Wieder einmal saß ich alleine in meinem Zimmer. Ladislao war bei seinem Training. Er war eh kaum zuhause. Nun war unsere Hochzeit schon eine Weile her, aber ich konnte mich immer noch nicht in ihn verlieben. Vielleicht lag das daran, dass wir uns bis heute nicht richtig kannten. Zwei Fremde in einem Haus. In einer Ehe.
Ein Ton ertönte und ich ging zu meinem Laptop. Seit Monaten chattete ich in meiner Einsamkeit mit einem Mann namens James. Er war sehr lieb und hörte sich meine Sorgen an. Nach dem Tod meiner Mutter hatte sich keiner mehr so sehr um mich gesorgt. Er schrieb mir immer wieder, fragte nach meinem Tag, nach meinem Wohlbefinden, erkundigte sich über mein Leben.
Ich hatte ihm nicht gesagt, dass ich verheiratet war. Ich konnte nicht. Ich... ich wusste nicht, wie er reagieren würde. Ob er mich nicht mehr wollen würde. Manchmal telefonierten wir über die Nacht, wenn Ladislao weg war. An manchen Tagen kam er überhaupt nicht nach Hause. Das war mir aber egal. Hätte ich ihn irgendwie lieben können, würde ich auf ihn warten. Aber das war nicht der Fall.
Ich las die Nachricht durch: "Wir schreiben und telefonieren schon so lange, Angelie. Meine Angelie, ich würde dich gerne sehen. Dich wirklich kennenlernen."
Meine Augen weiteten sich. Ich wurde ganz hibbelig. Was sollte ich nur antworten?
"Ich weiß, dass du dort bist. Bitte, antworte mir doch." Erneut sah ich eine Nachricht von ihm. "Wovor fürchtest du dich? Vertraust du mir nicht?"
Natürlich vertraute ich ihm. Ich hatte nur Angst vor der Wahrheit.
"James, du bist der einzige, dem ich zurzeit wirklich vertraue. Ich habe nur Angst...", schrieb ich ihm zurück.
"Ich habe dich sehr lieb gewonnen. Du bedeutest mir ungeheuer viel. Bitte. Ich möchte, nein, ich muss dich endlich sehen, meine liebe Angelie."
Wie sollte ich da nein sagen? Ich stimmte ihm zu. Wir wohnten nicht sehr weit voneinander entfernt. Am nächsten Tag stand unsere Verabredung. Ich war sehr aufgeregt, wie ein Grundschulkind, das zum ersten Mal in die Schule ging. Ich hatte nie ein Date gehabt. Die Freude war groß.
Aus Sicherheitsgründen, die er natürlich nicht kannte, wollte ich mich mit ihm in seiner Gegend treffen. Es wäre zu riskant gewesen, dass mich jemand erkennen würde.
Wir hatten ausgemacht, dass wir uns in einem Cafe treffen würden. Ich kam überpünktlich und setzte mich in die vereinbarte Ecke. Genau auf die Minute kam er an und lief auf meinen Tisch zu. Er hatte eine durchschnittliche Größe. Sein gewelltes oranges Haar fiel ihm locker auf die Stirn. Als er näher kam bemerkte ich seine Sommersprossen, durch die er sehr sympathisch wirkte und eine warme Ausstrahlung hatte. Zwar kannte ich sein Aussehen bereits, dennoch war es anders, ihn vor mir zu sehen. Ich stand auf, um ihn zu begrüßen.
"Angelie?", nahm er meine Hand zwischen seine.
"Hallo", brachte ich leise hervor. Wegen meiner Nervosität konnte ich nicht reden.
"Ich freue mich unglaublich, dich endlich zu sehen", lächelte er mich warm an.
Ein Gefühlschaos brach über mich ein. Ich sah in seine olivgrünen Augen, die mich liebevoll ansahen. Ich sah mich selbst in ihnen.
"Ich freue mich auch", entgegnete ich ihm schüchtern.
Er kam einen Schritt näher und stand somit direkt vor mir. Er löste eine Hand von meiner und legte sie an meinen Hals, wobei er mit dem Daumen über meine Wange strich. Hitze brannte in mir. War das Liebe? War das dieses weit verbreitete Feuerwerk in einem? Dieser Funken, wenn die Chemie einfach stimmte?
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Zwei Frauen✅
Romance"Die Straßen wurden mein Zuhause, der Boden mein Bett, die Nacht meine Decke. Vergessen wie eine Ratte, verdammt zu einem Leben in einer Gasse." Vor weniger Zeit lebte Crystal noch auf den Straßen. Nun sollte sie die Frau eines der reichsten Männer...