Cassian
Regentage. Regentage machten es Zuhause besonders gemütlich. Man konnte ruhigen Gewissens daheim bleiben und ein Buch lesen. Einfach im Bett liegen bleiben. Lange Baden. Viel essen. Einfach nichts tun und entspannen. Allein trinken. An Regentagen war das alles okay. Und deswegen liebte ich diese Regentage so sehr. Ich lag auf meinem Bett und zeichnete, während ich dem Regen lauschte, der so beruhigend gegen das Fensterglas prasselte. Lennox war nicht da, weshalb ich das Zimmer für mich allein hatte. Es war okay, allein zu sein. Kurz nachdem ich Damon und Robin miteinander erwischt hatte, waren sie dauernd am turteln und hingen immer aneinander. Deshalb verabredete ich mich mit Robin eher spontan, wenn es überhaupt dazu kam. Bei meinem Bruder verhielt es sich genauso. Ansonsten blieben nicht viele übrig, mit denen ich mich gern außerhalb der schulischen Angelegenheiten treffen wollen würde. Nun zugegeben: eine Person gab es. Aber dazu würde es nicht kommen. Es war okay.
Ich rappelte mich auf und streckte mich ausgiebig, ehe ich mir mein Handtuch und mein Duschzeug zusammensammelte und mich auf den Weg zu den Gemeinschaftsduschen auf unserem Gang machte. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt. Außerdem hatte ich mir sowas wie einen Duschplan erstellt und ging immer dann duschen, wenn kaum ein anderer auf die Idee kam. Zugegeben nun handelte es sich um eine spontane Idee. Mir war einfach danach.
Ich hängte mein Handtuch an einen Haken und zog mich komplett aus. Es war sonst niemand in den großen Raum. Genau wie das komplette Gebäude, wirkten die Duschräume ebenfalls alt und dennoch auf seine Art luxuriös. Ich watschelte über die Fliesen und schaltete das Wasser ein. Kaltes Wasser. Seit dem Brand unseres Hauses, war ich nicht in der Lage heiß duschen zu gehen. Meine Finger glitten über meinen vernarbten Unterarm. Denn es war jedes Mal, als würde ich das Feuer erneut auf meiner Haut spüren. Es war, als würde ich verbrennen. Wie damals im Haus. Manchmal kam der Gedanke auf, dass ich damals besser ebenfalls völlig zu Asche geworden wäre. Es war grausam, sowas zu denken. Aber ich konnte nichts dagegen tun.
Seufzend stützte ich mich gegen die geflieste Wand. Jedes Mal könnte ich mir für diese Gedanken eine verpassen. Schließlich war Damon noch bei mir und ihn würde ich niemals im Stich lassen. Ich musste stark bleiben. Für meinen kleinen Bruder. Stumme Tränen liefen über meine Wangen, welche sich mit dem Wasser aus der Dusche vermischten.
Plötzlich glitten zarte Hände über meine Seiten, ehe sich schmächtige Arme um meinen Bauch legten. „Duschst du immer so kalt?", wurde ich leise gefragt. Ein wohliger Schauer lieg mir beim Klang dieser herrlichen Stimme über den Körper. Was tat er hier? Ich nickte leicht.
Eine der beiden Hände fuhren zum Wasserhahn. Rasch hielt ich sie fest. „N-nicht...! Bitte..."
„Warum?" Er legte sein Gesicht an meinen Rücken.
„I-Ich kann nicht..."
Er ließ von mir ab und stellte sich vor mich, damit ich ihn ansah. Sanft streichelte er über meine Brandnarbe am Unterarm. „Deswegen?"
Ich nickte leicht und biss mir auf die Unterlippe.
Er schien zu verstehen, streichelte meine Wange. „Aber dir passiert doch nichts?"
„Ich hab trotzdem Angst", gab ich flüsternd zu.
„Und wenn wir nur ein bisschen...?" Er drehte vorsichtig das Wasser wärmer.
Ich verkrampfte mich. „Milo, bitte..."
Er legte seine Arme um mich und schmiegte sich an meinen Körper. Haut auf Haut. Das warme Wasser lief über unsere nackten Gestalten.
„Lass mich dich kennenlernen, Cassian", flüsterte der kleinere gegen meine Brust.
Oh... Wollte er das wirklich? „Aber warum?"
„Du bist interessant." Er blickte zu mir auf und schenkte mir ein Lächeln. „Du... bist der erste, der mich abgewiesen hat. Andere... haben die von mir angebotene Situation schamlos ausgenutzt, obwohl hier alle wissen, dass ich mit Lennox zusammen bin. Du scheinst anders zu sein. Ich möchte mehr über dich erfahren."
Ich konnte nicht recht glauben, was er da sagte. „Meinst du das ernst?"
Er nickte und streichelte meine Wange. Ich schmiegte mich an seine Hand, legte meine auf seine. „Ich würde dich auch unglaublich gern kennenlernen", hauchte ich und betrachtete den Jungen.
Er lächelte mich an. Er lächelte. Und dieses Lächeln galt nur mir. Mir allein. Es gehörte mir. Ein unbeschreibliches Gefühl.
„Du hast es nicht bemerkt oder?"
„Hm?" Ich zog eine Augenbraue hoch.
Er deutete auf den Wasserhahn. Es lief warmes Wasser. Warm. Wärmer. Am wärmsten. Und ich hatte es wirklich nicht bemerkt. „Siehst du? Du brauchst keine Angst zu haben."
Ich konnte nicht sagen, wie lang wir zusammen duschten. Der Raum glich einer Sauna und unsere Haut war längst schrumpelig. Wir standen einfach da und hielten uns in den Armen. Wir schwiegen. Es war ein schönes schweigen. Wir küssten uns nicht. Wir hielten uns einfach nur fest. Im Grunde passierte rein gar nichts. Und dennoch fühlte ich mich so unglaublich befriedigt, als ich allein in mein Zimmer zurückkehrte.
Mir war klar, dass es nicht gut war. Schließlich war er mit Lennox zusammen und lag mir dennoch nackt in den Armen für eine halbe Ewigkeit. Aber wie konnte sich so etwas falsches so unbeschreiblich richtig anfühlen?
Ich sank immer tiefer und tiefer und tiefer... Und ich ertrank.
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Milo [boyxboy]
RomanceCassian Jacques und sein kleiner Bruder Damon werden nach dem Tot ihrer Eltern in ein Jungeninternat geschickt. Als jedoch der Freund seines Mitbewohners ihr Zimmer betritt, ist es um Cassian geschehen. Der kleine Milo hat sein Interesse geweckt, do...