23 - So kannte ich mich auch noch nicht

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Mittwoch, 21. Dezember

Ich redete mir immer wieder ein, dass ich ihn schon vergessen hatte.

Das glaubst du ja wohl selbst nicht.

Irgendwann wäre ich soweit, dass ich es glauben würde. Ganz sicher.

Pah. Dann hoff' mal weiter.

Schwer ausatmend verließ ich mein warmes, kuscheliges Bett, um den Tag zu beginnen. Vielleicht würde er ja nicht ganz so schlimm werden.

Ich musste einfach einen Filter über meine Sichtweise legen und alles schön positiv wahrnehmen. Das dürfte doch nicht zu schwer sein, oder?

**

Das war es dann auch gar nicht. Ich tat einfach so, als hätte es die ganzen vergangenen Tage nicht gegeben. So, als hätte der Dezember gar nicht existiert und ich würde einfach dort weitermachen, wo ich am Ende des Novembers aufgehört hatte. So hatte ich es auch Jana und Melissa erklärt.

„Jetzt ehrlich, meinst du nicht, dass das ... Ich weiß nicht, schlecht ist?", fragte Melissa vorsichtig.

„Wie meinst du das?", stellte ich eine Gegenfrage und konzentrierte mich, meinen Filter schön drauf zu behalten.

„Wenn du alles nur noch positiv siehst ... Das geht doch gar nicht. Alles kommt ins Gleichgewicht, du kannst nichts positives haben, ohne nicht auch im Gegenzug etwas negatives zu haben."

Ich dachte einen Moment lang nach. Mein Filter schien sich aufzulösen.

„Ich weiß ja, dass da etwas negatives ist. Ich blende es nur aus", erwiderte ich dann und widmete mich meinen Aufgaben.

Sie rissen an meiner Mauer, die meine Gefühle verbarg. Ich wollte das nicht.

Es ging mir gut damit, ignorant zu sein.

Es war definitiv besser, als mich dem Schmerz hinzugeben.

**

„Leonie", rief mich mein Lehrer, „könnten wir noch mal ein Gespräch führen?"

Oh man. Mir lief es kalt den Rücken herunter.

Das, was ich beim letzten mal gesagt hatte ... Ich schämte mich zutiefst.

Alle Schüler verließen den Klassenraum und er sah mich an.

„Hören Sie", fing ich an und sah auf den Boden, doch er unterbrach mich.

„Nein, Leonie. Ich entschuldige mich. Ich habe mich mehr in dein Privatleben eingemischt, als ich sollte, und dafür tut es mir Leid."

Sprachlos stand ich eine Sekunde da.

„Ich wollte mich gerade selbst entschuldigen. Das, was ich gesagt habe, war eindeutig zu viel, und ich schäme mich. Ich wollte nicht so reagieren, ich war einfach ... Sehr verwirrt, zu dem Zeitpunkt, und konnte mich nicht konzentrieren. Ich versuche, mich in nächster Zeit zu bessern."

„Es freut mich, das zu hören", meinte er, nun eindeutig fröhlicher, „So kennen die anderen Lehrer und ich dich nämlich gar nicht."

Ich lächelte nur halbherzig und verschwand auch aus dem Raum.

So kannte ich mich auch noch nicht.

Das war alles seine Schuld. Er hatte diese Gefühlswelle in mir ausgelöst.

Ich konnte das nicht weiter zulassen. Ich musste es stoppen, bevor es zu spät war. Also beschloss ich, mich ab heute von ihm zu isolieren. Mit allem, was dazu gehörte.

**

Zuhause war das erste, was ich tat, an mein Handy gehen.

Ich hatte immer noch ungelesene Nachrichten. Von ihm.

Ich hatte mit der Isolierung begonnen, indem ich mir selbst verbat, seinen Namen zu erwähnen. Sowohl in Gedanken, als auch im Gespräch.

Mein Daumen schwebte über dem Chat.

Es waren noch mehr Nachrichten als die, die er mir unmittelbar nach Thomas' Party geschickt hatte.

Mein ursprünglicher Plan war, direkt seine Nummer aus meinen Kontakten zu löschen, ohne mit der Wimper zu zucken oder irgendwie darüber nachzudenken. Doch nun war ich unentschlossen.

Ich war einfach zu neugierig, um seine Nummer samt den Nachrichten zu löschen.

Mein Herz pochte vor Aufregung. Was sollte ich nur tun?

Im Schnelldurchlauf zog alles an mir vorbei, als ich meine Augen schloss.

Wie er hier einzog. Ich ihn beim Training sah. Wir uns gegenseitig neckten. Wir trainierten. Wir redeten. Wir lachten. Wir persönliche Gespräche führten. Wir harmonierten. Die Party. Laura. Laura und er, zusammen. Der Kuss.

Mit einem Mal löschte ich alles. Seinen Kontakt, den Chat. Die Sache war klar.

Er hatte es mir klargemacht. Und jetzt erst verstand ich. Weil er eine Freundin hatte und sie liebte.

Wir waren Tanzpartner. Nicht mehr, nicht weniger.

So war es die ganze Zeit lang und so würde es auch bleiben.

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Zum Glück habe ich das Kapitel gestern schon überarbeitet... Liege nämlich gerade mit Fieber in meinen Bettchen. Yay!

Wie dem auch sei... Danke. x

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24 Tanzschritte | Adventskalender 2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt