Sofort versuche ich, die Vampire mit meiner Gabe zu belegen, doch mein Versuch schlägt fehl. Auch Janes Gabe zeigt offenbar keine Wirkung. Auch sehe ich keine schwarzen Schwaden von Alec. Irgendwas läuft hier gehörig schief.
Einer der Neugeborenen muss ein Schutzschild sein. Langsam aber sicher bekomme ich Panik. Wenn das nicht funktioniert, sind wir auf einem Präsentierteller. Es gibt viel mehr Neugeborene, als Volturi. Sie werden uns abschlachten. Wir werden sterben. Demetri wird sterben. Panisch halte ich in der Menge Ausschau nach dem Schutzschild. Es muss uns nur gelingen, ihn abzulenken und auszuschalten, dann können wir zum Geplanten fortschreiten. Ein Mann links von Alec scheint voll auf sich fixiert. Der könnte es sein. Ich ticke Jane an und gebe ihr ein Zeichen, mit mir zu kommen. Neugierig folgt sie mir. Wir schleichen um die Vampire herum, bemüht immer hinter den Kisten zu bleiben. Plötzlich ruft jemand:,, Dort, dort sind welche." Ich erschrecke. Eine Menge von Vampiren rennt auf uns zu. Dadurch verliere ich leider das Schutzschild aus den Augen. Wir müssen ihn töten. Sonst sterben wir. Demetri, Sara, Cara, alle. Ich habe noch nie versagt. So fühlt sich das also an. Demetri darf nicht sterben. Was soll ich nur tun? Langsam verzweifele ich. Ganz ruhig.,, Lauf, Jane. Töte ihn", rufe ich. Dann werde ich von einem Vampir angefallen. Er ist mindestens so groß wie Felix und drückt mich mühelos zu Boden. Denk nach, Sina. Was ist die Schwäche von großen Menschen, bzw. Vampiren?
Mein Kopf ist wie leer gefegt. Was hat meine jahrelange Ausbildung geholfen? Nichts.
Dann erinnere ich mich plötzlich. Ihre Größe. Natürlich, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? So werfe ich den großen Kerl über die Schulter und reiße ihm währenddessen den Kopf ab. Sofort greife ich den nächsten an. Im Angriff bin ich wesentlich besser als in der Verteidigung. Ruckzuck habe ich auch ihn geköpft. Leider habe ich kein Feuerzeug zur Hand, um sie anzuzünden. Es muss eben auch so gehen. Jetzt sehe ich mich um. Dort ist das Schutzschild. Ich renne zu ihm hin und köpfe ihn. Sein Kopf rollt mit dem Gesicht zuerst auf das Eis. Moment mal, Eis? Der Boden vor mir ist komplett mit einer dicken bläulichen Eisschicht überzogen. Es kann doch nicht so schnell so kalt geworden sein. Naja, egal. Ich versuche, möglichst viele Vampire mit meiner Gabe zu belegen. Diesmal funktioniert es. Erleichtert seufze ich auf. Erst sind es nur zwei, dann vier und schließlich achtundzwanzig. Mehr schaffe ich nicht. Die letzten Beiden sind die reinste Folter. Keuchend treffe ich den letzten.
Es wird zu viel. Ich erhöhe den Druck, bis ich ihm selber nicht mehr standhalten kann. Die naheliegenden Vampire gehen zu Boden und ich auch. Meine Arme und Beine zucken. Es ist zu viel, viel zu viel. Ich merke, wie die Gabe wie ein Gummiband zu mir zurück schnappt.
Dann verschwimmt die Halle vor meinen Augen. Alles wird leiser und schwarz. Ich habe Angst, höllische Angst. Kein Geräusch oder Lichtstrahl durchdringen die Dunkelheit. Ich bin allein. Plötzlich sehe ich Licht. Dort steht ein Mann mit einer Uniform. Es ist ein Soldat.,, Es tut mir leid, Kleiner. Dein Papa wird nicht mehr zurückkommen." Tränen laufen über mein Gesicht. Der Mann verwandelt sich in eine Frau. Sie nimmt mich hoch und trägt mich aus dem Raum.,, Du bist hier nicht sicher, mein Schatz. Dein Onkel Rico wird gut auf dich aufpassen", sagt sie mit glänzenden Augen. Ich möchte aber nicht weg von meiner Mutter. Onkel Rico ist beängstigend und macht immer komische Sachen. Sie verwandelt sich in einen Clown mit einem blutigen Messer, der auf mich zu läuft. Ich drehe mich um und renne weg von ihm, aber pralle gegen eine Wand. Plötzlich ist der Clown weg und ich stehe in einem Raum ohne Fenster und Türen mit Eisenwänden. Diese bewegen sich auf mich zu. Panisch suchen meine Finger nach einer Lösung, einer kleinen Vertiefung oder irgendwas, mit dem ich die Wände aufhalten könnte. Ich bekomme weniger Luft. Die Wände kommen unaufhaltsam auf mich zu. Kurz bevor sie mich komplett zerquetschen, sind sie weg.
Um mich herum stehen viele Menschen mit altertümlichen Klamotten, die mich anschreien.,, Tod den Hexenzwillingen." Sofort weiß ich, in wessen Angst ich mich befinde. Meine Arme sind auf dem Rücken an einen Pfahl gebunden. Das Seil hat bereits meine Handgelenke blutig gescheuert. Neben mir steht mein Bruder. Ein Dorfbewohner wirft eine brennende Fackel nach mir, die die Holzscheite, auf denen ich stehe, entflammt. Ich schreie und mein Bruder schreit auch. Flammen züngeln an meinen Beinen hoch. Solch starke Schmerzen habe ich noch nie gefühlt. Es ist unbeschreiblich. Plötzlich ist es ruhig. Ich wiege mich schon in Sicherheit, bis ein Mann auf mich zu rennt und panisch schreit:,, Lauf. Lauf weg. Die Flieger kommen." Meine Mutter nimmt mich an die Hand und wir laufen zu dem Bunker im Garten. Die Bombe fällt wie in Zeitlupe. Bevor ich sehen kann, wie sie aufschlägt und alles um sich herum zerstört, schließt meine Mutter die Tür. Mit der Gewissheit, dass mein Vater gestorben ist, öffne ich die Augen und liege, Gott sei Dank, mit dem Gesicht nach unten auf dem Eis. Langsam stehe ich auf und sehe mich um. Die Zahl der Neugeborenen ist rapide gesunken. Demetri köpft gerade einen Vampir neben mir, der mit leeren Augen zur Decke starrt. Schwarze Schwaden ziehen vor mir dicht über den Boden. Alecs Gabe. Jane steht etwas abseits und foltert einen älteren Mann. Sie hat sich ja recht schnell wieder erholt. Heidi kämpft links von mir mit einer Frau. Es wirkt wie ein Tanz. Von Saras Gruppe sehe ich nur Sara selbst und Melly. Wirklich und wahrhaftig Melly. Nicht ihre Zwillingsschwester. Der Rest ist nicht da. Sara steht gegenüber einem Mann. Sie scheinen, sich zu unterhalten. Plötzlich rennt er auf sie zu und köpft sie. Sara ist tot. Es ist bestimmt nur eine weitere Halluzination, ausgelöst durch meine Gabe. Meine Beine geben nach und ich setze mich auf den Boden. Es fühlt sich aber sehr real an. Da haben wir es doch fast geschafft. Warum musste sie dann sterben? Demetri tötet einen Vampir nach dem anderen. Melly köpft vor Wut schreiend den Mann. Ich glaube, es ist doch keine Halluzination. Das muss Jonathan gewesen sein. Er hat mir einfach so meine beste Freundin genommen. Auch wenn wir uns in letzter Zeit nicht so besonders gut verstanden haben, war sie immer noch das einzige, was mir geblieben ist. Jetzt ist auch sie weg. Für immer. Weinen würde das alles erträglicher machen, doch ich kann es nicht.Mein Kopf wirkt leer und ich wirke sinnlos. Was soll ich nun machen? Plötzlich werde ich von Jane auf die Füße gezogen.,, Unterstehe dich, jetzt in Selbstmitleid zu versinken. Das kannst du machen, wenn wir hier fertig sind." Ich gebe mir einen Ruck und töte einen Neugeborenen. Von denen sind jetzt noch fünf übrig. Mellys Schwester, eine weitere Frau und drei Männer. Felix steht vor Mellys Schwester.,, Nein, bitte nicht", fleht diese verzweifelt. Felix geht auf sie zu. Melly springt schützend vor ihren Zwilling.,, Wenn du sie töten willst, musst du erst an mir vorbei.",, Kein Problem", erwidert Felix ernst und geht weiter auf sie zu. Kurz bevor er bei ihnen ist, sage ich laut genug, damit er mich auch hört:,, Lass sie, Felix. Ich bürge für sie. Töte die anderen." Felix sieht mich erstaunt an, lässt jedoch von ihr ab und köpft die übrigen Vampire mit Demetris Hilfe. Es ist möglich, Vampire zu verschonen, wenn jemand für sie bürgt. Es ist quasi so, wie Aro es bei mir gemacht hat. Es ist aber keine feste Regel. Felix hätte mich auch genauso ignorieren können. Ich weiß nicht einmal, warum ich es instinktiv gemacht habe. Vielleicht, weil Melly und ihre Schwester mich an Vasilissa und mich erinnern, obwohl sie wesentlich älter sind als wir damals. Oder vielleicht, weil sie das letzte sind, was von Sara noch übrig geblieben ist.
Melly sieht mich dankbar an und unterhält sich leise mit ihrer Schwester. Dann merke ich, dass Demetris besorgter Blick auf mir liegt.,, Alles ist gut, Demetri", sage ich ruhig, jedoch bin ich davon selbst nicht überzeugt.,, Nichts ist gut, Sina. Ich bin doch nicht blöd. Ich kenne deine Gefühle wohl besser als du." Er stellt sich direkt vor mich. So muss ich ihn angucken, was ich bisher vermieden habe. Ich umarme ihn fest. Dann kommt alles wie von selbst. Ich fange an, zu schluchzen. Es tut alles so weh. Warum tut man mir das an? Meine Gabe, meine Schwester, meine Freundin. Demetri tätschelt mir nur den Rücken und wartet ab.
Irgendwann beruhige ich mich und löse mich von ihm. Dann sehe ich seinen gequälten Gesichtsausdruck. Seinetwegen versuche ich, zu lächeln, was mir mehr schlecht als Recht gelingt. Er fragt glücklicherweise nicht weiter nach, sondern nimmt mich nur an die Hand und führt mich nach draußen. Dort warten schon alle anderen auf uns. Wohl eher Santiago, Cara, Jane, Alec, Melly, Mellys Schwester, Heidi (die uns böse beobachtet) und Felix. Santiago wirft ein Feuerzeug in die Lagerhalle, die sie vorher wohl mit Benzin begossen hatten. Sie brennt lichterloh. Ich stehe nur da und schaue in Flammen. Ein kleiner Teil von mir ist mit Sara gestorben.
DU LIEST GERADE
Das Engelsmädchen
FanfictionSina sieht genauso aus, wie man sich einen Engel vorstellt. Hellblond mit Korkenzieherlöckchen, makelose Haut, weiblichen Kurven, rote volle Lippen und lange Wimpern. Doch sie ist keinesfalls ein Engel. Sie wurde in einer der härtesten Attentäters...