Nun war ich vollkommen verwirrt. Was bedeutete das? Weswegen telefonierte mein Freund mit meiner besten Freundin?
Als ich sein Anrufprotokoll herunterzippte, fand ich nur einen weiteren Anruf von vor zwei Tagen. Zum Nachrichten lesen hatte ich keine Zeit mehr, denn ich hatte Ethans Handy schnell gesperrt und zurückgelegt, als er zurückkam. Nach einer stillen Fahrt mit einem kurzen "Tschüss, bis Morgen!" hatte ich mich fix verabschiedet. Mit war bewusst, dass er bestimmt bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmte, aber das war mir egal, ich wollte einfach nur aus dem Auto raus, in mein Zimmer gehen und Sophie anrufen.
Nach einem kurzen Gespräch mit meiner Mum, in der ich ihr über Paintball vorschwärmte und versuchte mir meine verwirrten Gedanken nicht anmerken zu lassen, setzte ich meinen ursprünglichen Plan in die Tat um. Nachdem ich mich umgezogen, und nun in Jogginghose auf meinem Bett lag, berichtete ich Sophie von meinem verrückten Nachmittag.
"..und dann hab ich ihn ohne Abschiedskuss sitzen lassen und bin so schnell wie möglich verschwunden.", beendete ich die ganze Geschichte, in der mich Sophie tatsächlich nur ein einziges Mal unterbrochen hatte.
"Oh. Mein. Gott.", hatte sie als ersten Kommentar und brauchte dann ein paar Sekunden um das Erzählte zu verarbeiten.
"Oh Gott", wiederholte sie kurz darauf, "Liv, das übertrifft dein bisheriges Problem um Längen! Bis jetzt hast du ihm etwas nicht ganz Unwichtiges verschwiegen. Jetzt aber hast du auf seinem Handy rumgeschnüffelt, was nebenbei bemerkt nicht in Ordnung war, und dann auch noch was gefunden und ihn nicht darauf angesprochen! Warum hast du ihn nicht einfach gefragt?"
Jetzt wo sie es sagte, erschien es mir durchaus logisch, aber in dem Moment konnte ich nicht darüber reden. Ohne mich antworten zu lassen, fuhr Sophie fort. "Ich hätte das sofort gemacht! Und dann hättest du jetzt wenigstens eine Antwort, über die du nachdenken könntest, anstatt dir in deinem Kopf mögliche Szenarien auszumalen. Denn das tust du, stimmt's?"
Ich nickte, was sie jedoch logischerweise nicht sehen konnte. Deswegen bekräftige ich mein Nicken mit einem: "Ja schon, aber ich konnte in der Situation nicht anders als zu fliehen. Und es gibt unendlich viele mögliche und weniger mögliche Szenarien, die zutreffen könnten."
Sophie verstand mich, das wusste ich trotz ihrem Vortragsgerede. "Nenn mir welche!", bat sie mich.
"Vielleicht hat er eine Affäre mit Had?", stieß ich die beunruhigendsten Gedanken zuerst aus. Von Sophie bekam ich allerdings nur ein Lachen. "Niemals, das würde sie nicht wagen. Nächste Option?"
"Vielleicht haben sie nur über etwas harmloses geredet?", erzählte ich ihr nun von der Idee, die mir am wenigsten schlimm erschien. "Vielleicht planen sie was wegen meinem Geburtstag oder so.." Meiner Meinung nach klang das logisch und wäre auch überhaupt nicht schlimm für mich. Wenn mich Ryan nach meiner Meinung für ein Geschenk für Ethan fragen würde, wäre das auch nicht schlimm.
Sophie stimmte mir zu. "Also ich weiß von nichts, aber das klingt logisch und auch überhaupt nicht dramatisch oder so. Bestimmt ist es das..aber Gewissheit hast du erst, wenn du ihn oder Hadley fragst. Und bei der Gelegenheit solltest du ihm auch gleich was anderes erzählen."
Ich seufzte. "Ich weiß, das muss ich..." Aber bestimmt würde mir Ethan vorwerfen, dass ich ihm nicht vertraute wegen der Hadley Geschichte und sich dann von mir trennen, wenn er dazu auch noch das andere hörte. Und meine Zweifel an der Affaire der zwei waren auch noch nicht komplett ausgeräumt und spukten mir in Kopf herum.
"..und zwar morgen nach dem Schuhe kaufen, einverstanden?", ergänzte Sophie meinen Satz und ich stimmte ihr zu. Nachdem wir eine Uhrzeit ausgemacht hatten und ich ihr versprochen hatte, mir nicht so viele Gedanken zu machen, legten wir auf.
Ich machte mir natürlich trotzdem Gedanken über die ganze Sache, und überlegte wie ich es ihm am besten sagen sollte. Und wie sollte ich mich morgen in der Schule verhalten?
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Ich schreckte aus dem Schlaf auf. Oh Gott, ich hatte das Gefühl als hätte ich einen Kater der schlimmsten Sorte. Dabei hatte ich gestern Abend nicht wirklich viel getrunken, aber in Kombination mit kaum Schlaf und dem vielen Nachdenken in der letzten Nacht, hatte es zu monströsen Kopfschmerzen geführt und ich fühlte mich wie gerädert.
Mein Digitalwecker zeigte zwar erst 06:04 an, aber ich sah keinen Sinn mehr im liegenbleiben und schwang deshalb seufzend meine Beine aus dem Bett. Durch das frühe Aufstehen hatte ich eine halbe Stunde mehr Zeit als sonst, und ich sah Sophies überraschtes Gesicht, als ich überpünktlich in der Schule erschien, das war ich nämlich sonst nie.
"Wer hat dich denn so früh geweckt? Und warum siehst du aus wie ein Vampir?", raunte sie mir zu, nachdem sie mich umarmt hatte. Zusammen liefen wir ins Schulgebäude.
"Weil ich dein Blut will!", ärgerte ich sie und fauchte in ihre Richtung. Sie zuckte kaum merklich zusammen und ich musste grinsen. "Aber auch, weil ich kaum geschlafen habe und die halbe Nacht nachgedacht hab.", fügte ich hinzu.
Als Hadley mit Kaffebechern um die Ecke kam, vergaß ich meine misstrauischen Gedanken über sie. "Du bist meine Rettung!", sagte ich dankend. Meine Zweifel an ihr waren durchaus noch da, aber mir die Infos über eine Freundin zu holen, anstatt ihn direkt zu fragen wäre ungerecht. Ich gab ihm die Chance es mir selbst zu erklären und würde erst anschließend mit Had reden, denn ich wollte eine Erklärung von Ethan. Und außerdem hatte sie Kaffee dabei, da konnte ich momentan kaum zweifeln.
Der Rest meines Schultages bestand daraus, mögliche Begegnungen mit Ethan vorauszusehen und zu vermeiden. Ich verbrachte die Pausen mit Sophie auf dem Mädchenklo und ging nach dem Unterricht den Fluren, in denen er sein könnte, aus dem Weg. Außerdem versuchte ich so wenig wie möglich mit Hadley zu reden, denn ich wusste nicht ob ich sauer auf sie war oder nicht und dementsprechend hatte ich keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte. Eigentlich hatte sie mir versprochen, keine Geheimnisse mehr vor mir zu haben und ich hatte ihr geglaubt. Traute ich ihr das wirklich zu? Konnte sie mit erneut hintergehen und belügen und mir dann noch Kaffee bringen?
Und wie konnte es eigentlich sein, dass ich schon wieder an denselben Menschen in meinem Leben zweifelte? Letztendlich steckte ich im Dilemma, bis ich mit einem von beiden geredet hatte. Deswegen war ich auch mehr als erleichtert, als der Schultag endlich aus war, und Sophie mich zum Schuhe kaufen in ihren Wagen lud. "Hadley kommt später nach. Aber wir sollen schonmal anfangen, meinte sie. Also los geht's, auf die Jagd nach den perfekten Schuhen!"
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Closer to you
Teen FictionEigentlich führt Olivia Winter ein ganz normales Leben. Neben guten Noten in der Schule hat sie zwei beste Freundinnen und ihre Familie und lebt so glücklich ihren gewohnten Alltag. Das ändert sich, als auf einmal ein neuer Schüler in ihre Jahrgangs...