Freitag, 9. Dezember
Ich dachte, ich spinne.
Ich dachte wirklich, ich bildete mir das ein. Für einen kurzen Moment glaubte ich, dass diese Nachricht nur eine Einbildung war, die durch meinen psychischen Zustand hervorgerufen wurde.
Doch je länger ich diese Nachricht anstarrte, desto stärker merkte ich, dass sie keine Einbildung war. Sie war real, sie existierte wirklich, und dies nicht nur in meinem Unterbewusstsein.
Er wollte einen Kontaktabbruch. Wir würden uns weiterhin beim Training sehen, doch sonst ... Sonst würden wir nichts mehr miteinander zu tun haben.
Was?, schrieb ich automatisch und brauchte ein paar Sekunden, bis ich mich sammelte und die Nachricht abschickte.
Wir sollten uns einfach nicht mehr (außerhalb des Trainings) treffen.
Ein Loch bohrte sich geradewegs in mein Herz, so dachte ich. Er sprach genau das aus, wovor ich mich am meisten fürchtete.
Er wollte nichts mehr mit mir zu tun haben.
Sofort kamen mir die Albträume wieder in den Sinn.
„Dad", flüsterte ich und lief auf ihn zu. Er war vor dem Eingang der Wohnung und hatte mir den Rücken zugedreht.
„Tschüss." Seine Stimme war kalt und leblos. Sie brachte meinen ganzen Körper zum zittern und ich hatte das Gefühl, jeden Moment erbrechen zu müssen.
„Warte!", schrie ich ihm hinterher und rannte auf ihn zu. Der Gang, der sich zwischen uns befand, wurde mit jedem Schritt den ich wagte, länger. Ich entfernte mich nur weiter von ihm als ihm näher zu kommen.
Er drehte sich mit einer enormen Kraft um und blickte mir in die Augen. Seine Augen hatten schon lange ihren Glanz verloren, sie waren nur noch zwei graue, durchsichtige Glaskugeln in seinem Gesicht. Sein Gesicht war ebenfalls verkommen; er hatte einen (offensichtlich länger als) Drei-Tage-Bart und lange, graue Haare. Seine Miene glich der eines Mörders, darauf könnte ich wetten.
„Verschwinde!", schrie er mich an, „Ich will mit dir, ach was, mit euch allen nichts mehr zu tun haben! Ich will euch nie wieder sehen!"
Seine Worte waren schlimmer als jede Art von Gewalt, die er mir zufügen könnte. Sie brannten sich direkt auf mein Herz und hinterließen eine große, blutende Wunde. Ich sackte auf die Knie und riss mir beinahe meine Haare aus dem Kopf.
„Ich will mit euch nichts mehr zu tun haben!"
Seine Stimme war laut und gefährlich nah. Ich erschauderte und die Tränen flossen wie Wasserfälle meine Wangen hinunter.
„Ich kann euch alle nicht ausstehen!"
Seine Stimme wurde immer lauter und ging mir durch Mark und Fleisch. Sie war das einzige was ich wahrnahm, abgesehen von dem Schmerz. Er hatte mit seinen Worten eine Klinge direkt in mein Herz gestochen. Mit jedem Satz, den er hinzufügte, drehte er die Klinge und ich blutete noch mehr. Das Blut floss meinen Bauch herunter und tropfte auf den Boden vor mir.
„Ich hasse euch alle! Am meisten dich!" Ich schluchzte und schluchzte. „Das ist alles deine Schuld! Alles!"
Ich merkte gar nicht, wie die Tränen angefangen hatten, meine Wangen herunterzufließen. Schnell wischte ich sie weg und starrte wieder auf mein Handy. In einer Bewegung schaltete ich es aus und warf es an die Wand.
Sebastian hatte sich zwar nicht annähernd so grausam ausgedrückt, wie die Vorstellung meines Vaters, doch er tat mir trotzdem weh. Mehr weh als er vermutlich dachte.
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24 Tanzschritte | Adventskalender 2016
Teen FictionLeonies größte Leidenschaft ist das Tanzen. Es ist das einzige, was ihr Halt gibt, in ihrem chaotischen Leben. Sie soll auf der großen, alljährlichen Weihnachtsfeier ihres Tanzsportvereins im Mittelpunkt stehen und eine aufwendige Choreografie ei...