Sei stark? Mein Mantra? Tja, mein inneres Mantra war einen Scheißdreck wert, denn obwohl ich eigentlich stark sein wollte, wollte ich nichts Anderes, als mich in meinem Bett zu verkriechen und schwach zu sein. Vorallem, als ich sah, wer zusammen mit mir über den Schulhof lief und ebenfalls auf die Schultür zusteuerte.
Ethan.
Anscheinend war er doch nicht vom Dach gefallen, sehr schade.
Also los jetzt, reiß dich zusammen und lauf los Liv!
Ich schulterte meine Tasche und ballte meine Faust in meiner Jackentasche. Er stand jetzt kurz vor dem Eingang mit ein paar Freunden, also musste ich so oder so vorbei.
Sophie war heute zu spät dran, schätzte ich, jedenfalls war sie nicht da gewesen, als wir uns treffen wollten und so war ich jetzt allein.
"Schicksal?", hörte ich ihre Meinung in meinem Kopf. Ja klar, Sophie würde es Schicksal nennen, ich nenne es einfach Pech.
Ich zog mit langen Schritten über den Schulhof, aufrecht und selbstbewusst. Woher das kam wusste ich selbst nicht, aber ich folgte nunmal meinem Mantra.
Kurz bevor ich auf seiner Augenhöhe war, blickte ich zu ihm, und es war als zöge es meinen Körper zu ihm. Da ich schließlich nicht hinlaufen konnte, wandte ich meinen Blick auf seine Freunde und konzentrierte mich auf sie. Ich hatte letztes Jahr mit einigen von ihnen Sport. Da waren Kevin, Ash und Dean. Sie waren eigentlich ganz in Ordnung, zumindest hatten sie mich immer vor dem Ball geschützt. Und obwohl ich nichts tat, als in der Ecke zu stehen, klatschten sie mich jedes Mal ab, als hätte ich den Siegestreffer geworfen. Wie gesagt, nett.
Die anderen zwei kannte ich nur vom sehen. Ich kramte in meinem Kopf nach den Namen, einer begann glaube ich mit N, und wünschte mir Sophie an meiner Seite, sie hätte die Namen sicherlich gewusst. Und außerdem wünschte ich mir ein besseres Langzeitgedächtnis bitte.
Dadurch dass ich seine Freunde so anstarrte, oder vielleicht auch einfach nur so: Ethan entdeckte mich und sein Blick ging mir bis in die Knochen. Ich starrte ihn wie gebannt an, und versuchte nebenher weiterzulaufen. Seine Augen strahlten das übliche Dunkel aus, aber ich fand sie sahen müde aus, und ein wenig trüb. Ich konnte meinen Blick nicht einmal abwenden, es war als ob er mich in seinen Augen gefangen hielt. Und auch er sah nicht weg, sein Blick folgte mir, während ich ging. Ich schaute zurück, solange ich konnte, nämlich bis die Eingangstür kam.
Ich blickte nach vorne und öffnete sie, und bemerkte mit einem Blick über die Schulter gerade noch, wie Ethans Freunde ihn antippten und dann verwirrt in meine Richtung sahen.
Denn Ethan sah immer noch her.
Deswegen beeilte ich mich umso mehr. Weg von dem starrendem Ethan und seinen Augen, weg von seinen starrenden Freunden.
Uff, ich atmete erst mal tief ein und aus, als ich vor der Klassenzimmertüre stand.
Na, der Tag hatte ja mal toll angefangen!
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"Na immerhin kann es jetzt nur noch besser werden!", war Sophies Meinung zu meiner morgendlichen Geschichte. Nach einem quälend langen Vormittag saßen wir draußen und aßen, während gerade Mittagspause war.
"Wirklich witzig.", meinte ich und steckte mir ein Pommes in den Mund.
"Finde ich auch.", grinste sie nur. Dann legte sich ihr Grinsen und ihr Gesichtsausdruck wurde etwas misstrauisch und wanderte hinter mich. Ich drehte mich um und sah Hadley.
"Hey..", sagte sie zögerlich. "Kann ich mich zu euch setzen?"
Wegen mir schon, ich hatte beschlossen nicht mehr sauer auf sie zu sein. Ich wusste, dass Had früher oder später erzählte was los war. Also drehte ich mich wieder zu Sophie.
Aber die hatte wieder ein Grinsen im Gesicht und rief: "Klar doch, setz dich und hör dir Livs neue Geschichte an." Hadley lächelte erleichtert und setzte sich auf meine andere Seite. "Lass mal hören." Und ich durfte meine Geschichte nochmal erzählen.
"Seltsam.", sagte sie als Reaktion auf mein Erlebnis am Morgen. "Das ist nicht normal."
"Toll, eine von euch findet mein Leben lustig, die andere findet mich seltsam. Was hab ich nur für Freundinnen?", sagte ich sarkastisch und erntete dafür einen bösen Blick von Sophie und eine Erklärung von Hadley.
"Nein, nicht du bist komisch, sondern er! Du darfst ihn anschmachten, du stehst ja auf ihn!"
"Sorry, aber du weißt, es ist so.", warf sie in dem Moment ein, als ich sie empört unterbrechen wollte. Also ich mochte ihn, ich stand nicht auf ihn. War das dasselbe? Abgesehen davon stand es jetzt sowieso nicht mehr zur Debatte.
"Aber er, der mit dir Schluss macht, also im übertragenen Sinne, starrt dich so auffällig an, dass sogar seine Freunde das bemerken. Und das heißt einiges, manche Jungs sind nämlich wirklich dumm."
Ja, da stimmte ich ihr zu, deswegen nickte ich. Da schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, der mich schon den ganzen Morgen nervte. Die unbekannten Jungs, deren Namen ich nicht wusste.
Auf meine Frage antwortete Sophie nur blöd: "Hä? Welcher blonde Junge? Liv, werd genauer, es gibt bestimmt tausende blonde Jungs auf dieser Welt."
"Na, der eine. Er geht übrigens auf unsere Schule.", verwarf ich ihre Jungs-auf-der-ganzen-Welt Sache und versuchte mich krampfhaft an einige Details zu erinnern. Das fiel mir schwer, denn mein Blick haftete mehr an einem Bestimmten, als an den Anderen.
"Er ist groß, blond, ich glaube blaue Augen oder grün oder so. Er hängt immer mit dem anderen Typen zusammen, der war auch bei Ethan. Er war letztes Jahr in deinem Sportkurs glaube ich?" Mehr brachte ich nicht zusammen, aber es hatte gereicht.
"Du meinst Noah und Ryan oder?", fragte sie und fuhr ohne Antwort fort. "Die sind so heiß." Hadley nickte zustimmend.
"Aber du hast mich unterbrochen", sagte sie dann wieder zu mir. "Ich wollte Ethan's Verhalten gerade psychologisch deuten."
"Schieß los, ich kanns kaum erwarten."
Sie verdrehte die Augen. "Also ich glaube er ist noch nicht über dich hinweg, weshalb ich nicht verstehe warum er dich nicht wollte. Aber ich denke trotzdem du solltest ihn ignorieren und einfach vergessen. Das kann ja nicht allzu schwer sein, schließlich kennst du ihn knapp einen Monat."
Ich schluckte. Ein Monat war lang, und bis jetzt fühlte ich mich noch nicht sehr darüber hinweg. "Hmm.", gab ich also mal wieder als zustimmende Antwort ab.
"Du brauchst einfach eine Menge Ablenkung!", rief Sophie aus und klatschte in die Hände.
Als sie das letzte Mal versuchte mich abzulenken, kam sie auf die brillante Idee Vampire Diaries zu schauen.
"Also die nächsten drei Staffeln Vampire Diaries?", fragte ich entzückt und Sophie nickte. Es gab keine bessere Ablenkung.
"Leute, ihr seit elendslangweilig!", rief Hadley aus. "Ich habe eine viel bessere Idee."
Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. Was war besser als Vampire Diaries mit Sophie und Chips in meinem kuscheligen Bett?
"Sandra Thompson aus dem Abschlussjahrgang schmeißt am Freitagabend eine riesige Geburtstagsparty. Meine Eltern sind mit ihren befreundet. Sie wohnt in einem tollen Haus, es sieht von außen so glamourös aus, und hat einen super Garten mit Pool." Erwartungsvoll sah Hadley uns an.
Eine Party sollte ablenken? Partys waren normalerweise nicht so mein Ding, ich war nur ein paar Male gewesen, als die zwei mich gezwungen hatten.
Doch als ich Sophies leuchtende Augen sah, wusste ich schon dass ich überstimmt werden würde.
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Closer to you
Teen FictionEigentlich führt Olivia Winter ein ganz normales Leben. Neben guten Noten in der Schule hat sie zwei beste Freundinnen und ihre Familie und lebt so glücklich ihren gewohnten Alltag. Das ändert sich, als auf einmal ein neuer Schüler in ihre Jahrgangs...