Mittwoch,14. Dezember [Part I]
Ich konnte es gar nicht erwarten, aus der Wohnung herauszukommen. Also sprang ich aus dem Bett und beeilte mich, dieses Irrenhaus zu verlassen.
Der Tag zog an mir vorbei, ich nahm alles nur passiv war. Als ob ich träumen würde oder high wäre, beides passte irgendwie.
Die Realität holte mich aber mit voll Karacho ein, als ich das Studio betrat. Ja, heute war Mittwoch, also eigentlich kein Wochentag, an dem wir Training hatten. Robert hatte uns aber spontan zu einem Extra-Training gebeten.
Ich durchdachte zum ersten Mal nicht die gesamte Situation und was mir bevorstehen würde, sondern stellte mich meinem Schicksal.
„Leonie, wie schon dich zu sehen!", begrüßte mich Robert so gut gelaunt wie eh und je.
Nimm dir mal ein Beispiel an ihm.
Ich knurrte daraufhin nur und erwiderte ein „Gleichfalls".
„Heute sollten wir so langsam mal die Choreo in den Griff bekommen. Übernächstes Mal werden uns schon die Backgroundtänzer beehren und da sollten die Schritte wenigstens in euren Köpfen gespeichert sein. An der Ausstrahlung und den Details können wir dann immer noch arbeiten. Wir lernen also heute die letzten Schritte, das Grand Final, und behalten das hoffentlich."
Ich nickte und versuchte, die Sätze im Kopf zu behalten und sie zu verstehen.
Backgroundtänzer.
Wow. Die hatte ich ja ganz vergessen!
Mich packte wieder etwas von der Aufregung, die ich verspürt hatte, als Robert mir mitteilte, dass ich die Hauptrolle des Abends war.
Ich musste mir vor Augen halten, was ich hatte und erreichen würde. Diese Hauptrolle hatte ich sicher und niemand könnte sie mir wegnehmen.
Außer du versaust es ...
Meine innere Stimme hatte Recht. Ich musste mich reinhängen, sonst würde ich mir diese Chance auch noch versauen ...
Also setzte ich ein Lächeln auf und tat wenigstens so, als hätte ich super Lust auf das Training. Vielleicht würde ich ja wirklich welche bekommen, wenn ich lange genug so tat.
„Na dann los", sagte ich, so enthusiastisch wie möglich, und Robert lachte.
„Ich stimme dir voll zu!"
Sebastians Augen lagen die gesamte Zeit auf mir. Ich fühlte mich extrem unwohl, doch das durfte ich mir nicht anmerken lassen.
Immer schon lächeln.
Ich stellte mich genau vor Sebastian, der bereits mitten im Raum stand. Ich traute mich endlich in seine Augen zu schauen. Ich musterte sie für einen ewigen Augenblick. Seine Augen strahlten nicht und auch sein Gesicht war wie versteinert. Er sah mich auch an und mein Herz klopfte noch schneller, als es eh schon tat. Ich verspürte ein Kribbeln in meiner Magengegend und wollte nur noch, dass es aufhörte. Das sollte nicht passieren, es tat mir nicht gut.
Mich verlor jegliche Körperbeherrschung, als er seine Hand an meine Taille legte.
Ich legte meine Hand in seine, die unglaublich kalt war. Genau wie meine.
Jeder andere hätte gesagt, es liege an dem Wetter.
Doch wir beide wussten, wie durch Telepathie, dass unsere kalte Haut nichts mit dem Winter zu tun hatte.
Irgendwoher wusste ich, dass bei ihm ebenfalls etwas nicht stimmte. Ihn beschäftigte etwas mindestens genauso sehr, wie mich mein Leben beschäftigte.
Meine Konzentration setzte nicht völlig ein, jedoch konnte ich die Schritte mittlerweile flüssig austanzen. Sebastian genauso, doch er war noch weniger beider Sache als ich.
Ich nahm die Weihnachtsmusik, zu der wir tanzten, zum ersten Mal richtig wahr. Bald war schon Weihnachten.
Meine Gedanken wollten nicht bei dem Thema „Weihnachten" bleiben, sie kreisten lieber um diesen Idioten direkt vor mir. Ich versuchte, mich auf die Weihnachts-Vibes zu konzentrieren, doch es hielt nie lange an.
Diese blau-grünen Augen sind eben interessanter.
Das Grand Final, wie Robert es immer ganz betont und gerne nannte (obwohl ich mir nicht einmal sicher war, ob das überhaupt in irgendeiner Sprache korrekt war), war einfach atemberaubend. Es übertraf die ganze Choreo und war mit Sicherheit der Höhepunkt. „Es passiert dabei soviel auf einmal, man weiß gar nicht, wo man hingucken soll", erzählte er uns. „Doch der Fokus wird auf euch liegen. Ihr werdet natürlich im Mittelpunkt stehen. Diese Show wird ein Riesenerfolg, ich kann es spüren!"
Robert merkte heute nichts und leitete uns gut gelaunt durch das Training. Seine gute Laune sprang teilweise auf mich über und ich verließ das Studio mit einem Lächeln.
Tanzen war eben das, was mich rettete, wenn ich verloren war. Wieso konnte meine Mutter das nicht einfach verstehen?...
„Hast du Zeit um zu reden?", ertönte es hinter mir und ich hielt in meiner Bewegung inne.
Sebastian stand hinter mir, etwa drei Schritte entfernt und seine Stimme hallte zu mir herüber.
„Wir sollten doch besser keinen Kontakt haben, dachte ich." Meine Stimme verschwand im dunklen Abend, der ziemlich ruhig war. Kein Wind blies durch die Häuser, keine Flocke Schnee fiel und keine sonstigen Geräusche waren in der Nähe zu hören.
„Ach komm, Leonie." Ich bekam eine Gänsehaut, als er meinen Namen mit seiner dunklen und doch so weichen Stimme sagte. „Ich meinte das nicht so."
„Wieso hast du es dann gesagt?" Ich drehte mich um 180 Grad und schaute in sein Gesicht.
„Das ist ... kompliziert." Sein Kopf senkte sich und ich dachte, alle wollten mich wohl verarschen.
„Wieso ist das kompliziert? Wieso kannst du nicht einmal ehrlich zu mir sein?", presste ich durch meine Lippen hervor.
Er seufzte und fuhr sich durch die Haare. Ich würde wohl nie auf diese eine Bewegung von ihm normal reagieren können.
„Dir geht es nicht gut. Ich weiß das. Und wenn das meine Schuld ist - "
„Es geht nicht alles immer nur um dich!", schrie ich und meine Stimme brach am Ende. Woher diese Aussage plötzlich kam, wusste ich nicht.
Seine Schultern sackten nach unten und seine ganze Haltung war nicht länger aufrecht.
„Du hast Recht. Du hast verdammt Recht. Es geht nicht immer nur um mich, es geht genauso um meine Mutter, die ohne meinen Vater verzweifelt, der meinte, sich einfach aus dem Staub machen zu müssen. Meine Mutter, die zur Flasche greift und uns alle dadurch zerstört, denn sie kommt nicht über ihn hinweg. Nein, es geht um meinen Vater. Und das schon mein ganzes Leben lang."
Ich starrte ihn sprachlos an und er starrte zurück. Damit hatte ich nicht gerechnet, keineswegs.
=
Mögliche Fehler muss ich nachher berichtigen, ich muss jetzt nämlich los! Wer aufmerksam war, hat gelesen, dass oben "Part 1" stand - Part 2 kommt, wenn ich wieder zurück bin! :)
Vielen Dank <3
**
Hier Kontakt mit mir aufnehmen:
Instagram: miesxo.ig / michelleraa_
Twitter: michelleraa_
Snapchat: michelle_raa
DU LIEST GERADE
24 Tanzschritte | Adventskalender 2016
Fiksi RemajaLeonies größte Leidenschaft ist das Tanzen. Es ist das einzige, was ihr Halt gibt, in ihrem chaotischen Leben. Sie soll auf der großen, alljährlichen Weihnachtsfeier ihres Tanzsportvereins im Mittelpunkt stehen und eine aufwendige Choreografie ei...