Der Wind wehte durch meine Haare und sorgte dafür, dass sie hin und her flogen. Ladislao neben mir fuhr unser Boot, womit wir zur nächsten Insel wollten. Gab es irgendetwas, was dieser Mann nicht konnte? Ich durfte noch nie Zeuge davon werden und mittlerweile kannte ich ihn schon seit mehreren Monaten. Kaum zu fassen, dass wir in dieser kurzen Zeit schon verheiratet waren. Er drehte sich zu mir, da er wahrscheinlich meinen Blick bemerkt hatte. Ich lächelte ihn nur an, was er erwiderte und weiterhin das Boot steuerte. Er wirkte hier entspannt und locker, nicht so gestresst wie zuhause. Wir waren bereits seit vier Tagen auf den Inseln. Jeden Tag erforschten wir eine andere und unternahmen alles mögliche, was diese kleinen Ortschaften anzubieten hatten, aber größtenteils entspannten wir uns. Ladislao machte viel Sport, joggte um unser Haus und machte Übungen. Ich hatte mich zwei Mal an seinem Training beteiligt und das reichte mir auch in den vier Tagen, die wir nun hier waren.
Wir näherten uns dem Pier. Ladislao sicherte unser Boot und dann fingen wir auch schon an die Gegend unter die Lupe zu nehmen.
„Was sollen wir als Erstes machen?", fragte er mich, als er meine Hand nahm und mir aus dem Boot half.
„Ich weiß nicht, laufen wir einfach mal bisschen herum und sehen dann."
„Alles klar, hübsche Lady", zwinkerte er mir zu.
Als ich gerade wieder sicher auf dem Boden war, hielt er mich kurz fest und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
„Mal sehen, was wir finden", grinste er.
Hand in Hand liefen wir am Pier entlang. Ich beobachtete die einzelnen Stände, an denen wir vorbei liefen.
„Wenn du etwas willst, dann sag es ruhig", drückte mir Ladislao einen Kuss an meine Schläfe.
„Mach ich", erwiderte ich.
Es kam mir so vor, als wäre ich in einem Märchen mit meinem persönlichen Prinzen zusammen. Es hatte mich doch ziemlich erwischt. Scheiße! Niemals hätte ich mir denken können, dass ich eines Tages mit meinem Mann zusammen herum laufen würde. In zwei Tagen hatte ich Geburtstag. Ob er das wusste? Generell machte ich mir nichts aus diesem Tag, denn er bedeutete auch so viel wie gar nichts, nur ein Tag an dem eine Frau ein ungewolltes Kind gebar. Nicht mehr - nicht weniger. Ich hoffte einfach nur, dass er es nicht wusste.
„Sollen wir etwas essen? Danach könnten wir bisschen bummeln und shoppen. Am Abend können wir an die Strandbar. Wir müssten dann zwar hier irgendwo übernachten, aber das ist ja egal. Was sagst du?", nahm Ladislao meine Aufmerksamkeit auf sich.
„Klingt gut."
Seine aufgeschlossene Art gefiel mir sehr. Er trug auch nicht mehr seine strengen Anzüge, was ja verständlich war, wenn er immer in die Firma musste. Auch wenn er heiß in diesen aussah, verliehen sie ihm doch eine Strenge. Aber hier in seinen teuren Polo Shirts, den knielangen Hosen und Sneaker wirkte er wie ein einfacher junger Mann, der seinen Urlaub auf einer Insel verbrachte. Nicht wie der gefürchtete, mächtige Boss, der er eigentlich war. Wie sehr ich diese Tatsache vergessen wollte, konnte ich doch nicht anders, als mich immer wieder daran zu erinnern. Aber war das alles überhaupt seine Schuld? Nein, ganz und gar nicht. Das war der Verlauf der Dinge, er wurde in dieses System hineingeboren. Wir alle bekamen eine Welt, ein Leben vor die Nase gestellt und mussten uns irgendwie da durchkämpfen, ob wir es wollten oder nicht. Natürlich lag es an uns, inwieweit wir das Leben lebten, in welches wir hinein wuchsen. Aber es wäre nicht einfach, alles Gewohnte links liegen zu lassen und ein komplett neues Leben aufzubauen. Vielleicht schafften das einige Menschen, die dann auch als wahre Helden herauskamen, aber wie oft war das schon der Fall? Ich selbst hatte mein altes Leben völlig hinter mich gelassen, was auch nur daher folgte, dass ich eben keines hatte. Es gab eine Zeit vor und nach Ladislao und nichts auf dieser Welt würde ich der Zeit nach ihm vorziehen. Es fühlte sich beinahe an, als wäre ich schon immer mit ihm gewesen.

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Zwei Frauen✅
Romance"Die Straßen wurden mein Zuhause, der Boden mein Bett, die Nacht meine Decke. Vergessen wie eine Ratte, verdammt zu einem Leben in einer Gasse." Vor weniger Zeit lebte Crystal noch auf den Straßen. Nun sollte sie die Frau eines der reichsten Männer...