Kapitel 10 - Trust Issues

815 43 5
                                    

"W-william", stammelte ich, komplett aus der Bahn geworfen. Erschrocken schaute ich zurück in die Richtung aus der ich gekommen war, obwohl der Krankenflügel schon weit hinter uns lag. Ich fühlte mich ertappt und überrumpelt. "Ich habe jetzt keine Zeit, um mit dir reden, William", log ich und wollte mich an ihm vorbeidrücken, doch er hielt mich zurück.

"Du kannst nicht ständig weglaufen." Ich warf ihm einige ausgedachte Ausreden an den Kopf, doch diese überging er und schilderte seine Sicht der Dinge, ohne Rücksicht auf mein Geplapper zu nehmen. "Ich habe einen Fehler gemacht, das weiß ich. Ich hätte mich melden sollen, aber irgendwie hat sich nie ein geeigneter Zeitpunkt dazu gefunden."

"Ach, keinen geeigneten Zeitpunkt gefunden? Dann sag du mir doch erst noch mal, wo du überhaupt gesteckt hast", konterte ich scharf. Eigentlich wollte ich mich gar nicht auf dieses Gespräch einlassen, nicht zuletzt, weil ich selbst noch zu sehr unter einer merkwürdigen Art von Schock stand. Die Frage, wo er gewesen war, konnte ich jedoch nicht zurückhalten. Er zögerte.
"Bei meiner Oma", sagte er schließlich. "Sie hat sich eine schlimme Erkältung zugezogen und konnte ein wenig Hilfe gebrauchen. Außerdem wäre sie sonst so alleine gewesen." 

Entgeistert starrte ich ihn an. "Bei deiner Oma? Und was war mit deiner Mutter?  Die war nicht alleine?" Ich konnte ihm schlicht keinen Glauben schenken. Diese Ausrede war einfach nur billig. Unterdrückt murmelte ich, dass Draco wohl doch recht haben musste. Wahrscheinlich hatte Will irgendeine andere.  Glücklicherweise schien er das nicht gehört zu haben. Mir wurde die Situation zu bunt. "Gut. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit mehr, Will. Wir sehen uns."

Nach diesem beinahe traumatischen Ereignis im Krankenflügel und dem ernüchternden Gespräch mit Will,  blieb das Projekt komplett auf der Strecke. Dass es nicht mehr pünktlich fertig werden würde, war mir egal. Ich ging wieder dazu über, mich zu verziehen. Hauptsache ich müsste Draco nicht sehen. 

Was habe ich mir  im Krankenflügel nur gedacht? Jetzt plagte mich nicht nur Wut, sondern auch ein schlechtes Gewissen. Welches Recht hatte ich, Will böse zu sein, wenn ich kein Stück besser war? Ich tat diesen Gedanken damit ab, dass ich es ja gar nicht wollte, dass es nur im Überschwang des Augenblicks geschah. Doch trotzdem nagte es an mir, wie eine lästige Ratte. 

Blöderweise kümmerte ich mich aber auch nicht um meine Hausaufgaben oder die bevorstehenden Tests. Der Gedanke, wie faul ich geworden war und dass ich, wenn ich nicht bald wieder auf den richtigen Kurs komme, meine ZAGs nicht schaffen würde, machte mich wahnsinnig. 

Clary schien mitbekommen zu haben, dass ich sie nicht ständig dazu aufforderte, zu lernen, weshalb sie mich im Schlafsaal aufsuchte und versuchte, mit mir zu reden. 

"Janey-waney", meinte sie gespielt optimistisch, "ist dir endlich klar geworden, dass es absolut uncool ist, sich tatsächlich auf seine Schulfächer vorzubereiten?" Ich antwortete nicht und schaute sie nur mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Komm schon, was ist? Wenn du es mir nicht freiwillig sagst, muss ich wohl deinen geheimen Nasch-Vorrat konfiszieren."

"Meine Güte, Clary. Wir sind keine 5 Jahre alt mehr." Etwas verletzt entledigte sie sich ihrer aufrechten Haltung. "Aber deine Vorräte sind dir heilig", entgegnete sie kleinlaut. Kurz darauf fand sie ihren Standpunkt wieder, nahm ihre aufrechte Postur wieder ein und sprach mit fester Stimme weiter. "Jetzt gifte nicht auch noch mich an. Du musst mit Will reden. Es hat doch keinen Sinn, sich hier einzusperren, während der arme Kerl da unten wartet und wartet und nicht weiter weiß. Ich weiß ja nicht was los ist, mir erzählt das ja keiner, aber hier oben zu sitzen, wird das Problem ganz sicher nicht lösen."

"Aber ich habe doch mit ihm geredet!" 

Ihr Augenbrauen wurde vor Überraschung hochgezogen. 
"Und?"

Fragile Line (Draco Malfoy FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt