12 - Hier war mein Herz

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Montag, 12. Dezember

„Das ist Alles deine Schuld! Alles!"

Ich kniff meine Augen so stark es ging zu und presste mir meine Hände auf meine Ohren, um die Schreie zu dämpfen. Doch so wurden sie nur noch schlimmer; ich nahm sie nicht mehr über meine Ohren auf, sondern sie hallten direkt durch meine Seele.

„Wegen dir habe ich dich, deinen Bruder und deine Mutter verlassen. Du hast unsere Familie zerstört. Du warst überhaupt nicht geplant, erst recht nicht gewollt."

Er hatte aufgehört, zu schreien. Seine Stimme war nun gefährlich ruhig und tief, was mich noch mehr erschütterte.

„Das war ja eindeutig deine Schuld!", verwandelte sich die Stimme nun mit jedem weiteren Wort in die meiner Mutter. „Immer benimmst du dich unmöglich! Ich kann es nicht fassen." Enttäuschung, Trauer und Wut beschwerten ihre Stimme.

„Du stößt alle von dir. Eines Tages möchte niemand mehr etwas mit dir zu tun haben ... Dieser Tag ist heute." Meine Mutter lächelte falsch und unheimlich.

„Du zerstörst dein eigenes Leben. Und als ob das noch nicht genug wäre, musst du auch noch andere belasten und alles andere zerstören. Wie uns. Deine Familie."

„Ihr seid nicht meine Familie!", schrie ich so laut wie ich konnte und saß senkrecht im Bett.

Meine Albträume hatten eine völlig neue Ebene bekommen.

Zum ersten Mal hatte ich so schrecklich geträumt. Ich dachte immer, es könnte nicht schlimmer kommen, doch nun wurde mir dies mit aller Kraft bewiesen.

Immer noch keuchend legte ich mich zurück in mein Bett. Ich konnte nicht einschätzen, wie spät es war, doch es war definitiv noch vor sechs Uhr morgens.

Den Rest der Nacht wälzte ich hin und her mit dem Wissen - und dem Willen -, nicht mehr einschlafen zu können.

Irgendwann hörte ich dann Schritte.

Mein Herz setzte für Sekunden aus.

Ein Einbrecher?...

Meine Vermutung stellte sich als falsch heraus, als ich hörte, wie die Tür direkt neben meinem Zimmer ins Schloss fiel. Es war das Badezimmer und keinen Augenblick später hörte ich auch schon Wasser rauschen.

Es musste also ungefähr fünf in der Früh sein.

Ich lauschte dem Wasser. Nicht viel später hörte es auf und ich hörte die Tür wieder auf- und zugehen. Allein die Schritte waren förmlich so aggressiv, dass sie den Boden eintreten könnten.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verging, doch ich hörte, wie die Haustür aufging und wieder zugeschlagen wurde.

Schön, dass ich Mom nicht begegnen musste.

**

„Wow, du siehst aus wie ein Zombie", lachte Jana, erkannte dann den Ernst hinter der Aussage und verstummte.

„Danke", murmelte ich sarkastisch und funkelte sie an.

„Wie lange hast du geschlafen?", fragte jetzt Melissa besorgt. Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Wieso schläfst du immer so wenig?"

Weil ich Albträume habe, die sich verdammt real anfühlen, trotzdem aber nicht echt sind, und in denen meine größten Ängste vorkommen.

Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Ich kann's einfach nicht."

Melissa und Jana wussten nichts von meinen Albträumen. Ich wusste nicht genau, wieso ich ihnen nicht davon erzählte. Es war nicht der Mangel an Vertrauen, wahrscheinlich eher der Mangel an Verständnis, den sie mir geben könnten ... Und diese Träume waren meine private Angelegenheit, mit denen hatten sie nichts zu tun, wieso sie also damit langweilen?

24 Tanzschritte | Adventskalender 2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt