2 ZWEIFEL

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Das Geheimnis zu langweilen besteht darin, alles zu sagen.

(Voltaire)

Kim saß auf ihrer Couch und legte gerade ihre Beine hoch, als ihr Freund hereinkam, seine Krawatte lockerte und sich neben ihr in einen Sessel fallen ließ.

„Und wie war dein Tag?"; fragte er eher beiläufig und räkelte sich in den Sessel.

„Nicht besonders, Frank!", antwortete Kim wahrheitsgemäß, „Valerie hat gekündigt!"

Überrascht blickte Frank sie an.

„Ja...", sagte Kim nickend, „Genauso habe ich auch geguckt, als ich ihre Kündigung heute in der Hand hielt!"

„Hat sie irgendwas dazu gesagt?", wollte Frank wissen.

„Ts...", sagte Kim abwinkend, „Gesagt! Sie war noch nicht einmal da!"

„Wie... jetzt...", bemerkte Frank verwirrt. Kim holte tief Luft und sagte:

„Heute Morgen kam ein Schreiben aus Jamaika. Darin stand einfach nur, dass sie jemanden kennen gelernt hätte, unsterblich verliebt wäre und kündige!"

Frank schüttelte ungläubig den Kopf.

„So etwas habe ich auch noch nicht gehört!", bemerkte er belustigt, stutzte aber plötzlich.

„Hast du nicht vorgestern einen Brief von Valerie gekriegt?"

Kim starrte vor sich hin und nickte langsam.

„Ja...", sagte sie gedehnt, „Und darin steht nichts von einer Bekanntschaft... geschweige denn von einer neuen Liebe! Hier...", sie beugte sich vor, nahm zwei Blätter vom Tisch und reichte sie Frank,

„Ich habe Kopien von ihrer Kündigung und von dem Brief an mich gemacht. Ihre Kündigung ist vom 11. Juni und ihr Brief an mich vom 14. Juni. Ist doch komisch, oder?"

Frank überflog die Kopien und nickte langsam.

„Glaubst du denn, sie würde dir so etwas mitteilen?"

„Ts...", winkte Kim ab, „Ich tue es nicht gerne, aber hier... lies ihren Brief selbst! Wenn sie mir so etwas schreibt, dann würde sie wohl auch erwähnen, wenn sie jemanden kennen gelernt hätte, oder?"

Frank überflog Valeries Brief und blickte dann Kim fragend an.

„Ja, da hast du Recht. Komisch ist das schon. Aber was willst du jetzt tun?"

Kim zog ihre Schultern hoch. Nach einer Weile seufzte sie:

„Ich weiß es nicht! Ich habe nur ein mulmiges Gefühl bei der ganzen Sache. Außerdem ist es nicht ihre Art, sich einfach so abzumelden! Sie regelt solche Dinge immer gerne persönlich! Und dann frage ich mich: wenn sie wirklich auf Jamaika bleiben will, wie es laut ihrer Kündigung den Anschein macht, was ist dann mit ihrer Wohnung und ihren Sachen?"

„Nun...", gab Frank zu bedenken, „Vielleicht kümmert sich Mike darum!?"

„Mike...", wiederholte Kim gedankenverloren und dann verengten sich ihre Augen zu Schlitzen,

„Dieser Blödmann ist doch überhaupt erst Schuld an dieser merkwürdigen Situation!"

„Ist er denn eigentlich schon zurück?", wollte Frank wissen.

„Da bin ich überfragt!", gab Kim zu, „Zu Hause geht nur der Anrufbeantworter an und in der Firma von Mike haben sie gesagt, dass er noch zwei Wochen Urlaub habe! Die wissen auch nicht, ob er schon wieder zu Hause ist oder nicht."

Frank zog überrascht eine Augenbraue hoch.

„Du hast das also alles schon gecheckt?"

Kim nickte. Dann setzte sie sich auf und sah Frank besorgt an:

„Ich mache mir Sorgen, Frank! Diese ganze Situation passt so gar nicht zu Valerie!"

„Und warum nicht?"; wollte Frank wissen. Kim warf in einer hilflosen Geste die Arme hoch und brauste auf:

„Sie plant ihre Sachen und ist immer gut vorbereitet! Sie würde doch nicht so mir nichts dir nichts einfach auf Jamaika bleiben! Dafür müssen doch ... Dinge geregelt werden!"

„Jetzt komm mal wieder runter!", versuchte Frank sie zu beruhigen, „Sicher ist die Situation komisch... oder eher: ungewöhnlich. Aber das heißt noch lange nicht, dass solche Sachen nicht passieren! Sie wäre nicht die erste, die sich am Urlaubsort verliebt und aussteigt! Und warum auch nicht, wenn die Gegebenheiten...", Kim sprang auf und fiel ihm jetzt aufgebracht ins Wort:

„Aber genau das ist es ja! Die Gegebenheiten stimmen eben nicht! Erinnere dich daran, dass ich damals gesagt habe, dass es mir seltsam vorkommt, dass Mikes Firma den Trip bezahlt! Und jetzt hat Mike sie betrogen... auf die übelste Art und Weise! Sie wurde gedemütigt, benutzt und in den Dreck gestoßen, verstehst du? In einer solchen Situation verliebt man sich nicht Hals-Über-Kopf!"

„Kim...", ermahnte Frank sie jetzt versöhnlich und sah zu ihr auf, „Es ist nicht dein Leben und so gesehen, seid ihr Beide nicht einmal gut befreundet! Sie ist nur deine Arbeitskollegin – das jedenfalls hast du immer gesagt! Du wolltest dich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen, weißt du noch? Genau das war es, was Valerie an dir geschätzt hat! Du hast ihr nicht ständig Vorwürfe gemacht und sie eines Besseren belehren wollen! Also warum machst du dir solche Sorgen um sie und vermutest gleich eine Verschwörung?"

Kim blickte auf Frank hinab und kaute auf ihrer Unterlippe. Dann atmete sie tief durch, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte etwas gelassener:

„Du hast ja Recht! Aber wenn nicht einmal ich mir um sie Sorgen mache, wer soll es dann tun?"

I0@I@

Die InselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt