Kapitel 24

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Ich sitze nun auf einer Parkbank und starre auf den See. Die Sonne geht langsam auf. Die Sirenen der Feuerwehr durchbrechen die Stille. Es hat alles nicht einmal eine Stunde gedauert. Vor einer Stunde war noch alles in Ordnung.
Warum sollte ich jetzt reingehen? Es ist so schön. Sara sollte bei mir sein. Vasilissa sollte bei mir sein. Vor meinem inneren Auge spielen sich die Ängste ab, die ich gesehen habe. Der Clown, die Wände und schließlich die Bombe. Warum muss gerade ich diese Gabe haben? Klar, an mir klebt das Blut von vielen Menschen, sehr vielen. Bisher hat es mich nicht gestört. Doch jetzt merke ich, dass ich Mitgefühl bekomme. Sie hätten noch so ein langes Leben führen können. Auch Sara. Alle meine Gedanken bleiben bei der Frage stehen: Warum musste Sara sterben? Wieso?

Ich muss weg. Weg von den Orten, wo mich alles an sie erinnert. Vielleicht in den Dschungel oder auf eine einsame Südseeinsel, wo ich vor mich hin verotten kann. So wie ich es verdient habe. Demetri setzt sich neben mich.,, Du vermisst sie, oder?",, Ja", antworte ich erstickt. Auf einmal werde ich wütend.,, Du hast mich hierher geschleppt.",, Du bist freiwillig mitgekommen.",, Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Du hättest mich nicht mitnehmen sollen." Wütend pieke ich ihn in die Brust.,, Sie wäre so oder so gestorben. Nur so konnten wir schlimmeres verhindern.",, Schlimmeres?!", schreie ich hysterisch auf,,, Was hätte schlimmer sein können?",, Alle hätten sterben können. Es ist kein Mensch zu Schaden gekommen. Melly und ihre Schwester haben überlebt.",, Ein Menschenleben mehr oder weniger ist auch nicht so schlimm.",, Wir sprechen nicht von einem Menschenleben sondern von hunderten, oder gar tausenden. Du weißt, dass ich Recht habe, Sina.",, Jetzt übertreibst du aber." Demetri steht auf. Ein Anflug von Schuldgefühlen überkommt mich.,, Weißt du was? Och habe keine Lust mehr, mich mit dir zu streiten. Ich wollte dir nur sagen, dass wir jetzt gehen. Es gibt keinen Grund mehr für uns, hier zu bleiben." Demetri läuft mit einem gekränkten Gesichtsausdruck weg. Ich springe auf.,, Du bist ein Feigling und keiner Meinungsverschiedenheit gewachsen. Was hast du nochmal gesagt? ' Ich bleibe bei dir. Nichts kann uns trennen.'?",, Das Versprechen halte ich gerne ein, aber nicht bei dir. Du bist nicht die Sina, die ich kennengelernt habe. Nein, du bist schwach, gebrochen und hasserfüllt. Darauf habe ich keine Lust." Er lässt mich einfach so stehen. Wusste ich's doch, das ich ihn nicht verdient habe.

Ich setze mich wieder auf die Bank. Eigentlich sollte ich mich doch gut fühlen. Ich habe alles raus gelassen und trotzdem bin ich traurig. Demetri hat ein Stück von mir mitgenommen, von dem ich noch nicht einmal wusste, dass es existiert. Ein riesiges Stück. Nur einen kleines überlebenswichtigen Teil bleibt übrig. Plötzlich erinnere ich mich an eine Szene zwischen mir und meiner Cousine. Damals, als ich noch bei ihr war. Kurz nachdem ich sie verwandelt hatte.

Flashback

,, Es tat so weh", klagte Maggie leise.,, Ich weiß, doch es musste sein", antwortete ich mitfühlend,,, Du musst jetzt was trinken.",, Blut?", fragte sie entsetzt.,, Keine Panik. Es schmeckt gut. Man gewöhnt sich an das Töten. Dein Instinkt wird das übernehmen." Sie nickte. Ich lief aus dem Haus und sie folgte mir in den Wald.,, Du weißt nicht zufällig, ob hier noch andere Vampire leben?",, Nein. Tut mir leid." Ein Geruch von einem Mann drang in mein Bewusstsein. Nun nahm mein Instinkt überhand. Er stand auf einer Lichtung und sah sich suchend um. Gerade rechtzeitig konnte ich mich zurück halten und Maggie den Mann überlassen. Sie sprang auf ihn und biss ihm in die Kehle. Kurze Zeit später war er blutleer. Ich fing sie ab und umarmte sie. Sie sollte sich nicht zu voll trinken. Sonst fiel es auf. Erst wehrte sie sich, doch irgendwann beruhigte sie sich. Ich hörte Schritte. Leise und schnell. Vampire. Ich bedeutete Maggie, still zu sein. Langsam drehte ich mich um. Dort standen eine mollige, rothaarige Frau und ein großer, blonder Mann.,, Ihr habt in unserem Gebiet gejagt", sagte er.,, Das tut uns wirklich sehr leid. Das kommt nicht wieder vor.",, Ich glaube schon", antwortete die Frau.,, Bitte, tötet uns nicht", sagte Maggie leise.,, Vielleicht wollt ihr euch uns anschließen." Der Mann sah sie irritiert an.,, Was?",, Ach, komm schon. Du weißt doch, dass wir einsam sind.",, Wollen wir das?", fragte Maggie mich, während die anderen sich weiter streiteten.,, Du kannst es gerne. Aber ich nicht. Ich bin lieber allein.",, Schade.",, Ich möchte euch beitreten." Die beiden hörten auf, zu streiten.,, Wirklich?", fragte die Frau erfreut. Maggie nickte.,, Super. Ich bin Siobhan und das ist mein Gefährte Liam.",, Ich bin Sina und das ist meine Cousine Maggie." An Maggie gewandt fügte ich hinzu:,, Ich werde jetzt gehen. Ich wollte nur sicher stellen, dass du in guten Händen bist. Hier." Ich machte meine Halskette ab und legte sie ihr um.,, Möge sie dich beschützen.",, Ich bin älter als du. Das weißt du doch", beschwerte sie sich.,, Ja, aber du weißt, dass ich mir immer Sorgen mache. Bitte, trage sie mir zu Liebe.",, Na, gut", murrte Maggie.

Flashback Ende

Jetzt weiß ich, wo ich hingehe.

Das EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt