Erkenntnisse

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Ich sitze schon über zwei Stunden an Saras Bett und mache mir die schlimmsten Vorwürfe. Wäre ich nicht gewesen, hätte Djamal sie nie so zusammengeschlagen und sie würde jetzt nicht hier liegen. Das stetige Piepsen der Monitore, die Saras Vitalzeichen und Herzschlag kontrollieren und aufzeichnen, erfüllt als einziges das kleine Zimmer. Ab und an schaut eine Schwester vorbei, notiert sich etwas und verlässt dann schweigend den Raum. Ich habe die Augen geschlossen und bete. Keine Ahnung wie lange ich nicht mehr gebetet habe, aber ich bete, nein, ich flehe Gott an Sara zu helfen. Auch wenn ich weiss, dass Gott nicht viel tun kann, so ist es meine einzige Stütze. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre, zucke ich zusammen und drehe mich um. Schaue Miles direkt ins Gesicht und kann ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen. „Du bist hier.", stelle ich fest. Miles nickt nur und sieht von mir zu Sara die nach wie vor bewusstlos ist. „Ich habe gehört was passiert ist. Wie konnte sie nur von einem Pferd mitgeschleift werden?" Er sieht mich bedrückt an und ich muss mich zusammenreissen um nicht loszulachen. Mesut hat ihm also das Märchen vom Pferd erzählt, wie hätte es auch anders sein können. „Ja. Wie konnte das nur passieren.", wiederhole ich seine Worte. „Wie lange bist du schon hier?" Miles zieht den zweiten Stuhl neben mich und setzt sich. „Ein paar Stunden." Ich schaue wieder zu Sara, sie wirkt so verletzlich. So als wäre sie aus Glas und nicht aus Fleisch und Blut. „Hat man ihre Eltern schon benachrichtigt?" Ich schüttle stumm den Kopf und weiss nicht was ich ihm sagen soll. „Ich werde jemand beauftragen das zu erledigen. Die Ärzte haben mir gesagt das sie wieder auf die Beine kommen wird."

„Aber dazu müsste sie erst einmal aufwachen.", sage ich besorgt und nehme ihre Hand in meine. Sie ist warm und ich spüre den Puls an meinen Fingern, sie lebt. Eine Weile sitzen wir so da und schweigen. Wieder sind nur die Piepstöne der Maschinen zu hören. „Wir sollten gehen. Man wird uns benachrichtigen wenn sie aufwacht" Zuerst reagiere ich nicht, dann stehe ich auf und verlasse das Zimmer ohne einen Blick zurück. Auf der Fahrt zu Miles Palast habe ich das Gefühl von einem tonnenschweren Stein erdrückt zu werden. Doch es ist kein Stein, sondern die Schuldgefühle die mich zerquetschen wollen. Wortlos betrete ich sein Schlafzimmer und gehe in den Garten, es ist Nachmittag und die Luft ist trocken. Aber drinnen habe ich das Gefühl zu ersticken. Also finde ich mich mit der trockenen Luft ab. Ich reibe mir über die Arme obwohl ich gar nicht friere, es ist mehr um etwas ausser den Schuldgefühlen zu spüren. „Was hast du?" Miles stellt sich neben mich und sieht wie ich in den Himmel, der strahlend blau ist, schaue. Keine einzige Wolke ist zu sehen, nichts was die Sonne etwas abschirmt.

„Schuldgefühle." Ich kaue auf meiner Unterlippe und frage mich wie das alles wieder gut werden soll. „Wieso? Du kannst doch nichts dafür." Wenn er nur wüsste. Ich wende mich ab, weil ich seine mitfühlenden Worte nicht mehr hören kann. „Doch. Ich bin schuld." Ich muss es ihm sagen, aber die Angst vor seiner Reaktion hält mich davon ab. Miles scheint jedoch davon überzeugt zu sein, dass er es wissen will. Sanft legt er mir eine Hand auf meine Schulter und dreht mich zu sich um. „Du kannst mir alles sagen, das weißt du doch oder?" Seine blauen Augen schauen mich voller Liebe an, Liebe die mich dazu bringt ihm alles zu sagen. Also atme ich tief ein und beginne ihm alles zu erzählen. Während ich wie ein Wasserfall rede hört Miles aufmerksam zu und unterbricht mich kein einziges Mal. Als ich am Ende meiner Erzählung bin setze ich mich auf einen Sessel, der in seinem Schlafzimmer steht. Miles hingegen läuft hin und her, fährt sich immer wieder durch sein Haar und scheint aufgebracht zu sein.

„Wie konntest du nur so etwas tun?" Er ist stehen geblieben und sieht mich voller Wut an. Ich bin wie erstarrt, ich dachte das er mich fragen würde wieso ich das getan habe. Dass er mir glauben würde, doch da habe ich mich wohl geirrt. Schon wieder. „Wie ich das tun konnte? Ich habe nur gemacht was für mich richtig erschien. Ich habe wenigstens etwas unternommen!", ich werde lauter. Kann nicht verstehen wieso er mich jetzt so anfährt. Ich weiss, dass ich Mist gebaut habe, dass ich es hätte verhindern können wenn ich Sara nichts vorgespielt hätte. Aber ich habe es getan und jetzt glaubt mir Miles kein bisschen. Wo ist da bitte das Vertrauen? „Und ich dann nicht? Glaubst du ich hätte einfach so hingenommen, dass jemand meinen E-Mail Account gehakt hat und dir was weiss ich alles angetan wurde? Glaubst du ich hätte einfach nur dagesessen und in die Luft gestarrt? Ich habe Nachforschungen anstellen lassen, habe meine Leute beauftragt herauszufinden was in diesem Hotel passiert ist, da du es mir nicht sagen wolltest. Also schieb mir das jetzt nicht in die Schuhe, obwohl du sehr wohl weißt das du Mist gebaut hast und nicht ich." Damit nimmt er mir den Wind aus den Segeln.

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