Kapitel 21

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Treppe hoch. Treppe runter. Und wieder hoch. Und wieder runter. Ich musste mich dringend zusammen reißen. Seit 10 Minuten lief ich die Treppe, nach oben immer mit dem Entschluss zu klingeln, nach unten immer mit lieber doch nicht. Ich war pünktlich um fünf vor drei da gewesen, aber durch mein nervöses Treppen laufen war ich schon zu spät. Ich lief die Treppe noch einmal hoch und holte tief Luft. Bevor ich es mir nochmal anders überlegen konnte, drückte ich meinen Finger auf den kleinen Klingelknopf, direkt neben dem Briefkasten und dem "Hawn" Schild. Von außen sah das Haus wirklich imposant aus, es kam mir doppelt so groß vor wie unseres. Es war schön weiß gestrichen und hatte viele große Fenster. Außerdem gab es einen kleinen Balkon und zwei Terrassen. Außer noch einer Garageneinfahrt ließ sich von außen nichts mehr feststellen.

Jetzt öffnete sich die Türe und ein grinsender Ethan stand vor mir. Er trug ein hellblaues Hemd zu einer dunklen Jeans und sah mit seinen leicht abstehenden Haaren unglaublich aus. Mir blieb kurz die Luft weg. Er sah unwiderstehlich gut aus, hatte ich das schon erwähnt?

Ich wusste nicht wie ich ihn begrüßen sollte und kam mir daher ein wenig blöd vor. Schließlich steckte ich die Hände in die Hosentaschen (eine übliche Geste von mir, wenn ich nicht weiter wusste) und sagte nur: "Hi". Er grinste sichtlich über meinen bemühten Versuch. Dann kam er ein Stück näher und umarmte mich vorsichtig. Zugegeben, das war besser als blöd rumzustehen und die Hände in die Hosentaschen zu tun. Er drückte mich genau richtig, nicht zu schwach und mit beiden Händen. Fast hätte ich geseufzt, als er mich kurz darauf wieder losließ, aber ich riss mich zusammen.

Ich hatte das Gefühl, ich selbst duftete jetzt auch nach ihm. Total gut! Bei Gelegenheit müsste ich ihn mal fragen was für ein Parfüm er verwendete. Allein der Gedanke war mir schon peinlich. Jetzt gerade trat Ethan einen Schritt zurück, und bat mich dann rein.

Ich ging rein, und zog meine Schuhe aus. Ich stellte sie fein säuberlich neben ein Paar pinkene Sneakers. Dann richtete ich mich wieder auf.

"Sind die von deiner größeren Schwester? Warte wie hieß sie nochmal? Katrin?"

"Du hörst zu.", bemerkte er, während ich ihm meine Jacke reichte und er sie dann an die Garderobe hing. "Ja stimmt. Alles was in diesem Haus pink ist, ist von ihr. Sie hat gerade diese Ich-bin-ein-Mädchen-und-liebe-pink-Phase. Und sie heißt übrigens Katie, Abkürzung für Kate."

"Nah dran.", sagte ich, "Ich hatte nie so eine Pink-Phase." Inzwischen liefen wir einen langen Flur entlang, der in weiß und hellen Blautönen gestrichen war. Jedes einzelne Möbelstück, jede Tür und jeder Dekoartikel passte perfekt zusammen und war aufeinander abgestimmt, man kam sich vor wie im Möbelgeschäft.

Ethan lachte. "Ich wusste schon von Anfang an, dass du anders bist. Aber, Hey, wenn es dich beruhigt: ich auch nicht."

"Das beruhigt mich nicht sonderlich, nein."

Ethan stieß jetzt die Tür am Ende des Ganges auf. "Ich stelle dich kurz meiner Mutter vor, dann gehen wir in mein Zimmer."

Das waren ja ganz neue Fassaden! Ich war total erstaunt, denn wäre Ethan zu uns gekommen, hätte ihm vermutlich nicht in die Nähe von meiner Mum gelassen, denn ich sah es schon bildlich vor mir, wie sie ihn mit peinlichen Fragen löcherte. Aber ich freute mich trotzdem, dass er mich vorstellten wollte, es war irgendwie sehr persönlich, aber positiv gemeint.

Hinter der Tür befand sich ein genauso schön gestaltetes großes Ess- und Wohnzimmer mit vielen Fenstern, in dem eine Frau mittleren Alters und ein kleines Kinderbett standen. Außerdem spielte ein kleines Mädchen, dass musste Kate sein, Wii am Fernseher.
Das Baby schlief wohl und die Frau sah ihrer anderen Tochter beim spielen zu, während sie auf dem Sofa saß und einer Zeitschrift blätterte.

Ethan räusperte sich und ihr Kopf drehte sich zu uns. Sie fing an zu lächeln, und mir wurde klar, woher Ethan sein tolles Grinsen hatte. Sonst hatte sie nicht viel Ähnlichkeit mit Ethan, stellte ich fest, als wir zu ihr liefen. Sie hatte blonde Haare und blaue Augen, aber als ich ihr nochmal direkt ins Gesicht sah, entdeckte ich doch einige ähnliche Gesichtszüge. Sie erhob sich und gab mir freundlich die Hand.

"Hallo, Mrs Hawn, ich bin Olivia!"

"Hi! Nenn mich doch Anne!"

"Klar gerne.", antwortete ich freundlich und lächelte, während Kate gerade herumsprang und kreischte, da sie gewonnen hatte.

"Pscht! Leise!", machte Mrs Hawn, nein ich meinte Anne, entsetzt, denn sie hatte wohl Angst das Baby könnte aufwachen. In diesem Moment fing das kleine Mädchen an zu heulen. Seufzend stand Anne auf und holte sie aus ihrem Bettchen. Sie fing an mit ihr auf dem Arm im Zimmer herumzulaufen, während Ethan und ich da standen wie bestellt und nicht abgeholt. Als auch noch anfing das Telefon zu klingeln, wurde sie noch energischer und drückte spontan mir das Baby auf den Arm, da sie gerade an mir vorbei wirbeln wollte.

Ich war ganz vorsichtig, denn es sah total zerbrechlich aus. Bei Nick war es schon einige Jahre her, dass er so klein war. Ich drückte das kleine, süße Baby mit dem rosa Strampelanzug und den kurzen dunklen Haaren an mich und fing an im Zimmer Kreise um das Sofa zu laufen. Ethan hatte mir zugezwinkert und sich auf das Sofa gesetzt.

"So ein Baby macht dich echt älter.", meinte er, während sein Kopf und seine Augen mich verfolgten.

"Lustig. Wie heißt sie denn?"

"Mia."

"Hallo du kleine, süße Mia.", sagte ich daraufhin zu ihr in Babystimme. Sie beruhigte sich ein wenig und lag nach kurzer Zeit ganz still in meinen Armen. Sie war wohl schon wieder am einschlummern, als ich mich vorsichtig neben Ethan sinken ließ. Hach, kleine Babys waren einfach unschlagbar süß.

"Du hast echt das Zeug zur Babysitterin.", bemerkte Ethan und sein Blick lag dabei nach wie vor auf mir, das konnte ich spüren. Mittlerweile war Anne auch wieder reingekommen und sah auf uns herab.

"Das sehe ich auch so. Falls du möchtest kannst du ja mal auf Mia aufpassen, wenn es sich ergibt.", meinte sie und lächelte ihrem Baby zu, während sie es mir abnahm.

"Das würde ich total gerne!", freute ich mich, denn ich stand total auf Babysitten. Vor knapp einem Jahr hatte ich schonmal auf zwei Jungs aufgepasst, diese waren jetzt aber zu alt, als dass sie noch eine Babysitterin bräuchten.

"Schön, ich melde mich bei dir. Schreibst du mir noch deine Nummer auf? Aber ich habe so das Gefühl wir sehen uns noch öfter.", sagte sie dann und ging dann mit Mia in die angrenzende Küche. Ich schrieb meine Handynummer auf einen kleinen Zettel, den sie mit vorher in die Hand gedrückt hatte und erhob mich dann. Auch Ethan stand auf und sah mich an: "Und? Hast du Lust mein Zimmer zu sehen?"

Jetzt bekam ich wieder gute Laune! "Aufjedenfall!" Er ging uns voraus die Holztreppen hoch. An den Wänden hingen tolle Landschaftsbilder der Toskana und auch New York Bilder. Ab und an hingen ein paar Familienfotos, aber nicht so viele wie bei uns. Das konnte natürlich auch daran liegen, dass ich eine totale Fotofanatikerin war, und es liebte Bilder zu machen.

Im Obergeschoss ging es noch durch eine Treppe weiter nach oben, aber wir blieben in dem Flur hier stehen. Er war ähnlich wie unten gestaltet. Da an den Türen Namenschildchen hingen, ging ich davon aus dass dies hier die Kinderetage war plus Bäder oder so. Ich lief Ethan wortlos hinterher bis wir an seiner Tür angelangt waren. (Die Buchstaben seines Namens waren ganz klassisch, weiß auf schwarz, aber da es einen hellen Holzabdruck gab, ging ich davon aus, dass das erste Schild gewaltsam entfernt wurde.) Er öffnete die Tür und grinste mich an.

"Willkommen in meinem Reich."

Closer to youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt