Kapitel 9 - Ich schaffe es doch nicht alleine.

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WICHTIG!
In diesem Kapitel werde ich von Louis' Sicht schreiben, weshalb es um selbstverletzendes Verhalten geht. Wenn ich welche zu etwas verleiten könnte, bitte ich euch, es nicht zu lesen!! Die Handlung wird sich nur ein wenig ändern, aber das wird dann im nächsten Kapitel zitiert.
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| Ich schaffe es doch nicht alleine. |

Louis P.o.V

,,Ich kann das nicht mehr, Louis. Ich bin neu in der Stadt und sofort wird nur über mich geredet. Das wird zu viel für mich. Du brauchst mich auch nicht mehr, du bist stark genug, um es ohne mich zu schaffen. Du bist stark und selbstbewusst, das weiß ich. Mach weiter mit dem, was du machst und lass dich von niemanden runterkriegen. Hör nicht auf die Leute, die versuchen, dich runterzumachen. Hol dir Hilfe von jemanden, aber ich kann dir nicht mehr helfen, Louis. Du wirst den richtigen Weg finden und wieder ein normales Leben führen. Dir wird es seelisch und äußerlich besser gehen, glaub mir. Und bitte, gib niemals auf, ja? Du kannst es noch zu etwas große bringen und ein Vorbild für die Anderen werden. Aber wenn du nicht weiter machst, klappt es nicht. Gib niemals auf, versprech es mir. Ich gehe jetzt in den Unterricht. Tschüss, Louis."

Ich sah ihm in die Augen. Ich konnte und wollte ihm nicht glauben, dass er das grade gesagt hatte. Ich hoffte darauf, dass er jeden Moment sagt, dass es nur ein Scherz war. Doch er drehte sich um und ging davon. Er ging, und das, mit meinem Vertrauen, welches ich ihm endlich schenken konnte. Meine Tränen bahnten sich den Weg aus meinen Augen, und liefen mir über das Gesicht.

,,Ich dachte, du würdest niemals gehen und bei mir bleiben?"

Er hatte mich gehört. Ich wusste, dass er mich gehört hat, doch er ging weiter. Er öffnete die Tür vom Gebäude, doch drehte sich nicht um. Er ging hinein, aber sah mich nicht noch einem an. Meine Beine hatten ihr eigenleben gefunden und liefen davon. Weg von allem, weg von ihm.

Wie konntest du ihm nur vertrauen?

Wie konntest du nur denken, dass du etwas Wert bist?

Wie konntest du nur denken, dass dich jemand mag?

Wie konntest du nur denken, dass du dich bessern würdest?

Wie konntest du nur denken, dass du wieder normal werden würdest?

Diese Fragen spukten in meinem Kopf herum und ich wusste zu keiner eine Antwort. Ich war wieder da, wo ich einmal gewesen bin, ohne Harry. Ich kam zu Hause an und bemerkte, dass niemand hier war. Nicht, dass es was ändern würde. Ich brauche niemanden.

Meine Knie zitterten, als ich die Treppen hochging. Ich musste mich am Geländer festhalten, weil jede Sekunde der Boden unter mir verschwinden könnte. Ich kam in meinem Zimmer an und holte sofort die schwarze Schachtel, welche unter meinem Bett war, hervor. Ich blinzelte die Tränen weg, um eine gute Sicht zu bekommen. Ich hatte die Schachtel solange nicht mehr geöffnet, und war stolz auf mich, dass ich es geschafft habe. Doch eine Sucht ging nicht so schnell weg. Darin war ein kleines Heft, in dem ich jeden Tag aufgeschrieben habe, was ich aß und wie viel ich an diesem Tag gewogen habe. Daneben waren Rasierklingen, kleine Bänder und Spritzen, sowie Drogen. Ich nahm eine der Rasierklingen, entblößte meine Arme und hielt diese auf eine frei Stelle. Ich drückte leicht zu und es fing an, zu stechen.

Einen Schnitt dafür, dass du jemanden dein Geheimnis erzählt hast.

Einen Schnitt für die Schmerzen, die du anderen zugefügt hast.

Einen Schnitt dafür, dass du schwul bist.

Einen Schnitt, weil du zu schwach bist, um dich zu ändern.

Einen Schnitt, weil du fett bist und selbst Harry dich hässlich findet.

Einen Schnitt, weil du ein Feigling bist, um von Mark's Taten zu erzählen.

Einen Schnitt, weil du du selbst bist und es nicht verdient hast, zu leben.

Alles blutete, doch es war mir egal. Das Blut tropfte auf meine Kleidung, meinen Teppich und einer Stelle auf dem Boden, wo sich eine kleine Larche bildete. Jeder Schnitt brannte, doch es ließ mich an was anderes denken. Harry war egal, die anderen Leute, die Schule, meine Probleme..alles war egal. Das einzige, was zählte, war das purpurfarbende Blut. Wieso drückte ich die Klinge nicht einfach ganz hinein und bin weg? Es interessiert niemanden, ob ich da bin, oder nicht. Wieso muss ich mit den Schmerzen leben? Aber dann haben alle das, was sie wollen. Sie wollen doch, dass ich verrecke, nicht wahr? Ich will aber nicht aufgeben.

Ich stand vom Boden auf und ging zum Spiegel. Mein T-Shirt zog ich mir vom Körper und schmiss es achtlos weg. Das einzige, was mir bei meinem Spiegelbild einfiel, war, dass ich fett bin. Wieso ich? Was habe ich in meinem Leben falsch gemacht? Ich fiel auf die Knie und legte meine blutverschmierten Hände auf den Spiegel. Ich schluchzte mehrmals auf und hämmerte gegen den Spiegel, welcher langsam kaputt ging.

,,Ich hasse dich! Ich hasse, hasse, hasse dich! Wieso nur? Verdammt, wieso muss ich das alles durchhalten? Bin ich so ein schlechter Mensch gewesen, dass jetzt alles auf mich abprallt? Nein, war ich nicht! Das Schicksal hasst mich. Jeder hasst mich. Ich hasse mich."

Ich kratzte jeden einzelnen Splitter heraus. Meine Kraft verließ mich, und alles war verschwommen. Ich legte mich in die Splitter. Die Scherben, die sich in meinem Körper hineinbohrten, spürte ich nicht. Ich fühlte nichts mehr, außer Hass.

Ich bin das Nichts. Keiner hört mich, weil ich das Nichts bin. Keiner sieht mich, weil ich das Nichts bin. Keiner versteht mich, weil ich das Nichts bin. Keiner würde nach mir trauern, weil ich das Nichts bin.

,, Louis? Bist du schon wieder da?"

Ich kroch auf allen Vieren zur Tür und verriegelte diese. ,,Wieso bist du schon zu Hause?" Mum. Wieso bemerkte es niemand? Zu viele Fragen, und zu jedem fällt mir keine passende Antwort ein.

,, I need you to know I'm not through the night. Some days I'm still fighting to walk towards the light..", sang ich leise. ,, Louis?"

,, I need you to know that we'll be okay. Together we can make it through another day.." ,,Louis?! Mach sofort die Tür auf! Was machst du da?! Rede lauter!"

,,But there are days when I'm not okay. And I need your help. So I'm letting go.." Ich hörte sie schluchzen. Sie weinte. Wegen mir. ,, L-Louis..mach die Tür auf..tu dir nichts an! Ich liebe dich! Ich brauche dich, Louis. Rede doch!" Ich konnte nicht reden. Ich wollte nicht reden. Aber ich wollte auch nicht, dass sie weggeht, oder aufhörte zu reden. Ich wollte nichtmehr nachdenken, sonst würde ich mich wirklich umbringen, das wusste ich. Ich hörte, wie unten die Tür aufging und mehrere Leute die Treppen hochgingen. ,, Jay? Was machst du da?" Mark. ,, Mum? Alles okay?" Lottie. ,, Was macht da Mummy?" Phoebe und Daisy. Ich presste mein Ohr gegen die Tür und versuchte mehr zu verstehen.

,,Mach dir keine Sorgen um ihn! Er macht grade eine Phase durch, gib ihm Zeit, dann redet er schon." ,,D-Du hast Recht.." Und wieder ist sie weg. Einfach weg.

,,My echo is the only voice coming back. My shadow is the only friend that I have."

,, Stimmt nicht, Lou. Ich bin hier."

Liam. Mein verstorbener Freund Liam.

,, Liam. Bitte, hilf mir. Ich kann nicht mehr, Liam. Wieso bist du tot und konntest nicht bei mir bleiben? Wieso hast du mich damals alleine gelassen? Liam..ich vermisse dich."

,,Ach, Lou. Du weißt, dass es ein Unfall war. Aber bitte, tu dir nichts an. Es gibt Menschen, die dich vermissen würden. Deine Mutter. Deiner Schwester. Tu es denen nicht an, dann wird ihnen etwas genommen. Ich will dich noch nicht so früh hier oben sehen."

,,Liam? Die würden mich nicht vermissen. Ich bin krank. Ich bin ein Psycho. Ich rede mit Toten, bin Magersüchtig und ritze mich. Es gibt keinen Funken Hoffnung mehr in meinem Leben."

Und er ist weg.

Ich schaffe es doch nicht alleine.

way out. | l.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt