13 - Du bist so eine Enttäuschung

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Dienstag, 13. Dezember

Als ich meinen Wecker hörte, wollte ich einfach nur noch schreien.

Mir die Seele aus dem Leib schreien und sonst gar nichts tun. Keinen Muskel bewegen, keine Anstalten machen, mich aus dem Bett zu kämpfen.

Doch das Leben ist kein Wunschkonzert.

Und das wurde mir, in Zeiten wie diesen, besonders stark unter die Nase gerieben.

Vielen Dank übrigens, wem auch immer ich mein Leben zu verdanken habe.

Ich zog meinen faulen Hintern also aus dem Bett und machte mich fertig. Erst da fiel mir auf, dass ich wirklich geschlafen hatte.

Richtig geschlafen. Fast eine ganze Nacht durch. Ohne dabei nachzudenken.

Zwar mit einem Traum, doch ich konnte mich glücklicherweise nicht mehr daran erinnern.


Ähnlich wie am Tag zuvor ging ich wie ein Zombie durch diesen.

Janas Vergleich passte erstaunlich gut.

Nach dem Mathematikunterricht, den mein Klassenlehrer durchführte, bat er mich, mit ihm ein kurzes Gespräch zu führen.

Ich seufzte, packte meine Sachen zusammen und schlenderte unbeeindruckt auf ihn zu. Er packte auch gerade seine Sachen in seine typische, braune Lehrertasche, wie sie gerne genannt wurde.

„Es geht um deine Motivation im Unterricht", kam er sofort zum Punkt und fixierte mich mit seinen kleinen, braunen Augen, die zu seiner Tasche passten. Er schob seine Brille wieder auf ihren richtigen Platz und fuhr gleichgültig fort, „Du erscheinst zwar, jedoch geistig anwesend bist du nicht."

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kriege doch alles mit, wo ist denn -"

„Nein, genau das ist das Problem. Du kriegst gar nichts mit. Du verstehst den Stoff, den wir durchnehmen, gar keine Frage. Das hast du schon immer, du warst schon immer vom Verständnis her ausgereifter als die anderen. Trotzdem hast du die ganze Zeit diesen leeren Blick auf deinem Gesicht, als wärst du ganz woanders. Nicht nur mir ist das aufgefallen, sondern auch -"

„Jetzt tun sie doch nicht so als würden sie sich um mich kümmern! Sie interessiert das doch gar nicht! Ich hindere sie nicht an ihrem Job, was wollen sie denn noch? Tun sie bitte nicht so, als würde sie das in irgendeiner Weise jucken. Wenn wir alle hier von dieser verdammten Schule gehen, sind wir eh wieder aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Veräppeln können sie gerne jemand anderen, danke sehr."

Wütend stapfte ich davon. Was bildete der sich eigentlich ein?! Als ob irgendjemand auf dieser hilflosen, einsamen Welt sich um mich kümmert!

Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. Ohne große Umschweife lief ich geradewegs auf die Mädchentoilette zu. Sie war komplett leer, was wahrscheinlich daran lag, dass die nächste Stunde bereits angefangen hatte.

Wenigstens eine gute Nachricht an diesem schrecklichen Tag.

Ich sah in den Spiegel vor mir, der völlig verdreckt war. Wasserspritzer, Kalkreste, Schimmelsporen, Macken und sogar Wimperntusche schmückten ihn.

Dein Leben ist so verkorkst.

Genau wie ich selbst.

Meine innere Stimme erwiderte vorerst nichts mehr. Meine Unterlippe zitterte und eine Träne verließ meinen Augenwinkel. Ich biss auf meine Unterlippe, in der Hoffnung, sie in Zaum zu halten, doch es nützte nichts.

Ich wollte nicht in der Schule weinen. Ach was, ich wollt überhaupt nicht weinen! Seit wann war ich so emotional?

Ich zog mir ein Blatt Papier aus dem Spender und wischte mir die Tränen weg. Ich fächelte mir kurz Luft zu und atmete tief durch.

24 Tanzschritte | Adventskalender 2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt