Einsamkeit und Liebeleien

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Cassian

Am Vormittag war auch in der Schule nichts spannendes mehr passiert. Das normale halt. Man hat sich der Klasse und den Lehrern, die man hatte, vorgestellt und dann interessierte sich niemand mehr dafür, dass jemand neu war. In den Pausen hatte ich mir das riesige Schulgebäude näher angesehen und wie sollte es auch anders sein, ich hab mich verlaufen. Ich kam eine ganze halbe Stunde zu spät zum Unterricht, was mir jedoch niemand übel nahm. Nach dem Unterricht hab ich mich mit Robin verabredet, der mir am Nachmittag das Gelände zeigen wollte.

Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr. Langsam wurde es Zeit, mich fertig zu machen, wenn ich mich mit Robin treffen wollte. Ich erhob mich von meinem gemütlichen Bett, welches inzwischen bezogen war und ging zu meinem Schrank. Zuvor hatte ich meinen Koffer ausgepackt und mein Hab und Gut in meinen Schrank geräumt. Kurz überlegte ich. Wir hatten Frühling und es wurde schon recht warm, was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, dass wir die kurzen Uniformen tragen mussten. Ich nahm mir meine schwarzen Skinny Jeans aus dem Schrank, welche wie alle meine anderen Jeans auch total zerfetzt war. Ich liebte zerrissene Hosen. Also jedenfalls an mich selbst, ich trug sie für mein Leben gern. Bei anderen fand ich es wiederum nicht ganz so cool. Ich wusste nicht, wieso. Danach nahm ich mir mein schwarzes Tank Top, auf dem in weiß das Atari Logo gedruckt war. Auch meine weinroten Dr Martens nahm ich aus dem Schrank heraus. Ich zog mir meine Jogginghose aus. Ein Oberteil trug ich ohnehin nicht. 

Die Tür ging auf und Lennox kam hinein. Er war total verschwitzt und trug seine Sportsachen. Unauffällig musterte ich ihn. Der Blick des Blondschopfs wanderte zu mir. Auch er musterte mich etwas, fing an zu grinsen und pfiff anerkennend. "Schlecht siehst du ja auch nicht aus."

"Äh... danke?" Ich zog eine Augenbraue hoch. Meinte er das ernst oder verarschte er mich nur? Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht ganz, was ich von dem Kerl halten sollte. Er nahm sich sein Handtuch und Waschzeug und verließ das Zimmer wieder. Leise seufzte ich. Ob ich mich mit ihm verstehen würde? Ich hoffte es, schließlich würde ich mir mein Zimmer mit ihm teilen müssen. Ich zog mir meine Skinny Jeans an. Sie war schon ziemlich alt, weshalb die Löcher im Stoff schon ziemlich weit aufgerissen waren. Ich streifte mir mein Top über und schlüpfte in meine Martens. Zufrieden lächelnd betrachtete ich mich im Spiegel. Wie sehr hatte ich es vermisst ich selbst zu sein! In den letzten Monaten trug ich fast nur Hemden und heile Hosen, da mein kleiner Bruder und ich von einem Gerichtstermin zum nächsten mussten. Ich fuhr mir durch die zerzausten schwarzen Haare, ehe ich nach meinem Tabak griff, welchen ich unter mein Kopfkissen gesteckt hatte. Da ich mir die Schulordnung noch immer nicht durchgelesen hatte, wusste ich nicht, ob ich rauchen durfte oder nicht. Also versteckte ich mein Drehzeug lieber. Nicht, dass mich jemand am Arsch kriegte und ich bestraft wurde. Ich verließ das Zimmer und ging in die Eingangshalle, wo ich mich eigentlich mit meinem neuen Kumpel treffen wollte. Aber er kam einfach nicht. Als er auch nach einer halben Stunde nicht auftauchte, beschloss ich, mich alleine um zu sehen. Vielleicht gabelte ich ihn ja noch irgendwo auf. Ich erhob mich von der Chesterfield Couch und verließ das Wohngebäude. Kurz sah ich mich um, entschied mich erstmal Richtung Schulgebäude zu gehen. Ich schob meine Hände in die Hosentaschen und lief gemütlich den Sandweg entlang, sah mich um. Das Gelände war riesig, das merkte man bereits, wenn man davor stand. Mein Blick fuhr zum Tor. Es stand offen genau wie am Tag zuvor. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man hier nicht eingesperrt war. 

Meine Schritte führten mich zum Sportplatz, neben dem sich auch drei Basketballfelder befanden. Es machten einige Schüler Sport. Andere saßen nur am Rand auf den Steinstufen und sahen zu. Mir fiel ein Junge auf, der ein paar Meter weiter an einem Baum lehnte. Ich konnte ihn nicht erkennen, da er seine Cap und Kapuze auf dem Kopf hatte und in die andere Richtung sah. Er schien recht klein zu sein, was aber auch täuschen konnte, da sein Pulli ihm viel zu groß war und er deshalb darin etwas verloren wirkte. Ich wollte gerade zu ihm gehen, als ich sah, dass Lennox auf ihn zukam, vor ihm stehen blieb und sich zu ihm runter beugte. Lautlos seufzte ich. Ich wollte kein Stress mit meinem Zimmergenossen, nur weil ich mich zu seinen Freunden gesellte oder der gleichen.  Also ging ich weiter. Ich lief über die weite Wiese, einmal um das Wohngebäude herum. Als ich um die Ecke bog und ich sah, was ich sah, stockte mir der Atem. Es war nicht so, dass ich etwas dagegen hatte... Nur hatte ich es nicht erwartet!

Robin lehnte an der Gebäudemauer, seine Hände vergraben in seinen Jackentaschen, die Augen geschlossen. Vor ihm kniete ein weiterer Junge. Er schien etwas jünger zu sein, trug einen Hut und lutschte an dem Schwanz meines Kumpels, der es zu genießen schien. Deshalb war er also nicht in der Eingangshalle erschienen. 

Im sicheren Abstand blieb ich stehen und holte mein Drehzeug aus der Hosentasche. Seelenruhig drehte ich mir eine Kippe und wartete, bis sie fertig waren. Stören wollte ich sie nicht. Das war keineswegs schlimm, wenn zwei Jungs etwas miteinander hatten. Mich störte sowas nicht. Jeder hatte seine eigenen Vorlieben und meiner Meinung nach war es auch gut so. Außerdem wäre es dumm von mir zu sagen, dass ich Homosexualität verabscheute, wenn ich doch selbst nicht wusste, auf welches Geschlecht ich stand. Denn wenn ich ehrlich war, machten Mädchen mich kein bisschen an. Verliebt war ich vorher auch in niemanden. Also wieso sollte ich mich da beschweren? Ich klemmte die Zigarette zwischen meine Lippen und steckte sie mir an, ehe ich das Feuerzeug wieder in die Hosentasche schob. Ich hörte Robin leise stöhnen. Danach sagte er irgendwas, was ich aber nicht verstand. 

"Wie lange stehst du hier schon?", fragte er mich schließlich, als die beiden zu mir kamen. Der andere war recht klein aber irgendwie total knuffig. Er sah mich aus seinen großen blauen Augen an. Unter seinem Hut guckten rote Haare hervor und Sommersprossen waren über sein Gesicht verteilt.

Ich zog an meiner Kippe und sah meinen Kumpel an. "Nicht wirklich lange, keine Sorge. Aber ich hab gesehen, dass er dir einen geblasen hat, ja." Ich zuckte mit den Schultern.

"Aber dich..."

"Nein, es stört mich nicht, mach dir keinen Kopf", sagte ich lächelnd. Meine Worte schienen ihn sichtlich zu erleichtern. Sein Arm hatte er um die Schultern des jüngeren gelegt. 

"Na ja... hättest du etwas dagegen, wärst du an einem Jungeninternat sowieso falsch. Ich mein... hier gibt es keine Mädchen und irgendwie muss Mann seine Bedürfnisse stillen. Und glaub mir... Irgendwann brachst du auch mal was anderes als deine Hand", lachte er.

Der kleine neben ihm kicherte und schlang seine Arme um Robins Taille. "Das ist übrigens Kyle. Kyle, das ist Cassian. Er ist neu an der Schule", stellte er uns einander vor. Kyle hielt mir grinsend seine Hand hin. Ich ergriff sie lächelnd. "Freut mich dich kennen zu lernen."

"Mich auch", sagte er. Seine Stimme passte total zu seinem süßen Aussehen. Ich konnte nachvollziehen, dass Robin ihn zu mögen schien. 

"Und tut mir leid, dass ich dich hab stehen lassen. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen", meinte mein Kumpel mit einem dämlichen grinsen. 

Ich lachte. "Ist kein Problem man. Mach dir keinen Kopf." Ich zog erneut an meiner Kippe, welche Robin mir dann aber aus der Hand nahm und selbst einen Zug nahm. 

"Ach ja... Hast du die Schulordnung schon gelesen?"

"Nö, bin noch nicht dazu gekommen."

"Rauchen ist für unter achtzehnjährige komplett verboten. Ab achtzehn ist es nur außerdem der Gebäude erlaubt", erklärte Robin.

"Na dann ist ja alles super."

Robin zog ein wenig verwirrt die Augenbraue hoch.

"Was denn? Ich bin schon achtzehn."

"Ehrlich?", fragte er total erstaunt.

Ich lachte. "Ja, auf wie alt hast du mich denn geschätzt?"

"Na ja so sechszehn siebzehn...", meinte er und rieb sich den Nacken.

Ich strich mir über die Wangen. "Dann hab ich mich ja ganz gut gehalten."

Kyle und Robin mussten lachen. "Spinner", meinte der größere und knuffte mich. "Habt ihr zwei hübschen Lust auf eine Runde Billard?"

"Klar, warum nicht?" Ich drückte meine Zigarette aus und zu dritt gingen wir ins Wohngebäude. Im Keller standen Tischtennisplatten, Billardtische und Tischkicker. Außerdem lief Musik. An den Wänden standen Sofas und Sessel, auf denen es sich einige Jungs gemütlich gemacht hatten. Es war etwas dunkler, was eine angenehme Atmosphäre aufkommen ließ. Direkt vorn an der Tür stand eine Bar, an der man sich selbst bedienen konnte. Um ehrlich zu sein, fand ich immer mehr Gefallen an der Schule. 

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt