29 - Sebastian

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Samstag, 24. Dezember [Part IV]

Wir tanzten und tanzten, als gäbe es nichts anderes, als wäre es unser Leben. Ich war so versunken in dem Tanz, als wäre es mein einzigerLebensinhalt. Zeit gab es nicht, Regeln gab es nicht. Es gab nur die Musik, Sebastian und mich.

Ich nahm nichts war. Nicht das Publikum, das begeistert klatschte und jubelte, nicht die anderen Tänzer, die das Bild vollendeten, nicht die Scheinwerfer, die auf uns gerichtet waren. Nichts.

Das einzige, was gerade zählte, waren Sebastians Hände auf meinem Körper.

Sebastian.

Sebastian, der keine Freundin hatte. Sebastian, der nicht in fremdem Besitz war. Sebastian, der hier bei mir war. Sebastian, mit dem ich tanzte, als gäbe es kein Morgen.

Sebastian, der mich mochte.

Ich legte alle Gefühle in den Tanz. Ich gab alles, was in mir war. Ich gab mich voll und ganz dem Tanz hin. So konzentriert war ich noch nie zuvor. Es fühlte sich nicht einmal an, als wäre ich konzentriert. Es fühlte sich ganz natürlich, ganz richtig an.

Eine Pose nach der Anderen vollendeten wir mit Grazie und Eleganz. Alles klappte perfekt, die Tänze und Schrittfolgen, die Posen, die Bilderwechsel. Alles verlief wie im Bilderbuch.

Der Tanz verging so schnell wie noch in keiner Probe. Trotzdem war jeder Augenblick wie eine Ewigkeit, ich nahm jeden einzelnen mit jeder Faser meines Körpers wahr. Wir waren wieder in unserer Luftblase, unserer eigenen Realität.

Ich fühlte den Tanz. Ganz einfach.

Viel zu früh kam die Endpose. Sebastian und ich waren uns gegenüber, unsere Köpfe auf Augenhöhe. Er hielt mich in der Luft, damit ich ihm in die Augen sehen konnte, unsere Körper waren aneinander gepresst. Eines meiner Beine war nach unten gestreckt, das andere war angewinkelt. Er hielt mich sicher an meiner Hüfte, ich ihn an seinem Nacken.

Schwer atmend sahen wir uns an. So viele Emotionen auf einmal spiegelten sich in seinen Augen wider und ich war mir sicher, dass es bei mir nicht anders war.

Ich war zu überwältigt, um nur ein Gefühl zu empfinden. Ich war unglaublich glücklich, erleichtert, erschöpft und überwältigt auf einmal. Ich konnte auch an nichts denken, mein Kopf war einfach ... frei.

Sebastians Lippen waren geöffnet, Schweiß floss an seinen Schläfen hinab. Einen kurzen Moment lang sah er zwischen meinen Lippen und meinen Augen hin und her, presste dann kraftvoll und intensiv seine Lippen auf meine.

Aus weiter Ferne hörte ich das Publikum mindestens dreimal so laut wie vor dem Kuss jubeln. Es war dumpf, so als ob ich schalldichte Kopfhörer trug. Ich wusste nicht, wo ich stand, was um mich herum passierte, wer ich war.

Ich wusste nur eins. Ich war eins mit Sebastian. Wir gehörten zusammen, welches Problem auch immer sich zwischen uns stellen würde.

Nichts in meinem ganzen Leben hatte sich je so richtig angefühlt, wie seine Lippen auf meinen.

Ich konnte in keinster Weise beschreiben, was der Kuss in mir anrichtete. Er zog das letzte, was noch in mir übrig war, aus mir heraus. Ich dachte, ich hätte beim Tanzen alles gegeben.

So viel wie ich ihm gab hatte ich noch nie geben können. Und zwar Alles.

Ich gab mich ihm voll und ganz hin. Meine Seele, mein Körper, alles gehörte ihm.

Vorsichtig lösten sich seine Lippen von meinen, so als ob etwas Schlimmes passieren könnte, wenn wir uns trennten. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Ich konnte es nicht einmal einschätzen.

Sekunden? Minuten? Eine Unendlichkeit? Gar keine?

Die Zeit schien nämlich still zu stehen, wann immer er mich berührte.

Mit dem Moment, indem er sich von mir entfernt hatte, wurde ich wieder in die Realität zurückkatapultiert. Ich entfernte meinen Blick von ihm und sah mich um. Ich hörte jedes Klatschen, jeden Jubelruf. Spürte die Scheinwerfer auf uns, die Vibration des Bodens. Sah das Publikum, das von seinen Plätzen aufgestanden war.

Mom, in der ersten Reihe. Wie stolz und überglücklich sie mich ansah.

Und ... Warte, konnte das sein? Ja, er war es!

Finn stand ganz hinten an der Tür. Er musste vor kurzem erst hereingekommen sein. Auch er lächelte mich stolz und glücklich an, zeigte mit beiden Daumen nach oben.

Freudentränen stiegen in meine Augen und ich grinste von einem Ohr zum anderen.

Das war mit Abstand der beste Augenblick meines Lebens.

**

„Sebastian! Leonie!" Nachdem wir die Bühne, Hand in Hand, verlassen hatten, einander zu der großartigen Show gratuliert hatten und uns etwas aufgefrischt hatten, sind alle wieder in den Saal zu den Zuschauern gegangen. Alle kamen auf uns zu, wollten uns Fragen stellen oder uns gratulieren.

Genau wie vor der Show ließen Sebastian und ich uns nicht aus den Augen. Nur diesmal war seine Hand um meine Hüfte geschlungen und meine lag auf seinem Rücken.

Ich strahlte. Keiner konnte mir gerade irgendwie die Laune vermiesen.

Sebastian platzierte zwischendurch sanfte Küsse auf meinen Kopf oder zog mich noch näher an ihn heran. Ich merkte, wie sehr er nun lieber mit mir alleine wäre und musste zugeben, dass es bei mir nicht anders war.

Ich wollte seine Lippen wieder und wieder auf meinen spüren. Es war das schönste Gefühl, das ich je erleben durfte.

„Eine fantastische Show, herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg!" Einige der Leute, die bei fast jedem Training anwesend waren, gratulierten uns auch. Roberts Freude, wie er sie uns vorgestellt hatte. Ich glaubte immer noch nicht daran.

Sebastian und ich bedanken uns beide mit vollem Herzen.

„Nun ja, wisst ihr, wir sind nicht Roberts Freunde, zumindest nicht nur", begann eine ältere Dame und lächelte. Ich wusste es!

„Eigentlich sind wir Lehrer", sie zeigte auf die Leute neben sich, „und Direktoren", legte ihre Hand auf ihren Brustkorb, „von einer Hochschule für begabte Tänzer."

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Oooh, was hat das denn jetzt auf sich? Vermutungen? :)

Das vorletzte! Unglaublich, dass das Buch dann endet. Irgendwie traurig.

Danke an aaalle '♥

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24 Tanzschritte | Adventskalender 2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt