Das Engelsmädchen

Kapitel 19

,, Weißt du, warum wir hier sind?'', frage ich Sara herausfordernd.,, Nein. Weißt du es denn?'' Und wieder ein Seitenhieb gegen die Volturi. So langsam beginnt sie, mich wirklich zu nerven. Das war respektlos.,, Und ob. Die Volturi haben den Verdacht, dass ihr eine Neugeborenenarmee erschafft.'',, Was? Das ist meine Stadt und hier tut niemand etwas ohne meine Erlaubnis und das habe ich nicht angeordnet.'' Ihr lockerer Ton ist verschwunden. Ich bezweifle, dass sie es selbst ist, so viel Selbstbeherrschung hat sie dann doch nicht. Aber sie weiß zweifelsohne etwas.,, Ach, ja. Dann habt ihr wohl auch kein Vampir in letzter Zeit verwandelt?'', fragt Demetri geschäftsmäßig.,, Nein. Nicht, dass ich wüsste.'' Doch ihr ausweichender Blick straft sie Lügen.,, Lüg uns nicht an, Sara. Er ist außer Kontrolle geraten, nicht?'' Ihr Gesicht nimmt kurz verletzliche Züge an und ich frage mich, was zwischen den beiden vorgefallen ist.,, Hast du deine Untergebenen alle selber verwandelt?'', frage ich, da ich weiß, dass ich so nicht weiterkomme.,, Nein, nur Liam und Melly. Max und Julia sind vor zehn Jahren zu uns gestoßen und James wurde von Max verwandelt'', sagt Sara dankbar für die Abwechslung.,, Du schweifst ab'', sagt Demetri.,, Überlass das mir'', meine ich und gebe ihm einen kurzen Kuss.,, Ich bin älter, Sina. Ich leite den Auftrag. Du solltest eher mir das überlassen.",, Ärger im Paradies'', flötet Sara und ist wieder gleich in ihrem Element.,, Na, na, Sara. Ich habe immer hin einen Freund.'' Das trifft sie. Sie zuckt merklich zusammen. Langsam reißt mir der Geduldsfaden.,, Was hast du mit dem Neugeborenen zu tun? Ich habe dich unter der Bedingung verwandelt, dass du immer die Wahrheit sagst, und du hast mich bis jetzt nur angelogen. Langsam reicht es mir. Meine Gabe ist weit aus schmerzlicher als deine und, wenn ich euch alle gleichzeitig foltere, sehe ich auch eure Ängste. Du kannst es mir erzählen oder ich werde es auf meine Tour herausfinden. Deine Entscheidung.'',, Ja, ich habe ihn verwandelt. Zufrieden?'', sagt Sara verzweifelt.,, Warum ist er außer Kontrolle geraten?'', fragt Demetri.,, Sei leise!'', knurren Sara und ich ihn syncron an.,, Was ist passiert, Sara?'',, Ach, ich weiß auch nicht'', sagt sie weinerlich.

Erst überlege ich, ob sie alles nur inszeniert, aber als sie dann wirklich anfängt, zu schluchzen, merke ich, dass sie es ernst meint.,, Was ist denn?'', frage ich mitfühlend und sehe Demetri scharf an. Er soll bloß jetzt nichts sagen!,, Ich habe ihn geliebt. Deswegen habe ich ihn auch verwandelt, aber er wollte mehr und er war stärker als wir und so wütend. Er wollte sich unbedingt an dem Vater seiner Freundin rächen. Er hatte mir nicht erzählt, dass er schon in einer Beziehung ist. Er hat sie mit mir betrogen und ich habe es nicht gemerkt.'',, Ich habe dir gleich gesagt, dass mit dem etwas nicht stimmt'', meldet sich zum ersten Mal einer aus Saras Clan zu Wort. Der Mann ist wohl Ende zwanzig und hat ein wettergegerbtes Gesicht und schwarze kurze Haare.

,, Stimmt'', fährt Sara fort,,, Ich konnte ihn ja verstehen. Der Vater hat seine Tochter an eine Heizung gekettet. Zusammen mit ihrer Schwester.'' Mich beschleicht ein böser Verdacht. Doch Sara scheint davon, nichts zu merken und redet unbeirrt weiter.,, Er hat ihn gefoltert und ist ausgerastet. Dabei hat er fast ihre Schwester getötet. Dann kam sie. Mit ihr konnte ich natürlich nicht mithalten. Sie hat lange braune Haare und eine schmale zarte Figur. Sie war schon länger ein Vampir.'' Ich kenne sie. Vor drei Jahren habe ich sie selbst verwandelt. Sie hatte sich beide Handgelenke gebrochen, um aus den Handschellen heraus zu kommen. Ich hatte ihr den Spitznamen, die schöne Annabelle, gegeben. Ihre Mutter war eine Anwältin, die ihre Karriere vorzog und deswegen die Kinder zum Vater gab. Dieser verprügelte die Schwestern häufig. Irgendwann entkam sie. Ihre jüngere Schwester Akela blieb zurück.,, Sie hat die Schwester weggezogen und ihn überhaupt nicht angeguckt, obwohl er sie angehimmelt hat.'',, Was ist dann passiert?'', frage ich neugierig. Sara tut mir immer mehr leid.,, Er ist verschwunden und kurze Zeit später hören wir vom unerklärlichen Verschwinden von Leuten.'',, Wie viele?'', frage ich tonlos. Wenn wir Pech haben, nimmt es zu große Ausmaße an. Dann müssen wir mindestens Jane und Alec nachholen.,, Ungefähr vierzig.'',, Vierzig?!'', fragt Demetri ungläubig.,, Ja, leider. Aber die können nicht alle von Jonathan verwandelt worden sein. Er kann sich nicht beherrschen. Er würde sie alle töten.'' Demetri sieht mich kurz an und ich nicke ihm zu.,, Dann müssen wir Verstärkung holen. In höchstens zwei Tagen werden wir wieder da sein.'' Sara nickt.,, Behalte ihn im Auge'', sage ich zu ihr und umarme sie. Sie tut mir unendlich leid. Unser kleiner Streit ist vergessen. Wir geraten oft aneinander, aber trotz allem ist sie immer noch meine Freundin.