Eifersucht

1.8K 159 27
                                    

Cassian

Leere Gänge. Meine eigenen Schritte hallten wider. Es war kühl geworden. Der Regen beherrschte Nächte und Tage. Die lange Schuluniform gefiel mir.

Fast leere Gänge. Meine eigenen Schritte und die Schritte eines anderen hallten wider. Schnelle Schritte. Sie kamen mir entgegen. Sie wurde immer und immer schneller. Kamen näher. Die Schritte des anderen hatte ich sofort erkannt.

Schmächtige Hände legten sich um mein Gesicht, zogen meinen Kopf ein Stück weit hinunter. Blicke trafen sich. Zwei verschiedene Augenfarben. Wie schön ich sie fand. Doch sie sahen anders aus. Rote Ränder, glasig. Ich machte mir Sorgen.

„Milo?"

Seine Unterlippe zitterte.

„Was hast du denn, Milo?" Mein Herz zersprang, als eine Träne über seine Wange rollte.

Er wandte kurz den Blick ab, ehe er mich erneut anstarrte. Trauer und Wut funkelten in seinen schönen Augen. „Wieso tust du das...?"

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Was meinst du?"

Sein Griff um mein Gesicht wurde fester. „Wieso schläfst du mit diesem Bastard?" Er biss beim Reden die Zähne zusammen, dennoch zitterte seine Stimme.

„Was zum...?"

„Wieso mit ihm? Wieso er, hm?" Er klang so wütend. Irgendwie verletzt.

„Milo...?" Er jagte mir Angst ein. Sanft legte ich meine Hände auf seine.

„Wieso gehst du zu diesem Wichser?" Eine seiner Hände glitt in meine schwarzen Haare, die so einen starken Kontrast zu seinen weißen bildeten. Er zog mich an ihnen noch dichter zu sich. „Wieso, Cassian?"

Ich wusste nicht, was ich hätte darauf antworten sollten. Schließlich verstand ich nicht, wieso er plötzlich etwas dagegen hatte. Zuvor schien es ihm nichts ausgemacht zu haben. Monate hatte er nichts dagegen gesagt. Ich hätte vielleicht damit aufgehört, wenn er mich darum gebeten hätte. Nein. Nicht vielleicht. Ganz bestimmt hätte ich damit aufgehört. Ein Wort hätte gereicht.

„Wieso er?" Ein Schluchzer erschütterte seinen zierlichen Körper. „Wieso willst du ihn? Wieso nicht mich...?"

Meine Hände umschlossen nun auch sein Gesicht. „Milo..." Ich wischte ihm liebevoll die Tränen weg. „Du hast einen Freund, Milo." Ich sprach leise und ruhig.

„Das kann man doch ändern...", schniefte er und zog leicht an meinen Haaren.

„Ich will mich nicht zwischen euch drängen." Obwohl ich wusste, dass der kleine sich nicht mehr wohl bei seinen Freund fühlte.

Er schüttelte den Kopf. „Du sagtest, es wäre jemand da, der mich glücklich macht."

Ich betrachtete ihn. Um ehrlich zu sein, hatte ich nie gedacht, dass er sich meine Worte tatsächlich zu Herzen nahm.

„Aber wo bist du denn, wenn ich dich brauche?" Er schluchzte leise. „Bei diesem Scheißkerl. Machst ihn glücklich. Aber wieso nicht mich?"

„Milo... I-Ich wusste doch nicht..."

Er sah mich an. Tränen liefen. „Es tut weh... dich mit diesem Kerl zu sehen. Mir gefällt das nicht. Cassian, ich will nicht, dass du jemand anderes hast." Er schniefte und sein Blick wurde fester. „Ich will, dass du mich hast. Mich und niemanden sonst. Du sollst mir gehören!" Er schrie es, sodass ich Angst hatte jemand hörte es. Der Junge, der mein Haar so fest im Griff hielt, erinnerte mich in jenem Augenblick an ein trotziges Kind, dessen Süßigkeiten man einem anderen gab.

„Ein Wort, Milo. Du hättest nur ein Wort sagen müssen", hauchte ich. Unsere Gesichter waren sich so nahe, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. „Ein Wort, dass du es ernst meinst und es nicht nur ein Spiel ist. Ein Wort, dass es dir etwas bedeutet. Ein Wort, dass ich derjenige sein soll, der dich glücklich macht. Milo, es wäre so leicht gewesen..." Ich wischte seine Tränen mit meinem Ärmel trocken. „Ich wäre sofort bei dir gewesen."

Seine Finger krallten sich weniger in mein Schopf. „Wirklich...?"

Ich nickte leicht, streichelte seine Wange. „Wirklich." Mir schlich ein Lächeln über die Lippen. Ihm war es schlecht ergangen, weil er wusste, dass ich mit jemand anderes schlief. Er war eifersüchtig. Milo wollte, dass ich ihn glücklich mache. „Du bist ein komischer Kerl..."

„Halt die Klappe." Er sah mich an.

Ich schüttelte den Kopf. „Eines muss ich dir noch sagen." Sachte schob ich ihn von mir. „Glaub mir, ich hab mir nichts mehr gewünscht als zu wissen, dass du mich willst. Nichts mehr gewünscht als deine Nähe, deine Berührungen." Ich nahm seine Hände von mir und hielt sie sanft in den meinen. „Aber ich werde dir nicht näher kommen, solang du noch mit Lennox zusammen bist. Und jetzt sag nicht, dass er es ja nicht wissen muss. Er würde es irgendwann herausfinden. Ich hab keine Lust auf ein Versteckspiel. Und ich will sicher sein können, dass du nicht weiter in seinem Bett liegst. Oder in den Betten von anderen. Wenn du nicht bereit dafür bist, dass ich der einzige bin, dann sag ich dir, dass ich der falsche bin. Ich teile dich mit niemandem, wenn du dich für mich entscheidest. Denk darüber nach. Es liegt allein bei dir, Milo."

Er sah mich sprachlos an. War ihm noch immer nicht klar, dass ich ihn nicht dabei unterstützen würde, einen anderen zu betrügen? Ich dachte, das hätte ich inzwischen deutlich genug gemacht. Ein Nicken. „Du hast ja Recht", nuschelte er und wischte sich über das Gesicht. Die gerötete Haut stand ihm gut. Sogar beim Weinen war er wunderschön. Dennoch wollte ich dafür sorgen, dass er nicht mehr weinen musste. Und wenn dann nur vor Freude.

„Außerdem kannst du nicht von mir verlangen, dir allein zu gehören, wenn du nicht auch nur mir allein gehörst."

„Ich weiß... Für eine offene Beziehung bin ich viel zu eifersüchtig...", gab er leise zu und sah mich an. „Tut... tut mir leid."

„Was tut dir leid?"

„Alles... irgendwie." Er holte tief Luft, streckte ein wenig seine Arme nach mir aus. „Krieg ich trotzdem eine Umarmung? Auch wenn ich noch nicht mit Leni geredet hab?"

Er sah so süß aus. Augenblicklich hatte ich seine Eisbärpuschen vor Augen. Liebevoll schlang ich meine Arme um den Jungen. „Versprichst du mir weiterhin ein kleines bisschen eifersüchtig zu sein?", fragte ich, während ich ihn an mich drückte. „Das ist echt knuffig..."

„Halt die Klappe", brummte er in meine Schulter.

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt