Reden hilft manchmal wirklich

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Cassian

Nach und nach verstaute ich meine Klamotten in meinem Koffer. Es war ein so merkwürdiges Gefühl. Dies würde das erste Mal nach meiner Ankunft hier sein, dass ich meine Taschen packte, um abzureisen. Doch ging es für mich nicht in die Ferien wie für die meisten hier. Nein, für mich ging es tatsächlich nach Hause. Für immer. Irgendwie hatte ich die Abschlussprüfungen bestanden, die pompöse Abschlussfeier überlebt.

Die meisten Schüler waren bereits abgereist, es war ziemlich leer auf den Fluren des Wohngebäudes. Ich genoss diese Stille. Es war merkwürdig. Eigentlich wollte ich nie hier sein. Und dennoch war dieser Ort mein Zuhause geworden. Meine neue Familie. Neue Freunde. Gerade hatte ich mich wohl gefühlt und im nächsten Augenblick musste ich Abschied nehmen.

Seufzend ließ ich mich auf das noch bezogene Bett sinken. Nie wieder würde ich in diesem Bett schlafen. Jemand anderes würde in dieses Zimmer umziehen.

Mein Blick glitt zu Lennox' Bett rüber. Auch er hatte seinen Abschluss geschafft und sich bereits für immer von diesem Ort verabschiedet. In den letzten Wochen hatten wir uns wirklich gut verstanden. Freunde würden wir wohl nie werden. Aber wir kamen klar und würde es Krieg geben, würden wir auf der selben Seite kämpfen.

Ich schloss die Augen und atmete die Internatsluft ein. Dieser Ort hatte mich wahrscheinlich vor dummen Dingen bewahrt, die ich nicht mehr hätte bereuen können, weil es mich vielleicht nicht mehr gegeben hätte.

„Ich dachte, die wärst auch schon weg...", murmelte ich mit geschlossenen Augen, als ich seine Anwesenheit spürte.

„Als ob ich fahren würde, ohne mich von meinem Freund zu verabschieden."

„Na ja wir hätten uns ja in ein paar Tagen gesehen."

„Trotzdem." Die schmächtige Gestalt setzte sich rittlings auf meine Hüfte, ehe sie sich hinab beugte und mich liebevoll küsste. „Ich könnte nicht gehen, ohne Tschüss zu sagen. Idiot."

Ich schmunzelte, schlang meine Arme um ihn und zog ihn endgültig zu mir runter, sodass er auf mir lag. „Bei dir wäre ich mir da nicht so sicher."

Er knuffte mich, schmiegte sich dann aber eng an mich. „Kann ich nicht einfach mitkommen?"

Ich schüttelte den Kopf. „Du machst erst brav deinen Abschluss. Keine Widerrede."

Er sah mich an. „Und du vergisst mich auch nicht, wenn du so viel um die Ohren hast?"

„Wie könnte ich dich jemals vergessen?"

Milo schenkte mir sein wunderschönes Lächeln, ließ seine Hand über meine Brust gleiten.

„Außerdem besuchst du mich doch oder etwa nicht?" Ich strich ihm eine weiße Strähne aus dem Gesicht.

Er nickte und küsste mein Kinn. Seine Lippen wanderten meinen Hals hinab, hinterließen Spuren. Gänsehaut. Mein Herz begann zu hämmern. Panik. „Milo, n... n-nicht..."

Noch immer hatten wir nicht... Und den Arsch in der Hose, um mit ihm darüber zu reden, hatte ich auch noch nicht gehabt.

Mein Freund setzte sich auf, verschränkte die Arme vor der Brust. „Wieso willst du nicht, dass ich dich anfasse? Bin ich so eklig?"

Oh Gott, ich fühlte mich schrecklich! Sanft legte ich meine Hände an seine Oberarme, doch schüttelte er sie ab. „Milo..."

„Ja, was denn? Wie lange sind wir jetzt zusammen?" Er schien wirklich wütend zu sein.

Ich versuchte meine Worte zu sammeln. Es fiel mir so verdammt schwer, darüber zu reden.

Mein Freund stieg von meinem Schoß und lehnte sich eingeschnappt gegen die Wand. „Ist es, weil ich schon andere vor dir hatte? Hast du Schiss, das ist irgendwas hab? Ich bin sauber, das kann ich dir ärztlich belegen!"

Ich wedelte mit den Armen. „Stop, hör auf damit!" Ich setzte mich an die Bettkante. „Es liegt nicht an dir. Wirklich nicht! Ich vertrau dir, wirklich!" Ich fuhr mir über das Gesicht. „Ich bin einfach komisch und verklemmt. Denke ich..."

„Verdammt, dann sprich mit mir!" Ich konnte ihm nicht übel nehmen, dass er so wütend war. Enttäuscht. „Außerdem hattest du auch Sex mit diesem... Typen. Wieso dann nicht mit mir?" Seine Stimme brach.

„Bitte, hör auf damit." Ich fuhr mir durchs Haar. „Milo, i-ich... Ich hab Angst, dass ich dir nicht geben kann, was du brauchst. Keine Ahnung, dass es dir mit mir vielleicht nicht gefällt. Oder ich es eben nicht... so lange aushalte..." Mir war es so unangenehm darüber zu reden.

„Woher soll ich denn wissen, ob es mir mit dir gefällt, dass du mich nicht an dich ran lässt? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es mir nicht gefällt." Seine Stimme zitterte. Ich hatte ihn zum weinen gebracht. Das war ein schreckliches Gefühl.

„Ich hab halt keine Erfahrung, ich weiß doch nichtmal so richtig, was mir selbst gefällt."

„Dann finden wir es eben heraus. Gemeinsam!"

„I-Ich brauch aber etwas mehr Zeit, denke ich..."

„Das ist doch okay, Cassian." Er schniefte. „Du hättest mir doch was sagen können. Es ist doch okay, dass du noch Zeit brauchst. Dann hätte ich dich doch gar nicht so damit bedrängt." Er kroch zu mir rüber, schlang seine Arme um mich. „Das ist auch nichts, wofür du dich schämen müsstest oder so. Ich hätte es einfach nur gern vorher gewusst."

Ich nickte leicht. Womit hatte ich diesen Jungen nur verdient? „Es tut mir leid, Milo..."

„Schon okay, Baby." Er küsste meine Schulter. „Wie haben doch alle Zeit der Welt."

„Danke..." Ich lehnte mich an ihn, atmete tief durch. „Tut mir leid, dass ich nichts gesagt hab."

„Schon okay."

Dieser feste Griff um meine Brust hatte sich ein Stück weit gelockert und ließ mich besser atmen. Robin hatte wohl recht gehabt. Reden konnte wirklich gut tun. Das sollte ich öfter probieren. „Milo?"

„Hm...?"

„Hab bitte Geduld mit mir..."

„In Ordnung, Cassian."

„Danke." Ich lehnte meinen Kopf an seinen.

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt