Kapitel 38

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Nachdem ich den Zopf fertig - und vorallem in ihrem Sinne zufrieden - gestellt hatte, gehe ich wieder in mein Zimmer.

Auf dem Weg habe ich ständig das Gefühl, dass mich jemand verfolgt. Wahrscheinlich bin ich nur paranoid. Wer sollte mich denn bei den Volturi verfolgen? Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass dort jemand ist. Egal, wie oft ich mich umsehe, kann ich niemanden erkennen. Dann sehe ich Kathleen, die aus einer Tür schleicht, wie als hätte sie etwas zu verbergen.,, Hallo", grüße ich sie misstrauisch.,, Oh, äh, hi, Sina. Ich habe nur, ähm, was für die Hochzeit geplant." Sie zuckt sichtlich zusammen.,, Achso, Na denn. Bis später." Ich gehe an ihr vorbei und so schnell wie möglich weiter in mein Zimmer. Dort spiele ich wieder auf der Violine und lege ich mich dann auf mein Bett und spiele an meinem Handy.

Plötzlich höre ich ein Geräusch von der Tür. Schnell mache ich mein Handy aus und rolle mich unter das Bett. Ich bemühe mich so leise zu sein, wie es nur geht. Ich sehe, wie die Tür sich öffnet und eine Person hereinkommt. Den Schuhen und der Strumpfhose nach zu urteilen, ist es eine Frau. Sie kommt lautlos näher und steht nun direkt neben meinem Bett. Ich ergreife die Chance, greife unter dem Bett hervor und ziehe ihren Fuß zur Seite. Sie keucht erschrocken auf und lässt sich zur Seite fallen. Ich rolle mich unter dem Bett hervor und springe auf. In Kampfposition. Sie faucht mich böse an.

,, Jane? Was zum Henker tust du hier?" Die kleine Blonde entspannt sich merklich.,, Ich wollte mir nur deine Geige ausleihen. Und da du nicht da warst...",, Ach, du bist das gewesen. Die, die immer meine Violine klaut.",, Ausleiht", korrigiert sie mich.

,,Warum fragst du mich nicht? Ich hätte es dir doch beibringen können, oder sie dir zumindest ausleihen können!",, Das heißt, du würdest es mir beibringen?" Hoffnungsvoll sieht sie mich an.,, Warum nicht? Aber du brauchst früher oder später vermutlich eine eigene. Ich mag das nicht so gerne, wenn man auf meiner spielt." Sie grinst mich an.,, Können wir gleich anfangen?",, Nun gut. Zeig mir mal, wie du die Violine immer hältst, wenn du sie von mir geklaut hast." Sie sieht mich überlegend an, entscheidet sich aber klugerweise dagegen, mich zu korrigieren. Dann nimmt sie die Violine und hält sie sich vor die Brust. Bei ihrer Haltung muss ich ein Schaudern unterdrücken. Ich korrigiere ihre Haltung und lege ihre Finger auf die richtigen Stellen.,, Ich fange mit den Grundsachen an. Wie du siehst, gibt es vier Saiten. Die Töne G, D, A und E. Unten ist die höchste, oben die tiefste Saite. Mit jedem Finger gehst du entweder einen Ganz- oder einen Halbton nach oben. Der Bogen muss immer gespannt sein. Der kleine Finger der Hand, mit der du den Bogen hältst, bleibt rund. Das Handgelenk muss sehr gelenkig sein." Ich nehme ihr den Bogen ab und mache ihr die Grundhaltung vor.,, Du musst es üben. Immer wieder. Dann kommt die richtige Haltung von allein. Das Gute daran ist, dass du als Vampir keine Ermüdungserscheinungen oder Schmerzen haben wirst." Sie macht es mir nach und streicht leicht über die Saiten.,, Ein bisschen mehr aufdrücken musst du schon", sage ich lächelnd,,, Das ist schließlich keine Stradivari." Sie ist nicht einmal von einem Geigenbauer. Lediglich eine Fabrikgeige. Ihr Klang ist bei Weitem nicht der Beste, aber ausreichend. Irgendwann werde ich mir eine bessere kaufen.,, Was ist eine Stradivari?", fragt Jane neugierig und bemüht sich, dabei ihre Haltung nicht fallen zu lassen.,, Das sind unfassbar teure Geigen von einem italienischen Geigenbauer aus dem 18. Jahrhundert, wahre Unikate. Es gibt aber sehr viele Fälschungen. Trotzdem hatte ich einmal das Glück, auf einer spielen zu können. Ein Meisterwerk." Sie zuckt mit den Schultern.,, Du musst erstmal überhaupt klare Töne spielen können. Ich werde dir für die Griffe erstmal Bündchen setzen, auch wenn die mich selbst beim Spielen unangenehm einschränken.",, Bündchen?" Ich nehme ihr die Geige aus der Hand und zeige ihr die Positionen der Finger in der ersten Lage.,, Ja, es gibt drei Grundgriffe, mit denen man unterschiedliche Töne erzeugen kann. Dafür werde ich dir Bänder um die Geige spannen, damit du die Töne besser greifen kannst. Auf die Bändchen setzt du dann deine Finger." Sie nickt.,, Mach weiter! Ich will es lernen", sagt sie fordernd und macht keine Anzeichen, dass sie aus dem Zimmer geht.,, Strapaziere meine Geduld nicht zu sehr, Jane. Ich bin keine geborene Lehrerin und wenn du so eine willst, dann solltest du dir eine andere suchen", fauche ich sie an. Ich mag ihr vielleicht beibringen können, wie sie spielen muss. Aber so innig zu spielen, dauert lange und erfordert Übung. Eine Nacht reicht nicht dazu aus, selbst für einen Vampir nicht. Außerdem habe ich wirklich besseres zu tun. Ich werde nicht alle Lektionen auf einmal abarbeiten.,, Ich will es aber können!" Sie ist wie ein kleines, bockiges Kind.,, Können kann mich nicht einfach so lernen. Es erfordert Geduld und Zuwendung. So ist es bei allen Dingen." Sie guckt mich wütend an, aber belässt es dabei.,, Dann nicht. Ich habe genug für heute. Wollen wir morgen weitermachen?", sagt sie, nach wie vor beleidigt. Obwohl es eigentlich nicht an ihr liegt, diese Forderung zu stellen, weil ich sie ja unterrichte, stimme ich ihr zu. Es ist besser, wenn sie tägliche Übung hat und meine Geige nicht klaut.

Sie verlässt wieder mein Zimmer. So ist es mir eigentlich auch recht. Ich möchte lieber mit ihr üben, wenn sie sich beruhigt hat. Jetzt hat sie aber die Lust auf das Spielen in mir geweckt. So suche ich mir ein Lied aus, dass ich noch nicht so gut kann und übe es. Meine Gedanken kreisen um mein Instrument. Es ist meine Leidenschaft, wie eine Liebe. Ich könnte es ewig tun. Viele Dinge habe ich ausprobiert.

Doch das Spielen der Violine hat sich gegen Cello und Klavier durchgesetzt, und gegen Eiskunstlauf und Leistungsturnen. Sport mag ich also auch. Allerdings verliert das alles mit der Zeit seinen Reiz, weil man einfach alles viel schneller lernt. Aber es gibt immer Kompositionen, die man noch nie gespielt hat.

Meine Finger fliegen über die Saiten und der Bogen bewegt sich so schön. Daran kann ich mich einfach nicht sattsehen. Auf einmal steht Demetri vor mir. Ich höre auf, zu spielen und sehe ihn an.,, Kannst du nicht klopfen?", frage ich ihn träge und atme einmal tief durch. Es ist so, wie als hätte ich geschlafen.,, Ich habe geklopft, aber du hast nicht reagiert.",, Oh, ich war beschäftigt. Tut mir leid.",, Ich muss mit dir reden. Hast du eine Minute?" Ich zucke mit den Schultern und lege die Violine in ihren Koffer. Dann setze ich mich auf mein Bett und klopfe neben mir auf die Bettdecke. Er setzt sich elegant neben mich und schlägt die Beine übereinander. Ich kann gar nicht anders als ihn anzulächeln.,, Kannst du dich noch an Willes erinnern?" Ich nicke verwirrt.,, Er war Spion bei den Rumänen. Eigentlich waren sie zwei. Seine Gefährtin Louise und Willes selbst. Aber die Rumänen haben zwei neue, sehr mächtige, Gaben. Zwei Männer, die Namen sind nicht bekannt. Von da an war es schwieriger für sie. Dann haben sie herausgefunden, dass sie es waren, die Spione von Aro. Louise wurde dann getötet, ja regelrecht abgeschlachtet, und er konnte fliehen und uns noch über die Problematik aufklären, bevor er starb. Es-" Ich unterbreche ihn.,, Moment, starb? Du meinst getötet wurde.",, Nein, starb! Aber das ist nicht das schlimmste Problem.
Sie haben einen Spion bei uns eingeschleust."

Das EngelsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt