Abweisungen

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Cassian

Er hatte es nicht ernst gemeint. Es waren nichts als leere Worte. Er wolle mich kennenlernen. Ich wollte ihm wirklich glauben. Ich hatte es ihm wirklich abgekauft. Oh wie sehr ich mir wünschte, dass er es wirklich so gemeint hätte. Ihn kennenlernen. Ihm näher kommen. Sein Bekannter werden. Sein Freund. Ja vielleicht sein Liebhaber. Oh wie schön dieser Gedanke war. Aber nein, das alles würde nie passieren. Niemals. Er hatte es nur dahin gesagt. Nach wie vor spielte er nur mit mir. Seine kleinen Spielchen, die nur ihm Spaß machten, weil nur er die Regeln kannte. Es tat so unglaublich weh. Er war es, der mein Herz zusammengesetzt hatte, nachdem er es selbst zerbröselt hatte. Das alles nur, damit er es erneut zerbröseln konnte. Kleine Krümel. Scherben. Splitter. Splitter, die sich so tief in mein Inneres bohrten. Ich lag erneut blutend am Boden. Wimmernd wie ein verletztes Reh. Mein Vertrauen? Verspielt. Ein nächstes Mal würde es nicht geben, ganz sicher nicht.

Milo stand allein an die Mauer gelehnt dort und sah mich direkt an. Er sah, dass ich auf ihn zukam. Sein Blick ließ mich keine seiner Emotionen deuten. Ich konnte ihn nicht lesen. Kurz bevor ich bei dem Jungen ankam, wandte er sich ganz demonstrativ ab und ging hinüber zu seinem Freund, der gerade die Sporthalle verließ. Völlig übertrieben warf er sich ihm um den Hals und küsste ihn. Und als wäre dies nicht genug gewesen, sagte er Lennox, wie sehr ich ihn doch nervte und ihm angeblich die ganze Zeit hinterher laufen würde. Dies war nur eine der vielen Situationen, in denen er Kleine mir seine kalte Schulter gezeigt hatte. Er ließ mich links liegen.

„Wo starrst du denn die ganze Zeit hin?", fragte Robin und stieß meinen Arm an, auf welchen ich meinen Kopf gestützt hatte.

„Hm?"

„Du starrst so... keine Ahnung eine Mischung aus traurig und grimmig in irgendeine Richtung." Er drehte sich um und folgte meinem Blick. Dort saßen Milo und Lennox an ihrem Stammplatz, umzingelt von Lennox' Freunden. „Habt ihr euch gestritten oder so?"

„Was? Nein..." Ich sah auf meinen Teller und stocherte in meinem Essen herum. Seit der Sache in der Gemeinschaftsdusche, hatte der Junge mit den weißen Haaren kein einziges Wort mit mir gewechselt. Sogar in Situationen, in denen keine Menschenseele in unserer Nähe war. In der Gegenwart meines Mitbewohners konnte ich seine Reaktion auf mich schon nachvollziehen. Aber selbst wenn wir allein waren, wandte er sich gelangweilt ab und ließ mich einfach stehen. Er ignorierte mich. Dieser Typ. Er machte mich so unglaublich wütend. Und traurig. Und Herrgott er war mir ein verdammtes Rätsel. Wieso verhielt er sich so? Wieso sagte er Dinge, die er nicht so meinte? Wieso? Wieso? Wieso verdammt?

„Cassian, du tust es schon wieder!" Mein Kumpel stieß mich erneut an.

Ich schnaubte und sah Robin an. „Du weißt doch über jeden Bescheid. Was weißt du über Milo?" Ich presste meine Zähne aufeinander und legte meine Gabel neben den Teller.

„Milo?" Er sah mich merkwürdig an. „Wieso willst du etwas über Milo wissen?"

„Wieso denn nicht?"

Robin fuhr sich seufzend durch die schokobraunen Haare. „Alter, ich sag das nicht oft. Grundsätzlich kannst du dich ja interessieren für wen du willst. Aber lass deine Finger von dem kleinen Schoßhündchen." Er beugte sich zu mir rüber. „Egal wie unschuldig er aussieht. Glaub mir, er ist es nicht. Und Lennox kennt keinen Spaß, wenn es um seinen kleinen Milo geht."

Mein Blick wurde noch grimmiger.

„Dude, ich meine es Ernst. Lass es einfach. Verlier nicht dein Herz an ihn. Okay, ich gebe zu, ich weiß so gut wie nichts über ihn. Aber ich weiß, was mit den Typen passiert ist, die den Flo gefickt haben. Glaub mir, Lennox prügelt dich ins Krankenhaus, wenn er erfährt, dass du Milo angefasst hast."

Ich knirschte mit den Zähnen. Verlier nicht dein Herz an ihn. Toller Rat. Den hätte ich früher gebraucht, fürchte ich.

„Was ist denn mit dir los?", fragte mein kleiner Bruder, der sich mit seinen Teller neben seinen Lover setzte und ihm mit einem innigen Kuss guten Tag sagte.

Wütend erhob ich mich und griff meinen Teller, ehe ich abdampfte. Die beiden verliebten Täubchen konnte ich mir wirklich nicht geben.

„Was ist denn mit dem los?", hörte ich Damon nur noch fragen.

Und seine Blicke. Seine eiskalten Blicke. Sie folgten mir hinaus. Genau wie zu Beginn. Ich hielt es nicht aus. Es zerbrach mich. Wieso tust du mir das an? Oh du Teufel, der einen Engel im Herzen trug, was sind deine Absichten? Folterst du jeden, den du interessant findest? Lernst du so die Menschen kennen? Oh wieso nur nahmst du mich zum Opfer? Dabei wollte ich nie mit dir spielen. Also wieso zwingst du mich dazu? Und wieso zogen sich deine Fesseln immer fester und fester, sodass ich nicht wegkonnte? Wieso versuchte ich nicht, sie zu lösen? Wieso genoss ich diesen Schmerz, den du in mir verursachtest?

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt