TEIL I DER WEG 1 SCHERZE

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Die Menschheit hat nur eine einzige effektive Waffe: Gelächter.

(Mark Twain)

Mike stand vor ihr und fragte:

"Warum fliegst du nicht mit, Valerie?"

Das war eine gute Frage! Mike liebte es, solche Witze zu machen und Valerie wusste, dass er sie schon wieder auf den Arm nahm. Sie ließ mit einem Seufzer von den vor ihr liegenden Tomaten ab, stützte sich auf die Arbeitsplatte, legte das Messer beiseite und betrachtete Mike, der sich mit einem Arm auf die Küchenzeile gestützt hatte und sie erwartungsvoll anblickte. Er war nur ein wenig größer als sie, von kräftiger aber trainierter Statur und hatte schwarzes, glattes, kurz geschnittenes Haar. Valerie fragte sich einmal mehr, warum ein so gut aussehender Mann wie Mike so gemein sein konnte. Als er Valerie ansah und ihren finsteren Gesichtsausdruck sah, lachte er hell auf und seine blauen Augen funkelten sie schadenfroh an:

"Du solltest dein Gesicht sehen!"

Er hielt sich den Bauch und lachte weiter. Sie jedoch blieb ernst.

"Was soll das? Du machst dich schon wieder über mich lustig!", entgegnete sie ärgerlich.

Allmählich beruhigte sich Mike und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augenwinkeln,

"Ach komm, sei nicht böse, Val'! Du müsstest mich doch kennen!"

Ihre großen, grünen Augen verengten sich zu Schlitzen und sie sah ihn von unten herauf an:

"Manchmal", zischte sie, "bist du richtig gemein!"

"Also was ist?", fragte er beharrlich und schien sich die gute Laune durch ihr Murren nicht verderben lassen zu wollen, „Möchtest du nun mitfliegen oder nicht?"

Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Im Allgemeinen half ihr das, wenn sie nahe daran war, sich aufzuregen. Gepresst sagte sie:

"Bitte, Mike, ich möchte das jetzt nicht ausdiskutieren!"

Plötzlich verfinsterte sich sein Blick und Valerie feierte einen inneren Reichsparteitag, als sie es erkannte. Er wollte ihre Hand nehmen, doch sie wandte sich ab und griff nach einem Trockentuch.

"Was ist los?", fragte er sichtlich gekränkt, „Ich frage dich, ob du mit mir eine Traumreise machen willst und du machst ein Drama daraus! Das finde ich nicht in Ordnung! Ich habe es ernst gemeint!"

Sie fuhr herum und ihr langes, glänzendes blondes Haar wirbelte durch die Luft. Ihre Augen funkelten ihn an. Das Luftanhalten verfehlte offensichtlich seine Wirkung, denn ihr Ärger platzte aus ihr heraus:

"Hör schon auf! Ich kenne deine Ich-habe-es-ernst-gemeint-Tour! Ständig bist du darauf aus, mir weh zu tun! Das finde ich nicht in Ordnung! Deine Art von Traumreisen kenne ich nämlich! Sie bedeuten, dass du verreist und ich davon träume! Ach, was soll das überhaupt? Wenn du wirklich nächste Woche fliegen willst, dann muss ich noch ein paar Sachen waschen, damit du nicht nackt fliegen musst!"

Mit dieser schnippischen Bemerkung warf sie das Trockentuch in die Spüle, ließ ihn stehen und ging ins Schlafzimmer. Doch so leicht gab Mike sich nicht geschlagen. Er schlich hinter ihr her, packte sie, warf sie auf das Bett und legte sich auf sie. Sie wollte sich wehren, überlegte es sich im letzten Augenblick aber anderes.

„Komm schon!", forderte er sie heraus, als ob er ihre Absicht erkannt hatte, „Zeig mir, dass du mich besiegen kannst! Zeig mir, dass du den blauen Gürtel im Jiu-Jitsu nicht geschenkt bekommen hast!"

Es wäre ein Leichtes für Valerie gewesen, sich zu befreien, doch nach Toben war ihr momentan wirklich nicht zumute und deshalb ließ sie ihn gewähren. Als Mike es bemerkte, lockerte er seinen Griff und änderte seine Taktik.

"Was ...", fragte er verschmitzt, "...glaubst du, habe ich hier in der Hose?"

Er griff sich an die Hosennaht zwischen seine Beine. Valerie war genervt. Sie kannte diese Art frivoles Spiel nur zu gut.

"Ich will es nicht wissen und außerdem bin ich nicht in Stimmung!"

Sie drehte ihren Kopf zur Seite.

"Dann sieh genau hin!", forderte er sie auf.

Valerie wollte ihre Ruhe und der einzige Weg, diese zu bekommen, war, sich auf sein Spiel einzulassen. Sie blickte gelangweilt auf die Hand, mit der er gerade etwas aus einer Hosentasche zog, was sie nicht erkennen konnte.

"Na und? Was soll das jetzt?", fragte sie ungeduldig.

Bei genauerer Betrachtung erkannte sie, dass er ein Flugticket hervorgeholt hatte. Auch dieses Spiel hatte er schon einmal gespielt. Es war zweifellos sein Ticket. Um dem ein Ende zu bereiten sagte sie:

"Geh endlich von mir runter! Ich kriege ja keine Luft mehr!"

"Sieh genau hin!", sagte er beschwörend, „Wie viel Tickets habe ich hier?"

Valerie verdrehte die Augen und sagte gepresst:

"Ist das hier eine Lotterie oder ein Ratespiel? Es ist mir egal!"

"Zwei! Sieh endlich genau hin! Da staunst du, was?", triumphierte Mike, „Ich habe dein Ticket bereits in der Tasche. Es ist ein Bonus meiner Firma. Erinnerst du dich noch, als ich vor zwei Monaten weg war? Ich habe einen Superdeal abgeschlossen und eine komplette Showlaseranlage verkauft. Und die soll ich jetzt installieren und dafür hat meine Firma einen zusätzlichen Flug ins Paradies spendiert - für eine Begleitung meiner Wahl!"

Mike grinste jetzt nicht mehr, sondern lächelte sie versöhnlich an. Doch ein gebranntes Kind wie Valerie scheute das Feuer und sie sagte skeptisch:

"Das glaube ich dir nicht! Wo ist der Haken?"

Selbstgefällig säuselte Mike:

"Es gibt keinen!"

Er ließ sich neben ihr auf das Bett fallen und grinste triumphierend, während er ein Ticket aufklappte.

"Hier steht es schwarz auf weiß: Reservierung des Fluges LT 1745 in die Karibik für Miss Valerie Mansing! Na, was sagst du jetzt?"

Er rollte sich auf die Seite und hielt ihr das Stück Papier hin. Vorsichtig, als könnte es sich in Luft auflösen, nahm Valerie es ihm aus der Hand und las ihren eigenen Namen.

"Ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll! Ich glaube das nicht!"

Mike nickte genießerisch:

"Drei Wochen Sonne, Palmen, Sand und smaragdgrünes Wasser. Kleine Inseln, unberührte Natur und Ruhe ohne Ende. Aber für dich ist es ja nur ein Scherz.", sagte er plötzlich abwertend, „Wen könnte ich denn noch mitnehmen?", fragte er kokett und riss ihr das Ticket aus der Hand.

Valerie war zu verwirrt, um zu reagieren. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie konnte es noch immer nicht glauben!

"Moment!", hakte sie ein, „Sagtest du Flug? Was ist mit einem Hotel? Ich meine, wo wohnen wir?"

Mike sah sie von unten herauf an und sagte gelassen:

"Also ich wohne in einem hübschen Hotel und habe ein Zimmer mit Balkon, WC, Dusche, Blick aufs Meer ..."

Er machte bewusst eine Pause und wartete, bis sie Luft geholt hatte, um etwas zu sagen. Dann kam er ihr zuvor und fügte hinzu:

"... und einem Doppelbett! Kingsize"

"Du elender Mistkerl!", zischte sie gespielt böse und dann hob sie eine Hand, so als ob sie ihn ohrfeigen wollte. Er blockte ihren Schlag ab, hielt ihren Arm fest und zog sie zu sich.

"Einzig die Verpflegung müssen wir vor Ort für Dich nachbuchen. Ich denke, dass das ein faires Angebot ist und ich fände es schön, wenn du mich begleitest", flüsterte er, und noch während sie ein leises "Danke" hauchte, versiegelte er ihre Lippen mit einem Kuss.

cbEA

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