Die Zeit verging im Schneckentempo. Kennt ihr das? Wenn man auf das Ende einer Schulstunde wartet, kommt sie einem doppelt so lange vor, und es dauert eine halbe Ewigkeit, bis es endlich klingelt. Genauso fühlte ich mich gerade, mit dem Unterschied, dass ich nicht in der Schule, sondern zu Hause auf dem Sofa saß. Ich flehte die Zeiger an, sich gefälligst schneller zu bewegen, aber ich hatte das Gefühl, sie hatten sich gegen mich verschworen und liefen beabsichtigt noch langsamer. Ich konnte nichts dagegen machen, und wurde immer ungeduldiger. Ich war seit einer halben Stunde fertig, und wartete seitdem auf Ethan. Wir hatten halb 4 ausgemacht, und er war längst nicht zu spät, nur ich eben zu früh fertig mit Hausaufgaben und umziehen. Ich dachte, wenn ich mir die Zeit mit fernsehen vertrieb, würde sie schneller vergehen, aber das war nicht der Fall. Und zum reden war auch niemand zu Hause, da meine Eltern mit Nick zu meiner Großmutter gefahren waren und erst am späten Abend zurückkamen.
Ich sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. Nur noch fünf Minuten. Dummerweise denkt man, während man Langeweile hat, viel mehr nach als sonst, und sowohl Ethan als auch Hadley schossen mir durch den Kopf. Mein Herzschlag erhöhte sich, und ich würde sofort nervöser, als ich an ihn dachte. Aus Hadley wurde ich allerdings weiterhin nicht schlau. Auch Sophie rätselte, und schüttelte den Kopf, als ich ihr von meinem Verdacht mit der Eifersucht erzählte. Aber ich hatte den Zweifel in ihren Augen gesehen. Sie war sich nicht sicher. Ich hatte Hadley erneut darauf angesprochen, mich nicht abwürgen lassen und darauf bestanden, dass wir uns am nächsten Tag treffen würden. Sie hatte etwas ängstlich ausgesehen, aber sie hatte begriffen, dass sie uns nicht noch länger hinhalten konnte. Also hoffte ich wirklich, sie würde morgen eine vernünftige Erklärung abgeben, die alles zwischen uns wieder normalisierte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte, falls Ethan tatsächlich Teil des Gesprächs werden würde.
Die Türklingel ließ mich auffahren. Er war da. So schnell es ging, schaltete ich den Fernseher aus und sprintete zur Tür, um sie dann aufzureißen. Und da stand er. In einen dunkelblauen Shirt mit Hollisterlogo und einfachen blue Jeans, die ihn trotzdem wie ein Männermodel aussehen ließen. Und er klingelte und war hier, um mich zu sehen.
Voller Freude fiel ich ihm um den Hals und er hob mich lachend ein Stück hoch, während er einen Schritt in den Flur hineinmachte. "Da hat mich aber jemand vermisst.", stellte er grinsend fest. Ich schüttelte überzeugt den Kopf, was mich nicht davon abhielt meine Lippen auf seine zu pressen. Wir küssten uns, als hätten wir uns ewig nicht gesehen, unsere Lippen bewegten sich synchron und Ethan drückte mich noch weiter an sich, während meine Lippen sich einen Spalt öffneten und seiner Zunge Einlass gewähren.
Geistesgegenwärtig schlug ich mit der rechten Hand die Tür hinter ihm zu, denn das war garantiert nicht jugendfrei. Das Blut in meinem Körper rauschte, und Sekunden später war ich an die Haustür gedrückt, die Hand in seinen Haaren vergraben. Ich keuchte auf, als seine Hand von hinten leicht unter mein Top fuhr. Der winzige Streifen Haut, den er berührte fühlte sich an, als ob er glühte und brannte. Doch obwohl ich genau das sehr gerne noch ewig fühlen wollte, brauchten wir beide wohl oder übel Luft.
"Achso, doch so arg hast du mich also vermisst.", sagte Ethan atemlos und grinsend, als wir uns trennten. "Gierig.", wisperte er dann heiser und mit einem dreckigen Grinsen auf dem Gesicht, während er mir noch einen winzigen Kuss auf die Lippen hauchte. Ich musste erst mal zu Atem kommen. Er hatte Recht, ich war wirklich süchtig nach seinen Küssen. "Lass uns in dein Zimmer gehen.", flüsterte er und ich bekam große Augen.
Ein riesiges Lachen seinerseits unterbrach meinen Gedanken. "Schau doch nicht so ängstlich. Ich will nur mal dein Zimmer sehen, nichts weiter." Er hatte Recht, ich dumme Kuh sah auch alles zweideutig. Ich nickte, grinste ihn an und nahm dann seine Hand, um ihn die Treppe hinauf zu ziehen. Seine Finger schlossen sich warm um meine.
"Tadaaaa!", rief ich und zeigte mit der freien Hand in mein Zimmer. Ich ließ ihn vorausgehen und ließ seine Hand los. Er betrat mein Zimmer und sah sich erst mal um. Er betrachtete die Fotowand eine Weile und drehte sich dann wieder zu mir. Ich saß mittlerweile auf meinem Bett und sah zu ihm auf, als er auf mich zu kam.
"Ich mag dein Zimmer. Es ist gemütlich und sieht so...nach dir aus."
"Ich hoffe das ist was positives!", lachte ich und zog ihn neben mich. Er ließ sich neben mich fallen. "Was könnte an dir Negatives sein?" Er verzog dabei nicht eine Miene, so als meinte er es wirklich ernst. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und fing an zu grinsen. "Ähm, so ziemlich alles?"
Er schüttelte den Kopf. "Rein gar nichts." Ich riss ungläubig die Augen auf, denn wenn ich ihm alles vorher nicht geglaubt hatte: damit log er nicht. Er war vollkommen ernst. Und das war der Beweis, das er mich wirklich mochte, denn an mir gab es reihenweise Negatives. Ich grinste ihn an und war mir sicher, dass man mir meine Verliebtheit bis zur Nasenspitze ansah. "Komm her!", sagte er und zog mich an sich, bis unsere Lippen sich berührten. Es war ein zarter Kuss, in dem all meine Gefühle für ihn steckten.
Als wir uns lösten, konnte ich kaum was sagen und ließ mich von so vielen Gefühlen überwältigt einfach nach hinten fallen. "Liv?" Mein Name klang nach wie vor mit seiner tiefen Stimme unwiderstehlich und ich sah auf. "Ethan?" , antwortete ich und mein Blick fiel in seine braunen Augen, die mich dunkel anfunkelten. "Willst du mit mir zusammen sein? Also so richtig?"
"So richtig?", echote ich, und versuchte mein glückliches Lächeln zu verbergen. Er war noch etwas unsicher, und ich sah es ihm an, so gut kannte ich ihn inzwischen. Er fuchtelte beim Reden und beim Nachdenken leicht mit den Händen und fuhr sich durchs Haar, wenn er sich mit etwas nicht ganz sicher war. Ich fragte mich, ob er mich anhand meiner Gesten auch kannte und lesen konnte. Ethan sah mir jetzt wieder direkt in die Augen, und fuhr fort. "Ähm...so richtig..mit Freund und Freundin und so?"
Ich konnte es nicht mehr verbergen und lächelte ihn offen an. Ich war offiziell der glücklichste Mensch auf Erden. Trotz all unserer Hürden hatten wir es tatsächlich geschafft. Ich richtete mich auf, bis unsere Gesichter fast beieinander waren und sagte leise: "Ich wäre liebend gerne deine Freundin." Er brauchte eine Sekunde um das Gesagte zu begreifen und drückte dann lächelnd seine Lippen wieder auf meine.
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Closer to you
Teen FictionEigentlich führt Olivia Winter ein ganz normales Leben. Neben guten Noten in der Schule hat sie zwei beste Freundinnen und ihre Familie und lebt so glücklich ihren gewohnten Alltag. Das ändert sich, als auf einmal ein neuer Schüler in ihre Jahrgangs...