Geschwisterliebe

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Cassian

Zimmer 3.35. Leise seufzte ich, ehe ich anklopfte.

„Verpiss dich, Robin!"

Ich schluckte schwer. Er weinte. Das wusste ich, das hörte ich. Ich wusste ganz genau, wie es klang, wenn er weinte. Und jedes Mal war es unerträglich. Ich lehnte meine Stirn an die Tür. „Ich bin's, Kleiner..."

Stille. Wie lang keine Antwort kam, wusste ich nicht. Es fühlte sich schrecklich lang an.

„Komm rein..." Seine Stimme zitterte und er unterdrückte sein Schluchzen.

Vorsichtig schob ich die Zimmertür auf. Er war allein, sein Zimmergenosse war nicht dort. Mein kleiner Karamellbonbon lag auf seinem Bett, sein Gesicht tief in dem Kopfkissen vergraben. Immer wieder zuckte er. Er weinte. Er schluchzte. Nur hörte man es durch das Kissen kaum.

Ich setzte mich an seine Bettkante, wusste nicht recht, was ich sagen oder tun sollte. Schließlich wusste ich gar nicht, was überhaupt los war. Wie lang ich einfach nur dort saß, konnte ich nicht sagen. Jegliches Zeitgefühl war weg. Sanft legte ich meine Hand auf den unteren Bereich seines Rückens. „Was ist los?" Ich betrachtete die Rückseite meines kleinen Bruders.

Keine Antwort.

„Ist etwas passiert?" Ich zupfte sein Hemd glatt. „In den Ferien? Mit Robin?" Wenn Robin irgendwas getan hatte, dann sollte er besser anfangen zu rennen.

Damon setzte sich auf, kniete neben mir und drückte das Kissen an seine Brust. Eine Augen waren glasig und rot und nun stille Tränen liefen unaufhörlich seine rosigen Wangen hinab. „Es liegt nicht an Robin." Mein Bruder zuckte unregelmäßig, wenn doch Schluchzer aufkamen.

„Wirklich nicht?" Meine Stirn legte sich in Falten. Damon drückte mit dem Finger zwischen meine Augenbrauen, wo immer diese Sorgenfalte auftauchte. Er schüttelte den Kopf. „Robin ist wirklich lieb zu mir." Der kleinere schniefte. Ich wischte ihm sanft mit meinem Ärmel die Tränen weg. Es fühlte sich an als wären wir fünf und acht und ich würde ihn trösten, nachdem er wieder einmal hingefallen war.

„Wirklich? Wenn nicht, dann mach ich ihn fertig."

Er lachte kurz auf, schüttelte den Kopf. „Robin ist toll. Ich glaub, er mag mich wirklich." Damon holte tief Luft, sah mich an.

„Aber?" Er weinte nicht wegen nichts. Das wäre mir neu.

Mein Bruder setzte sich neben mich und lehnte sich an meine Seite. Liebevoll legte ich meinen Arm um ihn.

„Wir verbringen so wenig Zeit miteinander...", murmelte er irgendwann.

„Aber wer klebt denn immer an seinem Freund, hm?"

„Das stimmt schon. Aber ich hab das Gefühl, dass du auch gar nicht mehr Zeit mit mir verbringen willst. Du bist mit deinen Gedanken irgendwie so weit weg. Dabei hängst du nicht einmal mit anderen Leuten herum. Du bist immer völlig weggetreten. Es... ist irgendwie wie damals..." Er schlang seine Arme fest um meine Taille.

Ich biss die Zähne zusammen. „Denk nicht mehr daran. Bitte..."

„Aber wenn du wieder so drauf bist, dann mach ich mir Sorgen, Cas."

„Brauchst du nicht, mir geht es gut."

„Und wieso wird dann geredet, dass du dich im Schwimmbad umbringen wolltest?"

Was zum...? „Das wollte ich nicht! Wirklich nicht!" Ich schob Damon von mir weg, packte ihn an den Schultern und sah ihn ernst an, blickte in seine erschrockenen Augen. „Ich wollte das wirklich nicht. Selbst wenn der Typ nicht aufgetaucht wäre, wäre ich dort nicht verreckt, okay? Ich bin nur ein paar Bahnen geschwommen und hab ein wenig getaucht. Ich wollte mich wirklich nicht umbringen, bitte glaub mir das."

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt