Gezwungen - 14. Kapitel

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Sorin und Lia waren sich sehr ähnlich. Sie hatten viele gleiche Charakterzüge, weshalb sie es auch nicht schafften, sich auszusprechen und sich zu verzeihen. Elisei und Sorin brachen morgens auf, ohne Lia zu wecken und sie hatte es mittlerweile aufgegeben. Das Geld reichte hinten und vorne nicht, der Vorschuss durch den gestohlenen Schmuck schrumpfte immer mehr in sich zusammen, aber das wollte Sorin sich nicht eingestehen. Selbst in solch armen Verhältnissen regierte der Stolz. Aber Lia war nicht dumm und sie wusste, dass irgendwann das Geld weg sein würde. Zudem wollte irgendetwas in ihr beweisen, dass sie ebenfalls für ihre Familie sorgen konnte und kein weinerliches Mädchen war. Tagsüber machte sie sich auf den Weg in die Stadt und fragte bei allen möglichen Restaurants und Kneipen an, ob sie noch eine Bedienungskraft brauchten. Ohne Erfolg. Die meisten kulinarischen Lokale konnten sich vor Anfragen kaum mehr retten, die Fachkräfte waren nicht besser bezahlt, als ihr alter Job, und wenn die Chefköche sie sahen, verdreckt und verwahrlost, wollten sie ihr nicht mal eine Chance geben. Zudem hatte sie keinerlei Erfahrungen vorzuweisen. Und so landete sie schlussendlich wieder bei Toma. Sorin versuchte nicht, sie aufzuhalten, als sie sich eines Abends wieder auf den Weg machte. Licas sah sie mit großen Augen an, als sie wieder an die Hintertür klopfte. Lia zuckte nur traurig mit den Schultern. Vielleicht war das hier ja ihre Bestimmung, das einzige, das sie wirklich konnte. Sie hatte versagt, in jeglicher Beziehung. Nicht mal eine gute Schwester hatte sie sein können.

Toma regte sich fürchterlich auf. Lia ließ es über sich ergehen. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie ihrem Job nach, während sie in Gedanken nur bei einer Person war. Sie dachte daran, was wäre, wenn er nun bei ihr wäre. Was er sagen oder tun würde. Was er in ihr auslösen würde.
Ihr Kunde wollte zwar nur mit ihr schlafen, aber sie fühlte sich dennoch erdrückt, bekam kaum Luft, erstickte fast an dem Kloß in ihrem Hals. Licas hatte gemeint, sie solle kämpfen. Aber wie, ohne Waffen? Wie, wenn man den Mut und die Hoffnung verloren hatte?
Als er schlief, zog sie sich leise an und verließ das Zimmer. Gegenüber war es noch lange nicht ruhig. Lia zuckte zusammen, als etwas von innen gegen die Tür knallte und sie Virginia aufstöhnen hörte. Ihr machte ihr Job Spaß, sie machte das gerne, hatte es schon immer gerne getan. Es wäre falsch zu glauben, dass die beiden irgendetwas verband. Ginny verstand Lia nicht und Lia verstand Ginny nicht, deshalb würden sie wohl auch nie so etwas wie Freundinnen sein.
Lia seufzte und wandte sich zur Treppe. Sie knarrte, aber den Betrunkenen, die mit Virginia und Lia zu den Zimmern hinauf wollten, machte das nichts aus. Im Schankraum war niemand mehr. Sie bezweifelte, dass Toma sie gerade heute bezahlen würde, hatte zudem keine Energien mehr, es auf einen Streit ankommen zu lassen und wollte gerade in den Flur einbiegen, der zum kleinen Umkleideräumchen führte, als er ihren Namen aus der kleinen Kammer hinter der Bar rief, in der er den Alkohol und die Getränke lagerte. Sie erstarrte. So naiv zu glauben, dass er ihr doch Geld geben wollte, war sie nicht.
„Lia, kommst du mal?“ Toma kam aus dem Räumchen und winkte sie heran. Ihr blieb nichts anderes übrig, als seiner Anweisung zu folgen. „Du warst also der Meinung, du könntest einfach mal so zwei Wochen schwänzen, was?“ Liana antwortete nicht. „Oder meinst du, es wäre dir erlaubt, nur weil du ein paar blaue Flecken hattest? Weißt du, dein Job ist besser, als die meisten Straßenratten von ihrem behaupten können. Aber anscheinend sind sehr viele der Meinung, sie müssten was Anständiges arbeiten. Sie müssten mit sich im Reinen sein. Aber ich sag dir mal was: Aus diesem Loch kommt man sowieso nicht mehr raus, und wenn man dann verreckt, ist es egal, ob man die halbe Stadtbevölkerung in 'nem Restaurant bedient oder in 'ner Bar gefickt hat. Klar?“
Lia nickte. Sie hatte auch keine andere Wahl.
„Gut, zieh dich aus.“
In ersten Moment reagierte sie nicht. Sie hoffte, sich verhört zu haben, aber wenn sie ehrlich war, hatte sie damit bereits gerechnet.
„Los, mach schon.“
Mit langsamen Bewegungen entledigte sie sich dessen, was sie anhatte, was sowieso nicht viel war.
„Na also, geht doch.“ Er legte seine Hände auf ihre Brüste und strich über ihren Körper. In solchen Momenten wurde Lia bewusst, dass Körper und Geist verschiedene Dinge waren. Während ihr Geist sich am liebsten übergeben hätte, reagierte ihr Körper auf jegliche Berührungen, was leider auch Toma bemerkte, als er mit einer Hand zwischen ihre Beine fuhr. „Siehst du?“, meinte er und grinste dreckig, „hier werden sogar noch deine körperlichen Gelüste gestillt. Was willst du mehr? In dieser Beziehung sind wir Menschen doch alle gleich. Und jetzt auf die Knie.“ Lia widersprach nicht. Bei Toma hatte es sowieso keinen Sinn. Längst war sie zu Gehorsam übergegangen. Er öffnete seine Hose und zwang sie, ihn zu befriedigen. Sie bezweifelte, dass er irgendeine Art von Schamgefühl besaß, denn er versuchte erst gar nicht, sein lustvolles Stöhnen in irgendeiner Weise zu unterdrücken. Schließlich zog er sie wieder auf die Beine, drückte sie gegen die Spüle und stieß in sie. Lia presste die Zähne aufeinander, wendete den Kopf ab und verbot sich jeden Gedanken an Cosmin. Sie hatte das Gefühl, ihn damit zu beschmutzen. Außerdem tat es weh. Als Lia endlich gehen konnte, schnappte sie sich ihre Sachen und beeilte sich, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. In dieser Nacht fühlte sie sich so einsam wie noch nie. Es war kein Sorin da, der sie tröstete.

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