Ertrinken

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Cassian

Alles war so schwerfällig. Ich fühlte mich nicht wohl. Mir ging es nicht gut. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es mir besser ging, wenn er in der Nähe war oder nicht. Seine Blicke taten weh. Allerdings tat es ebenfalls weh, wenn er mich nicht ansah. Ich wollte nicht, dass er mich ansprach, weil es mir das Herz zerriss. Dennoch zerbrach es ein bisschen mehr, wenn er wieder kein Wort an mich richtete. Wieso war ich diesem Menschen so sehr verfallen? Wir kannten einander nicht. Zwei schöne, ja perfekte Momente hatten wir miteinander verbracht. Aber mehr war da nicht. Er hatte einen festen Freund und sogar Robin warnte mich vor ihm. Wieso denn nur konnte ich an nichts anderes mehr denken?

Ich stieß mich am Boden ab und schwamm hinauf zur Wasseroberfläche, wo ich nach Luft schnappte. Keuchend wischte ich mir die nassen Haare aus dem Gesicht. Die Ferien waren angebrochen und mir war nicht danach irgendwohin zu fahren. Es war kein Problem im Internat zu bleiben, während der freien Tage. Und es war ebenfalls kein Problem, sich den Schlüssel für die Schwimmhalle bei einem der Betreuer zu schnorren.

An das Grundstück meiner Eltern grenzte ein See, in dem ich von Frühling bis Herbst jeden Morgen meine Bahnen geschwommen bin. Es hatte immer gut getan und mir geholfen, den Kopf frei zu bekommen. Natürlich war diese Schwimmhalle nicht vergleichbar. Dennoch genoss Ich es sehr. Das Wasser war nicht besonders warm, was mir jedoch sehr gelegen kam.

Ich ließ mich auf der Wasseroberfläche treiben und schloss die Augen. Das Wasser rauschte angenehm in meinen Ohren. Ansonsten Stille. Und ich genoss es. In letzter Zeit war mir nicht wirklich nach Gesellschaft. Deshalb kam es mir sehr gelegen, dass mein kleiner Bruder zu Robin nach Hause gefahren war. Die beiden waren kaum auszuhalten. Was mich allerdings am meisten nervte, waren Damons giftigen Blicke, wenn ich mal wieder zu Milo hinüber sah. Keine Ahnung, was er damit bezwecken wollte.

Ich drehte mich um und schwamm ein paar Bahnen. Meine Haut war bereits schrumpelig und dennoch wollte ich noch nicht raus. Schrumpelige Haut. Die hatten wir auch, als wir zusammen duschen waren. Seine zarten Hände. Sein helles Haar, das nass in sein Gesicht hing. Sommersprossen. Heißes Wasser. Ohne ihn war es unerträglich. Mit ihm pures genießen. Was konnte ein kleiner Mensch nur mit jemandem anrichten? Wie eine Sirene hatte er mich zu sich gelockt und umhüllte mich mit seinem lieblichen Gesang, nur um mich anschließen sterben zu sehen. Oh es war so grausam. Ich hatte mich an den Mast meines Schiffes gebunden, um seiner lieblichen Stimme zu lauschen. Es war grausam und doch so wunderschön. Die eisige See peitschte mir ins Gesicht. Es fühlte sich an wie erfrieren, während ich den wunderschönen Todesklängen lauschte. Mein Schiff lief auf Grund und Wasser drang ein. Es sank. Es sank und sank immer tiefer und tiefer. Und ich war noch immer an meinen Mast gebunden und lauschte. In einen rosafarbenen Schleier gehüllt sank ich mit meinem Schiff. Meine Lungen füllten sich mit Wasser. Es tat so weh, doch war ich noch immer betäubt von der Musik. Ich bekam keine Luft. Aber das war mir egal, denn ich fühlte Dinge, die ich nie gespürt hatte. Ich ertrank. Langsam aber sicher. Ich ertrank. Qualvoller Tot. Ich ertrank. In seinen Armen liegen. Ich ertrank. Der, der mich tötete. Ich ertrank. Würde er um mich weinen? Ich ertrank. Würde er mich vermissen? Ich ertrank. Oh ich wünschte es mir so sehr. Ich ertrank. Lag er gerade in den Armen eines anderen? Ich ertrank. So sehr wünschte ich mir, es wären meine Arme, die seinen schmächtigen Körper umschlangen. Ihn halten. Ihn küssen. Ihn berühren. Seiner Stimme lauschen. Sein Lachen hören. Ihn lächeln sehen. Oh ich wünschte, er wäre mein.

Ich ertrank...

Milo [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt