Den ganzen Tag über wurde ich geschminkt und hergerichtet. Dauernd machte jemand an mir etwas herum, weshalb ich im Anschluss ziemlich genervt zum Saal fuhr, in dem die Feier stattfand.
Der Wagen hielt vor einem Schloss an, wobei mir ein anerkennender Laut, was beinahe wie ein Pfeifen klang, entfuhr. Ich trat aus dem Auto, lief auf das Schloss zu, vor dem sogar ein mit Figuren und Verzierungen geschmückter Brunnen stand. Durch das riesige Tor betrat ich das Innere des Palastes und staunte über die mittelalterliche Atmosphäre. Eine zweite Tür offenbarte sich mir.
"Miss, dort müssen Sie hinein", deutete der vorherige Chauffeur.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mir nachgekommen war. Mir stockte der Atem, als ich durch die Tür trat. Ein enormer Saal mit einer hohen Decke und vielen runden Säulen nahm mein Blickfeld ein. Die Wände waren aus hellfarbigen Steinen, typisch für ein Schloss. Durch die Mitte lief ein von Tischen frei gehaltener Gang, der vom Eingang in einen freien Bereich, wahrscheinlich die Tanzfläche, mündete. Verteilt im ganzen Raum standen runde Tische, alle befüllt mit Menschen, auf denen weiße Rosen und silberne Kerzenständer aufgestellt waren. Generell herrschten helle Töne im Raum.
Ich sah mich in der Menschenmasse um und fühlte mich unwohl in meiner Haut, denn plötzlich sahen viele zu mir herüber. Binnen Sekunden drehten sich dann alle Köpfe in meine Richtung, sogar die Musik spielte nicht mehr. Unter den ganzen Leuten erkannte ich ein bekanntes Gesicht. Ladislao.
Er sah besonders gut aus heute. Sein Bart, sein Anzug und überhaupt seine Ausstrahlung. Ich bemerkte wie er mich mit offenem Mund anstarrte, was mich irgendwie stolz machte.
Camilla hatte lange auf mich eingeredet, niemandem über meine Lage zu erzählen. Sie stellte mir die schlimmsten Szenarien vor, wie die Carbones mir das Leben zur Hölle machen würden. Vielleicht würden die meisten in meiner Situation für ihre Freiheit kämpfen oder irgendwie versuchen hier abzuhauen. Aber wieso und wozu sollte ich das tun? Wieso sollte ich mein Leben riskieren und versuchen abzuhauen? Vor allem was würde ich danach tun? Richtig, gar nichts. Ich war obdachlos, aber ganz sicher nicht dumm. Ladislao wollte mich als seine Frau präsentieren. Dieser Mann war nicht besessen von mir oder gar verliebt in mich. Ich diente nur zur Schau. Und im Gegenzug bekam ich diesen Luxus zu genießen. Ergo, blieb ich da, wo ich war.
Sein Vater redete auf ihn ein. Selbstverständlich konnte ich nicht hören, was er zu ihm sagte, aber er bewegte sich langsam in meine Richtung. Ich hielt den Atem an. Er kam zielsicher auf mich zu. Was würde jetzt passieren? Er stoppte paar Schritte vor mir und sein Blick wanderte über meinen Körper. Ich sah ihm stets in die Augen, was er mir nach seiner Erkundung gleich tat, wobei sein Blick etwas länger auf meiner Oberweite ruhte. Wir sahen uns intensiv an. Plötzlich kam mir seine Augenfarbe nicht mehr gruselig vor. Ich beneidete ihn eher um die Schönheit und die Einzigartigkeit darin.
Ladislao trat näher, fasste meine rechte Hand, woraufhin er einen Kuss auf meine Knöchel hauchte und sich den Blick haltend vor mir leicht verbeugte. Ach, du Scheiße! Ich hielt mich schwer, um nicht irgendwie zu zucken. Das war ungewohnt für mich. Noch nie hatte jemand vor mir so eine Geste gemacht.
"Folge mir", flüsterte er mir kurz zu und hakte meinen Arm bei ihm unter, indem er noch seine Hand auf meine legte, die auf seinem Unterarm ruhte.
Seine Berührung war nicht grob oder hart. Sie war ganz sanft, wie ein Tuch legte sich seine Hand auf meine. Gemeinsam schritten wir in den freien Bereich. Er hielt wieder meine Hand und stellte sich vor mich hin. In dem Moment dröhnte eine schöne, langsame Melodie. Sie nahm mich mit in eine andere Welt.
Mit einem Ruck schnellte ich plötzlich vor. Ladislao hatte seine freie Hand an mein Kreuz gepresst, weshalb ich gegen seine Brust knallte. Ein erotisches 'Oh' raunte durch die Menge. Was war nur mit diesen Leuten falsch? Kein Blatt hätte zwischen uns gepasst. Die Außenstehenden dachten sich wahrscheinlich, dass wir total verliebt ineinander wären. Kein Wunder, bei dem Bild, das wir gerade anboten.
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Zwei Frauen✅
Romance"Die Straßen wurden mein Zuhause, der Boden mein Bett, die Nacht meine Decke. Vergessen wie eine Ratte, verdammt zu einem Leben in einer Gasse." Vor weniger Zeit lebte Crystal noch auf den Straßen. Nun sollte sie die Frau eines der reichsten Männer...