Donnerstag, 8. Dezember
Übermüdet und dadurch mit schlechter Laune begann mein Tag. Wie ein Roboter, kalt, gefühllos und seelenlos, machte ich mich fertig und ging zur Schule. Nach essen war mir nicht.
Glücklicherweise fragten Jana und Melissa auch heute nicht nach. Ich wusste, dass ich ihnen eine Erklärung schuldig war, doch noch hielten sie es so mit mir aus.
Der Tag zog an mir vorüber wie ein Film, der mir im schnelldurchlauf gezeigt wurde. Ich glaubte, bemerkt zu haben, wie es schneite.
Nach der Schule setzte ich mich an meine Hausaufgaben, da ich eh nichts besseres zu tun hatte und es das Produktivste war. Da ich im Unterricht nicht in der Lage war, zuzuhören, holte ich Alles vergangene mit den Hausaufgaben nach.
Ohne es zu bemerken strich ich mir immer wieder über den Hals. Es ist zu einem Tick geworden.
Nach guten zwei Stunden, die ich erfolgreich gelernt hatte, stockte mir der Atem. Ich hatte nur noch ein paar Minuten, dann würde Sebastian hier sein!
Ich war psychisch und emotional noch nicht bereit für ein Treffen. Zwar hatte ich nun etwa 48 Stunden am Stück alles analysiert, in meinem Kopf wiederholt, beurteilt und Lösungswege gesucht. Aber als es dann soweit war, ihn wiederzusehen, und möglicherweise mit ihm darüber zu reden ... war ich einfach nicht bereit dazu.
Ich betrat das Treppenhaus. Ganz pünktlich stand Sebastian schon am Ende der Stufen, in Jacke und Schuhen. Er blickte auf, als er meine Schritte hörte, und musterte mich erst einmal.
„Hey." Er sah mich an und ich ihn.
„Hi", flüsterte ich.
„Gehen wir spazieren?" Seine Augen sahen keinen Moment lang weg.
In dieser Eiseskälte?
„Gerne." Ich lächelte halbherzig und irgendwie hatte ich gute Laune. Meine ganze negative Einstellung schien nun lächerlich.
Als ich aber sah, wie angespannt er war, sank meine Laune wieder. Ihm lag das Thema genauso schwer wie mir auf der Zunge, doch er sprach es nicht an.
Ich schlüpfte in meine viel zu kalten Schuhe und zog meine Jacke an. In einer Bewegung griff ich nach meiner Handtasche und zog die Haustür hinter mir zu, nachdem er das Gebäude verlassen hatte.
Es hatte aufgehört zu schneien, doch auf dem Boden lag immer noch jede Menge. Meine Schuhe quietschten als ich über den Schnee lief.
„Schönes Wetter", log ich und sah, wie dabei weiße Wolken erschienen. Es war verdammt kalt, doch mir war heiß.
Ich versuchte es auf die einfachste Art – Smalltalk.
„Okay, ich ertrage diese Anspannung nicht mehr", sagte er plötzlich und energisch, „es tut mir Leid."
Da hat sich aber jemand geirrt.
„Es tut dir Leid?!", platzte es aus mir heraus, bevor ich mich selbst stoppen konnte. Er blickte mich nur aus seinen klaren, hellen Augen etwas überrumpelt an. „Es tut dir verdammt nochmal Leid?! Du hast mich einfach überfallen, hast mir nicht einmal die Chance gegeben, mich zu wehren. Und danach, um das ganze noch zu toppen, bist du wie von der Tarantel gestochen weggelaufen! Was sollte das???"
Wir beide blieben stehen und er sah mich blank an.
Damit hat er wohl nicht gerechnet.
„Überfallen?! Dir keine Chance gegeben?!", er war genauso sauer wie ich, „Du hast, sofort ab der ersten Sekunde, mitgemacht! Du hättest mich aufhalten, wegschubsen oder was auch immer tun können, aber NEIN, du hast genau das Gegenteil getan!"
„Das GEGENTEIL?!", schrie ich nun und raufte mir die Haare.
Er trat blitzschnell einen Schritt näher. Bevor ich ihm noch etwas an den Kopf werfen konnte, hatten sich seine eiskalten Hände an mein Gesicht gelegt. Seine Augen bohrten sich in meine und seine Lippen waren nur Millimeter von meinen entfernt.
Ich widerstand dem Drang, mich nach vorn zu beugen und seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich kämpfte so sehr dagegen an -
Kopf gegen Herz.
Seine Finger auf meinen Wangen versetzten Stromschläge in jede meiner Zellen, die mich aufleben ließen. Sie ließen mich für einen kurzen Moment das pure Leben leben dürfen. Ich fühlte mich, als dürfte ich nach einer viel zu langen Zeit endlich wieder einmal frische Luft atmen. Mein Herz klopfte wie verrückt.
„Siehst du", hauchte er nicht einmal mehr einen Millimeter von meinen Lippen entfernt und bewegte sich kein Stück mehr.
„Ich sehe gar nichts", erwiderte ich genauso leise. Ich ging einen Schritt nach hinten und löste mich (widerwillig?) aus seinem Griff. „Du hast mich genauso überrumpelt wie in der Umkleide."
Aus seiner ernsten Miene wurde eine fast schon traurige, enttäuschte Miene.
„Na dann", sagte er erst leise, wurde dann lauter, „ist das ja geklärt." Sein harter Blick fesselte mich förmlich. „Entschuldige, kommt nicht wieder vor."
Auch wenn ich es nicht zugeben würde, seine Verletzung ließ auch mich jedes meiner Worte bereuen. Ich wusste selbst, dass alles gelogen war. Mit offenem Mund beäugte ich ihn.
Sag irgendwas!
Was denn?!?
... Keine Ahnung.
„Sehen wir uns einen Film an? Im Kino?" Sein Ausdruck war sanfter als gerade, doch immer noch steinhart, und er sah zur Seite. „Und keine Sorge, das soll kein Date sein."
Meine Stimme fand ich nicht wieder, also nickte ich stumm.
Was ist hier eigentlich los? ...
Wen fragst du das.
**
Außer ein paar gemurmelten „Bitte"s und „Danke"s hatten wir kein Wort mehr miteinander gesprochen. Nach dem Film gingen wir, ebenfalls wortlos, nach Hause.
Ich lag noch stundenlang in meinem Bett. Egal mit was ich versuchte, mich abzulenken - ob Film, Buch oder Zeitschrift – nichts lenkte mich ab. Mir ging das Gespräch einfach nicht aus dem Kopf. Es verlief genauso, wie es nicht hätte laufen sollen!
Ich wollte doch einfach nur, dass wir die Sache klärten und uns danach genauso verstanden wie davor.
Ich wollte ihn nicht verlieren, nicht ihn auch noch.
Obwohl ich meinen Vater beispielsweise ja nie richtig verloren hatte. Ich hatte ihn noch nie kennengelernt, da konnte man das ja nicht als verlieren bezeichnen.
Du kannst nichts verlieren, dass du nicht besitzt.
Aber trotzdem brauchte ich Sebastian in meinem Leben, das wusste ich. Er gab dem Wort „Leben" eine ganz neue Bedeutung. Ich glaubte, endlich erfahren zu dürfen, was „leben" bedeutete.
Und genau als ich bereit war, laut in meinen Kissen zu schreien, ertönte eine Nachricht. Sie kam um 23:59 Uhr an und in ihr stand:
„Ich glaube, wir sollten uns meiden."
=
Oh oh, was ist denn jetzt schon wieder los...
Vielen Dank (:
**
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All the love <3
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24 Tanzschritte | Adventskalender 2016
Ficção AdolescenteLeonies größte Leidenschaft ist das Tanzen. Es ist das einzige, was ihr Halt gibt, in ihrem chaotischen Leben. Sie soll auf der großen, alljährlichen Weihnachtsfeier ihres Tanzsportvereins im Mittelpunkt stehen und eine aufwendige Choreografie ei...