ich seinen Geruch mit ein. Es haute mich fast um, ich war mit sicher, noch nie einen Jungen getroffen zu haben, der so gut roch. Irgendein herbes Parfüm mischte sich mit einem Hauch Zimt und noch etwas, das ich nicht identifizieren konnte. Ich glaube wenn er mich jetzt küssen würde, hätte ich nichts dagegen. Er hob langsam seine Hand und…
...zupfte mir zwei oder drei Popcorn aus den Haaren. Tja, daraus wird wohl nichts, das Schicksal hatte wohl mal wieder Lust, mich zu bloßzustellen und zu enttäuschen.
Diese Bewegung ließ mich aus meiner Starre aufschrecken und ich fuhr plötzlich zusammen. Er grinste. Sein Lächeln war teuflisch und atemberaubend schön. "Du hattest da was." Seine angeblich nicht vorhandene Stimme war tief und klang echt sexy.
Oh, toll gemacht Liv, sagte meine innere Stimme ironisch. Sowas passierte immer mir! Bitte lieber Gott, lass mich im Erdboden versinken oder einfach nur verschwinden, das wär echt toll. Während ich darauf wartete, dass meine Bitte erfüllt wurde, zog er abwartend eine Augenbraue nach oben. Oh, ich glaube, er wartete auf meine Antwort. Bestimmt dachte er ich wäre dämlich, geistesgestört oder etwas in der Richtung. Da hatte ich einen rettenden Einfall. Schieb einfach alles auf ihn!
„Tja, wenn du auch so blöd im Weg rumstehen musst, kann ich dir auch nicht helfen. Wenn du mir jetzt bitte aus dem Weg gehen würdest, ich habe Besseres zu tun als mir von fremden, gutaussehenden und eingebildeten Typen Popcorn aus den Haaren zupfen zu lassen.“, warf ich ihm entgegen, kramte den letzten Rest meiner Würde hervor und nahm meinen halbvollen Popcornbecher in die Hand. Als ich jedoch an ihm vorbeigehen wollte, stellte er sich vor mich.
"Du hast mich gutaussehend genannt. Schön, dass du das bemerkt hast.", sagte er von oben herab mit einer Stimme die vor Selbstsicherheit und Egoismus nur so strahlte.
Scheiße! Das verschlug mir jetzt die Sprache, aber natürlich nur kurz, dann hatte ich schon die passende Antwort bereit.
"Und danach kam eingebildet, du Idiot!"
Damit ging ich an ihm vorbei und ließ ihn stehen. So ein eingebildeter, arroganter Kerl! Was bildet der sich denn ein? Dass nur, weil er gut aussieht, ihm alle zu Füßen liegen? Also ich ganz sicher nicht!
Hoffentlich würde ich diesen Typen nie wieder sehen. Die Wahrscheinlichkeit war nicht hoch, wir kamen aus einer anderen Stadt als das Kino war, und er bestimmt auch. Na also, Problem gelöst, lobte ich mich Stolz und atmete tief durch, während ich ihn mit großen Schritten hinter mir ließ. Die Vorstellung, dass er mir hinterher sah, fand ich hingegen wirklich großartig.
Wieder im Kino angekommen, setzte ich mich schnell zu meiner Mum. Ich hatte natürlich den Anfang verpasst, die Lichter waren aus, und auf der Leinwand sah ich die Protagonisten reden. War ja klar, und alles nur wegen diesem blöden Unbekannten! Es war wirklich zum Kotzen! "Wo warst du denn so lange? Du hast den Anfang verpasst.", fragte meine Mum flüsternd.
"Unnötige Komplikationen." murmelte ich nur, griff tief in Popcorntüte und stopfte mir eine Hand voll Popcorn in den Mund. Das hatte ich mir wirklich verdient.
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Closer to you
Teen FictionEigentlich führt Olivia Winter ein ganz normales Leben. Neben guten Noten in der Schule hat sie zwei beste Freundinnen und ihre Familie und lebt so glücklich ihren gewohnten Alltag. Das ändert sich, als auf einmal ein neuer Schüler in ihre Jahrgangs...