Kapitel 9

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Ich blieb erst mal geschockt sitzen und ließ das Geschehende kurz sacken. Er hatte Recht behalten und wir hatten uns wieder gesehen. Und das hatte er natürlich anhand von meinem Armband erkannt und gewusst. Ich sollte sofort an meiner Dummheit ersticken, wie konnte ich da denn nicht sofort draufkommen?! Und warum hatte er sich zu mir gesetzt und nicht zu Cloe oder Kathrin? Oder alleine an einen Tisch? Cloe war doch viel hübscher als ich und beide hätten bestimmt nicht nein gesagt, wenn er sich zu einer von ihnen gesetzt hätte. Aber was interessierte das mich eigentlich? Ich kannte ihn doch gar nicht! Und er interessierte mich nicht im Geringsten. Mit diesen Gedanken packte ich meine Sachen zusammen und verließ als letzte das Klassenzimmer.

Seit 5 Jahren, also seit wir auf der weiterführenden Schule waren, gab es bei Hadley, Soph und mir die Gewohnheit, dass wir im Sommer immer auf einer bestimmten Mauer nahe beim Schulhof saßen und im Winter in der Kaffeecke, bei meinem besten Freund, dem Kaffeeautomaten. Heute ging es vom Wetter noch, also ging ich nach draußen, um die zwei zu suchen. Sie saßen, wie immer, auf unserer Mauer und versuchten unauffällig über den Hof zu schauen. Dabei waren sie natürlich total auffällig, registrierte ich augenverdrehend.

"Und wen sucht ihr so auffällig?", fragte ich und schwang mich neben sie auf die Mauer.  "Sieht man das?", fragte Hadley erschrocken und ich nickte grinsend. "Wir suchen nach Ethan. Der Neue, weißt du noch? Er sollte heute kommen und wir sind schon ganz aufgeregt.", antwortete mir Sophie stattdessen.

"Macht doch nicht so ein Trara um den, Leute!", gab ich von mir und versuchte ganz cool zu wirken. "Ach komm schon Liv, ich kenn dich, du bist mindestens genauso neugierig wie ich!", sagte mir Sophie.

Dass ich den Neuen schon gesehen hatte, wusste sie ja nicht. "Ich glaube da hinten ist er!", flüsterte sie mir zu und stupste mich dabei an.

Damit hatte sie vollkommen Recht, doch meine Bestätigung würde mich verraten. Er war bei den Jungs aus unserer Stufe und spielte mit ihnen Fußball. Daneben saß Cloe mit ihren Barbie-Freundinnen und himmelten die Jungs an, während sie sie anfeuerten. Sich so an Jungs ranzumachen, fand ich einfach nur billig.

Plötzlich sah er sich auf dem Schulhof um, entdeckte mich und zwinkerte mir zu. Ich wusste mir nicht anders zu helfen als einfach zu lächeln und zu hoffen, dass es nicht allzu dämlich aussah. Er lächelte auch und widmete sich wieder seinem Fußballspiel.

"LIIIV! Was war das bitteschön?", fragte Sophie entsetzt und aufgeregt zugleich.

"Ähm, könnte sein, dass ich vorhin mit ihm Mathe hatte? Und dass er sich neben mich gesetzt hat?", gab ich ein bisschen verlegen von mir. Ich hätte ihnen doch erzählen sollen, dass ich ihn kannte.

"Was? Das erzählst du erst jetzt?", fragte Sophie gespielt böse, aber ich sah dass sie sich ein Grinsen verkneifen musste. "Erzähl schon!", rief Hales. "Oder hast du uns noch was zu beichten?"

"Könnte sein, dass ich ihn zufällig am Samstag im Kino umgerannt hab und mich komplett vor ihm blamiert habe...?", gab ich kleinlaut von mir und erzählte ihnen dann die ganze Geschichte, einschließlich dem Mathe-Unterricht. Zum Glück waren sie mir nicht böse oder so etwas.

"Liv!", sagte daraufhin Sophie mit ernster Stimme, "Ihr seid füreinander bestimmt!" Zwei Sekunden später brach sie mit Hadley in Gekicher aus. Ich verdrehte die Augen. "So ein Blödsinn, wie kommst du denn darauf?"

Hadley gab mir die Antwort: "Also zuerst kanntest du ihn schon vorher und er hat dich wiedererkannt, also hat er dich nicht vergessen. Das heißt er hat bestimmt öfter an dich gedacht. Und du hast auch an ihn gedacht, stimmt’s?" Sie konnte an meinem Gesicht ablesen, dass sie Recht hatte und stieß einen kleinen Jubelschrei aus. Es war mir ein Rätsel wie, aber Hadley musste mich nur anschauen, und schon wusste sie, ob ich log, oder was ich dachte. Sie grinste mich an und fuhr fort. "Zweitens hat er sich im Matheunterricht zu dir gesetzt, was auf jeden Fall positiv ist, er hätte sich schließlich auch zu Cloe setzen können. Oder alleine. Und dazu kommt, dass er mit dir redet und dir zugezwinkert hat.", endete sie und seufzte.

"Quatsch!", murmelte ich und beobachtete aus der Ferne, wie Cloe Ethan um den Hals fiel, weil er ein Tor gemacht hatte. Tussi!

Die Argumente an sich waren ja nicht schlecht, aber ich glaubte einfach nicht daran, dass jemand wie er sich mit jemandem wie mir abgeben könnte, wenn er zur Auswahl noch Cloe hatte. Die Ethan nebenbei bemerkt immer noch um den Hals hing. Meine Laune verschlechterte sich und ich hasste Cloe noch mehr als sonst schon.

Die nächsten zwei Stunden Französisch hatte ich zusammen mit meinen Freundinnen und ehrlich gesagt war ich ein bisschen enttäuscht, dass Ethan anscheinend kein Französisch hatte. Der darauffolgende Kurs war ein Pflichtkurs, Deutsch, und ich, inklusive mein Herz, war mir nicht ganz sicher, ob ich mich freuen oder ärgern sollte, Ethan zu sehen.

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