Das Engelsmädchen

Kapitel 33

Nach meinem Arbeitstag lasse ich mich auf mein Bett fallen. Meine Geige ist weg. Verdammt. Wer zur Hölle klaut eine Geige? Beunruhigt schließe ich meine Augen und lausche. Aus einem Zimmer im Frauentrakt höre ich verzerrte Töne. Das muss sie sein! Schnell springe ich auf und renne dort hin. Vor der Tür stehen geblieben, sehe ich Alec zerknautscht aus einem Zimmer neben diesem kommen.,, Alec? Was tust du hier? Im Frauentrakt?", flüstere ich. Er stottert:,, Äh, ja, also. Ich habe einer Freundin einen Besuch abgestattet." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Die kleine Schwarzhaarige kommt aus dem Zimmer. Gott, sie hat sich nur schnell ein Handtuch umgeschlungen. Es bedeckt ihren zierlichen Körper nur sehr spärlich.,, Ich bin Yuki", sagt sie mutig.,, Aha." Sie ist eine miese Hexe, das merke ich von Anfang an, doch ich weiß nicht, warum. Alec verschwindet aus der peinlichen Situation. Warum bin ich nochmal hergekommen?

Verwirrt gehe ich zurück. Als ich gerade zurückgehen will, laufe ich in jemanden. Natürlich muss es ja Demetri sein.,, Langsam, Süße", sagt er und hält mich fest.,, Fass mich nicht an!", zische ich wütend.,, Gott, wie habe ich dich vermisst", sagt er und schlägt seine Hand vor sein Gesicht. Verwirrung fließt durch unser Band.,, Was? Hör auf damit, du verwirrst mich", entgegne ich.,, Nein, DU verwirrst mich.",, Nein. Ach, vergiss es." Seine Hand hat er immer noch nicht von mir genommen. Einerseits will ich, dass er sie wegnimmt. Andererseits will ich, dass er mich berührt. So sehr. Aber nein, er hat mich verletzt. So einfach mache ich es ihm nicht.

Ich reiße mich los und renne in die entgegengesetzte Richtung. Gott. Was war das denn gerade? Da höre ich sie wieder. Die Stimme von Yuki. Also biege ich lieber​ einen Gang vorher nach rechts ab. Langsam werden die Gänge prachtvoller. Die sonst so dunklen Gänge sind jetzt mit Holz vertäfelt. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich hier nicht sein sollte. Also drehe ich mich um und renne wieder weg, aber leider nicht schnell genug. Ich pralle gegen eine große Frau, die ich als Sulpicia identifiziere. Hinter ihr stehen drei Vampire in rauchgrauen Umhängen. Ihre Bodyguards würde ich mal sagen. Dann geht alles ganz schnell.

Der Vampir in der Mitte wirbelt Aros Frau hinter sich und die Vampire treten einen Schritt vor. Sulpicia schreit frustriert auf und die beiden Äußeren packen meine Arme, ohne das ich reagieren kann. Doch dann kann ich mir endlich helfen und setze meine Gabe ein.

Doch nicht so stark, nur so, dass ich mich losreißen kann. Schnell renne ich in den Thronsaal und halte Aro meine Hand hin. Ich will auf gar keinen Fall mit Aro Stress kriegen. Verwirrt sieht er mich an, doch dann nimmt er meine Hand. Ich weiß genau, dass Aro es überhaupt nicht leiden kann, wenn man seine Frau auch nur ansieht. Er öffnet seine Augen wieder. Gespannt sehe ich ihn an.,, Ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen", sagt er amüsiert,,, Allerdings wird eine angemessene Strafe auf dich warten." Demetri tritt in den Saal. Ich bemerke seine Präsenz natürlich durch unser Band.,, Jane?", frage ich und versuche, nicht vorlaut zu wirken.,, Nein. Yuki." Aro lächelt unschuldig. Moment mal, ist Yuki nicht Alecs Freundin? Demetri missfällt es spürbar. Mir graut es. Was kann die kleine Vampirin für eine Gabe haben, wenn sie schon gefährlicher als Jane ist? Demetri scheint, ja schon Erfahrungen mit ihr gemacht zu haben.,, Wann?", gebe ich mich geschlagen. Ich habe Aro schon genug verärgert.,, Nach deiner Schicht. Und Sina? Zieh dich endlich um. Diese hurenartige Kleidung schickt sich nicht für einen Volturi.",, Sehr wohl, Meister." Ich knickse und renne in mein Zimmer. Schnell wechsel ich mein Kleid mit einem schwarzen, kurzen Faltenrock, einer weißen Bluse und schwarzen Ballerinas. Dann ziehe ich auch meinen Umhang wieder an und begebe mich wieder in den Saal. Dort nehme ich meinen üblichen Platz ein und warte auf meine Strafe. Demetri starrt mich unverhohlen an, ich ihn allerdings auch. Es ist einfach viel zu verlockend, ihn zu beobachten. Seine elegante, geschmeidige Art, sein perfektes Gesicht und die perfekten Haare. So geht meine Schicht schnell vorüber.,, Sina. Du gehst in den rechten Kellerraum.",, Ja, Meister", sage ich unterwürfig. Doch innerlich koche ich vor Wut. Ich soll mich also freiwillig foltern lassen? Na, dann. Viel Spaß.

Ich tue wie mir befohlen. Den Raum erkenne ich. Es ist derselbe, in dem auch Felix und ich trainiert haben. Yuki wartet schon auf mich. Sie trägt nur ein kurzes Kleidchen. In einer Ecke liegt ein schwarzer Haufen, den ich als ihren Umhang ausmache.,, Lass es uns hinter uns bringen", sage ich kühl. Sie kichert leise und erinnert mich auf eine abstrakte Weise an Jane.,, Glaube bloß nicht, dass es angenehm wird.",, Fang an", fordere ich.,, Das habe ich bereits." Sie kichert wieder. Demetri kommt panisch in den Saal gerannt..,, Die Rumänen greifen an. Schnell, komm und hilf mir. Die Meister wurden gestürzt." Panik durchflutet mich. Ich kann nicht mehr klar denken. Doch bevor ich überhaupt etwas tun kann, rennt ein Mann in den Saal. Instinktiv weiß ich, dass es eine Rumäne ist. Er läuft zu Demetri. Er versucht, sich zu verteidigen, doch schnell wird er geköpft.

Ein atemraubender Schmerz zieht durch unser Band. Es reißt abrupt ab. Ich stolpere zurück und falle auf den harten Boden. Nicht Demetri. Alle, bloß nicht Demetri. Wieso? Ich schreie hysterisch auf und fange an, zu schluchzen. Ich bin unfähig, etwas anderes zu tun. Ich weiß, dass ich den anderen helfen sollte, doch es ist mir egal. Demetri ist mein Ein und Alles. Nein! Er WAR... Er ist tot, weg, nicht mehr existent. Dabei war er doch mein Leben. Er kann doch nicht einfach so weg sein. Warum lässt er mich im Stich? Warum habe ich ihm denn nie gesagt, wie sehr ich ihn liebe? Jetzt weiß ich, wie Marcus sich fühlt. So schmerzerfüllt und gleichgültig gegenüber anderen. Yuki verteidigt sich erfolgreich. Ich zittere und umklammere meine Beine, wie als wollte ich ihn umarmen. Es ist so grauenhaft, wie ein Albtraum. Leider weiß ich, dass es keiner ist. Schließlich kann ich nicht schlafen.