Ich rannte aus dem Haus, nur weg von dort. Es war alles noch zu frisch, um klar darüber denken zu können. Auch wenn ich eben Marina angeschrien hatte, hatte ich doch nur mich selbst vor meinen Augen gehabt, meine Worte, die an sie gerichtet waren, galten eigentlich mir. Alles hatte ich falsch gemacht. Von ganz am Anfang angefangen bis an den Tag, an dem ich sie in diesem scheiß Motel überfallen hatte. Einsicht war sehr wichtig, denn Einsicht verschaffte die Grundlage zu allem. Und daran mangelte es mir am meisten, denn ich hätte nach unserer Eheschließung einsehen sollen, dass sie mich nicht liebte und auch nie lieben würde. Wenn ich sie früher losgelassen hätte, dann... dann wäre sie noch am Leben. Sie wäre doch oder? Hatten wir tatsächlich eine Uhr über unserem Kopf hängen, die wir nicht sehen konnten und die dann aufhörte zu ticken, wenn es soweit war, egal unter welchen Umständen? Aber woher sollte man das wissen, überprüfen?
Ich lief bis nach hinten in den Garten, wo sie damals gerne weilte, als der Garten noch gepflegt und voller Leben aussah. Ja, sie schenkte Leben und verlor dabei ihres. Mir hatte sie damals Leben geschenkt. Was hatte ich anfangs falsch gemacht, dass sie mich immer so sehr gehasst hatte? Diese Frage stellte ich mir unzählige Male, aber mit ihr starb auch jegliche Hoffnung darauf, noch eine Antwort zu bekommen. Ich kam am Ende des Grundstücks an und entdeckte die Lücke im Zaun. Da war sie immer durchgeschlüpft, um zu James zu gelangen. James... konnte ich wirklich böse auf ihn sein? War es berechtigt, dass er tot war? Auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, war er doch der unschuldige in der Geschichte. Er glaubte daran, Vater zu werden und dass er seine Liebe des Lebens gefunden hatte, um diese doch jeder kämpfen würde, so wie auch ich. Ich hatte mit viel härteren und brutaleren Mitteln um meine Liebe gekämpft, weshalb ich mich heute in dieser Lage befand.
Meine Füße trugen mich wieder zurück und ich setzte mich auf die Schaukel im Pavillon. Früher saß sie hier gerne und ging ihrer Leidenschaft nach, indem sie die Staffelei zum Malen hinstellte und wundervolle Gemälde erschuf. Ihre Skulpturen stellte sie ausschließlich in ihrer Werkstatt her, da diese doch viel Staub aufwirbelten, denn sie meißelte auch mal aus irgendwelchem Gestein.
Mein Herz fühlte sich taub an, als wäre nun alles bedeutungslos. Die Gefühle in mir sogen sich in einem Punkt genau auf meiner Brust zusammen, drohten mich zu ersticken, legten sich tonnenschwer auf mein Herz und ließen mich innerlich frieren. Wie sollte es wieder warm werden? Vertieft in meinen Gedanken bemerkte ich nicht, wie jemand näher gekommen war, ehe sich besagter neben mich setzte und die Hollywoodschaukel ins Schwanken kam. Es war Carlos. Wer auch sonst? Er wusste immer, wenn und wann er gebraucht wurde.
„Es...", setzte er an, aber ich unterbrach ihn sofort.
„Nicht", hauchte ich.
Ich wollte kein „Es tut mir leid", kein „Mein Beileid" hören, denn das machte nur noch alles realer, aber ich wollte es verdrängen, soweit es möglich war, wollte davor fliehen bis es mich auf den Boden reißen und ich zusammenbrechen würde.
„Du musst Abschied nehmen", meinte Carlos nach einer Weile.
Ich sagte nichts. War es nun soweit? Ich war froh, dass keine flüchtigen Bekannten anwesend sein würden, nur wir unter uns.
„Was hast du mit dieser armen alten Frau gemacht?", fragte Carlos.
In dem Moment fiel mir auch wieder Marina ein. Ich hatte großen Mist gebaut. Da ich keine weiteren Fehler machen wollte, lief ich ins Haus und sah sie alle im Wohnzimmer sitzen. Crystal, Camilla und Nadja saßen zusammen, während mein Vater alleine saß und Marina gerade hinter mir ins Zimmer kam. Wahrscheinlich hatte sie sich kurz aufgefrischt, da ihre Haare noch an den Seiten nass waren. Ohne lange zu überlegen schritt ich zu ihr und legte meine Arme um sie. Wir kannten uns schon all die Jahre über und unterstützten aneinander.
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Zwei Frauen✅
Romance"Die Straßen wurden mein Zuhause, der Boden mein Bett, die Nacht meine Decke. Vergessen wie eine Ratte, verdammt zu einem Leben in einer Gasse." Vor weniger Zeit lebte Crystal noch auf den Straßen. Nun sollte sie die Frau eines der reichsten Männer...