Kapitel 32

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Völlig aufgebrezelt sitze ich nun auf meinem Platz im Flieger. Vorher habe ich extra nochmals gejagt. Schließlich muss ich jetzt wieder die ganzen Menschen aushalten. Maggie hat die letzten drei Stunden an mir gewerkelt und das unter den wachsamen Augen von Siobhan und Aurelia. Deren Charakter ist gewöhnungsbedürftig. Sie ist unheimlich arrogant und rechthaberisch, aber sie kann auch manchmal nett sein. Besser wird es immer, wenn Hypnos da ist. Es ist krass, wie sehr sie sich dann verändert.

Ich habe das Kleid mit dem Reißverschluss an. Maggies Wahl. Mir hätten auch eine einfache Hose und Top gereicht. Meine Handtasche habe ich auf dem Schoß, während mein Koffer, den ich mir extra kaufen musste, im Gepäckraum liegt. Natürlich bin ich geschminkt. Maggie hat mich ziemlich vollgeklatscht. Kaum war sie weg, hatte ich mir allerdings das Meiste wieder abgewischt. Nur dezentes Make up habe ich gelassen. Sonst ist mir das zu unangenehm.

Die Stewardess macht gerade die Sicherheitshinweise vor. Ein Steward kommt durch die Reihen und überprüft, ob alle Gurte richtig sitzen. Als er bei mir stehen bleibt, lächelt er mich an. Er ist höchstens dreizig und eigentlich ganz sympathisch. Ich erwidere sein Lächeln und er stolpert benommen weiter. Ach ja, ich habe ganz vergessen, was für eine Wirkung Vampire auf Menschen haben. Der Flieger startet endlich.

Zeitsprung: Volterra

Langsam gehe ich durch die Straßen. Die Sonne ist so hell, dass ich nur im Schatten laufen kann. Ich will ja keinen Ärger. Davon habe ich schon mehr als genug.
Dann biege ich an einer Ecke in ein Hauseingang und durchquere alle Gänge bis zum Fahrstuhl. Dort erwartet mich schon Felix.,, Da bist du ja wieder", sagt er tonlos. Er mustert mich eindringlich. Das liegt vermutlich am Kleid. Der Fahrstuhl fährt los und nach ein paar Minuten Stille steigen wir aus. Gianna begrüßt uns wie immer. Mich wundert es nicht, dass sie sie nicht verwandelt haben. Zwei der unteren Wachen, deren Namen ich nicht kenne, öffnen die Türen. Es erinnert mich an meine erste Begegnung mit den Volturi.
Die Meister sind allerdings alle versammelt. In einer Ecke steht Cara und zwinkert mir zu. Allerdings glaube ich eher, dass es Felix gilt und nicht mir.,, Sina, Sina, Sina. Gut, dass du wieder da bist", sagt Aro und steht dann vor mir. Er nimmt meine Hand und schließt die Augen. Unbeeindruckt legt er die Hand wieder ab und geht zurück zu seinem Thron.,, Du kannst die nächste Schicht übernehmen. Bring deine Sachen weg." Er missbilligt meine kurze Kleidung offensichtlich und schnalzt mit der Zunge. So gehe ich aus dem Saal und durch die Gänge zu meinem Zimmer. Dort lege ich den Koffer ab und lege einen meiner dicken Umhänge um. Meine Geige liegt offen auf meinem Bett. So hatte ich sie aber nicht gelassen. Irgendjemand muss sie benutzt haben. Egal, jetzt muss ich erstmal in den Saal.

Kaum bin ich dort angekommen und habe mich in die Ecke gestellt, kommen schon drei Frauen herein. Die erste schwarzhaarige Schönheit ist sichtlich wütend.,, Maria, Kathleen, Lola. Ihr kommt spät.",, Warum wurden wir vorgeladen, Aro?", fragt sie wütend.,, Ihr habt gegen unsere Regeln verstoßen und euch einem Menschen gezeigt.",, Und wenn es so wäre? Was dann?" Sie will uns anscheinend unbedingt herausfordern.,, Dürfte ich deine Hand nehmen?" Aro nimmt ihre Hand und geht wieder zurück zum Thron.,, Es besteht kein Zweifel, Bruder", sagt er an Caius gewandt.,, Ihr habt also ein neues Spielzeug?", fragt sie weiter. Es wundert mich, dass sie sich an mich wendet.,, Lass es, Maria. Mach es nicht noch schlimmer", versucht die eine Braunhaarige, sie zu beschwichtigen.,, Pah. Sei leise, Kathleen." Die Braunhaarige weicht zurück.,, Sina. Mach sie doch mit deiner Gabe bekannt." Lächelnd gehe ich aus dem Schatten.,, Sehr wohl, Meister." Noch grinst Maria siegessicher. Doch ihre Gesichtszüge erstarren fast sofort. Angst tritt in ihre Augen. Weitergrinsend erhöhe ich den Druck. Langsam geht sie zu Boden. Jetzt verliere ich die Geduld. Ich gehe auf vollen Druck. Schreiend geht sie zu Boden. So sehr habe ich meine Gabe noch nie angewendet. Unter meiner Macht fühle ich etwas nachgeben und brechen. Ihr Kopf sinkt nach hinten weg und ihre Augen sind leer. Felix greift ein und köpft sie. Kathleen schreit auf, die Dritte hingegen bleibt ruhig.,, Möchtet ihr uns eure Gaben zeigen?" Kathleen fixiert mich und ein stechender Schmerz zieht durch meinen Kopf. Wie ein eiskalter, spitzer Dolch. Schmerzhaft stöhne ich auf und verziehe mein Gesicht. Ich höre ein Fauchen hinter mir. Schreiend sinke ich zu Boden. Es ist schlimmer als Jane, aber nicht schlimmer als meine Gabe. Kopfschmerzen als Gabe.,, Es reicht." Der Schmerz hört auf. Erschöpft sinke ich zusammen.,, So Lola, jetzt zu dir." Sie lächelt schüchtern. Ihre Haare werden kraus und kürzer. Ihr Gesicht verändert sich und ihr Teint wird dunkler. Sie wird größer und dünner. Nun sieht sie ganz anders aus.,, Bemerkenswert. Sehr bemerkenswert.",, Vorübergehend könnt ihr bei uns bleiben", sagt Caius gelangweilt,,, Aber erlaubt euch nichts. Wir werden euch besonders im Auge behalten. Sina, bring sie auf die letzten freien Zimmer!",, Sehr wohl, Meister."

Ich knickse und bringe die beiden Frauen aus dem Saal.,, Folgt mir.",, Eine von euch wird im Männertrakt unterkommen müssen. Die andere im Frauentrakt.",, Gut. Es tut mir leid wegen eben.",, Schon gut." Eine kleine schwarzhaarige Frau kommt uns entgegen.,, Ah, Sina.",, Kennen wir uns?", frage ich kühl.,, Nein, nein", sagt sie lächelnd und geht weiter. Kopfschüttelnd gehe ich weiter. Am Frauenschlaftrakt angekommen sage ich:,, So einer von euch gehört jetzt dieses Zimmer. Ihr müsst euch entscheiden." Lola fuchtelt mit ihrem Arm.,, Gut, Lola möchte dieses Zimmer haben." Ich nicke und Lola geht in das Zimmer. Kathleen und ich gehen weiter.,, Weißt du, Lola kann nicht sprechen. Beziehungsweise kann sie es, aber sie schafft es nicht. Zu Lebzeiten wurde ihr die Zunge herausgeschnitten, weil sie lesbisch ist. Seitdem kann sie nicht mehr sprechen. Zwar ist die Zunge nachgewachsen, als sie ein Vampir war, aber sie hat nie wieder sprechen gelernt.",, Oh." Langsam kommen wir am Männertrakt an. Demetri kommt uns entgegen. Das ist derjenige, den ich am wenigsten sehen wollte. Warum ist er nur so heiß? Er ignoriert mich und geht an mir vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Vor ihrer Tür bleibe ich stehen.,, Das ist dein Zimmer. Falls du etwas brauchst, mein Zimmer ist zwei Gänge weiter und falls du Kleidung brauchst, solltest du Aro nach einer Erlaubnis fragen, ins Dorf zu gehen. Jetzt bin ich erstmal im Saal.",, Okay, danke.",, Gerne." Ich drehe mich um und gehe zurück zum besagten Arbeitsplatz.

Das EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt