1. Ein Blick vom Schatten

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*Lhia POV*

Die warmen Strahlen der Sonne verwöhnen meine blasse Haut. Schon viel zu lange habe ich meine Zeit im Schatten verbringen müssen.
Mit geschlossenen Augen habe ich mich über die Lehne der unbequemen Holzbank nach hinten gelehnt und genieße die Wärme. Selten gibt es hier solch schönes Wetter, im Gegenteil, normalerweise verdecken graue Wolken die Sonne und lassen es unaufhaltsam regnen.

Ich öffne langsam meine Augen und blicke in das endlose Blau des Himmels. Diese Freiheit und Leichtigkeit, die mich bei diesem Anblick überkommt, lässt meine Haut kribbeln.
Ich weiß aber, jeden Augenblick wird das schrille Dröhnen, als Zeichen für den Rückmarsch in unsere Zellen erklingen und diesen Moment zerstören.

Ich hasse es, in diesen engen Mauern eingesperrt zu sein, doch habe ich bisher noch keine Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen.
Ich kann nur abwarten und nachdenken.

Ich versuche mir alles so genau wie nur möglich einzuprägen und mir in meinem Inneren alles auf einer Karte einzutragen. Ich habe auch schon einen Plan, wie ich dieses Gefängnis verlassen werde. Und das nicht erst nach 25 Jahren.

Ich spüre, wie dringliche Blicke aus der Ferne auf mir ruhen und mich nicht loslassen wollen.

Ich hasse auch dieses Gefühl, beobachtet zu werden.
Ich weiß, ich habe nicht das typische Rocker-Braut-Image, wie die meisten der anderen Insassen hier. Eher im Gegenteil: Ich bin die Kleinste in meinem Abteil, mit stolzen 1,52m. Meine hellrosanen Haare, die ich mir vor meinem Aufenthalt im Gefängnis extra noch einmal gefärbt hatte, habe ich mir zu einem lockeren Dutt gebunden, damit sie mir nicht die ganze Zeit im Gesicht umher fliegen. Auch wirke ich auf andere oft durch meine Größe zerbrechlich. Doch werde ich oft unterschätzt. In mir steckt mehr Kraft, als auf den ersten Blick erscheint. Meine größte Waffe ist mein Verstand, er arbeitet anders als der von anderen Menschen, was mir einen großen Vorteil einbringt. Schon sehr oft habe ich mich bisher auf ihn verlassen können, wenn die Situationen brenzlig wurden.

Langsam durchbohren mich diese Blicke förmlich. Genervt setze ich mich auf und wende meinen Blick ab vom Himmel. Zuerst wandert er über die Wiese des Frauenabteils und dann weiter nach links zu den männlichen Geschöpfen hinter dem Zaun.

Dort entdecke ich ihn.
Schelmisch schaut er mir direkt in die Augen und zwinkert mir bedeutungsvoll zu.

Um die in mir brodelnde Wut zu kontrollieren, atme ich in Zeitlupe tief ein und wieder aus.
Für wieder einen dieser notgeilen Häftlinge habe ich mein kleines bisschen Ruhe geopfert und mich aus meinen Gedanken reißen lassen.

Im Gegenteil zu diesem Jungen habe mich schon seid längerem damit abgefunden, dass es in diesem Gefängnis kaum eine Möglichkeit geben wird seine inneren Bedürfnisse vollständig zu besänftigen und schon gar nicht, wenn in denen eine weitere Person involviert wäre.

Er starrt mich noch immer an und auch ich lasse meinen Blick weiterhin provokant auf ihm ruhen.
Auch aus den 100 Metern Entfernung, die zwischen uns liegen und durch den Zaun abgegrenzt sind, kann ich das Verlangen in seinen dunklen Augen erkennen.

Er wirkt auch ein bisschen fern ab dieser Welt, als würde er nicht hier her gehören. Aber wer tut das schon? In ein Gefängnis kann man nicht hinein gehören.

Ein blonder, etwas größerer und schlanker Junge steht unmittelbar neben ihm, aber von ihm abgewandt. Er ist nämlich damit beschäftigt einen anderen Insassen zu beobachten. Dieser winkt ihn dann zu sich und verträumt läuft der Blonde auf ihn zu.

Der Junge starrt mich noch immer an. Seine schwarzen Haare fallen ihm bei dem leichten Wind ein wenig ins Gesicht und er pustet sie sich elegant aus dem Sichfeld, doch lässt er mich dabei nicht einen Augenblick aus den Augen.

Ich überlege mir ihn vielleicht ein bisschen zu provozieren, da ich sowieso nichts besseres zu tun habe und er nicht den Anschein macht in Kürze von mir abzulassen. Ich öffne meine Lippen ein wenig und fahre mit meiner Zunge langsam darüber. Sein überraschter Blick bringt mich dann doch dazu kurz meinen neutralen Gesichtsausdruck zu verlieren und mir entweicht ein triumphierendes Grinsen.

Sein überraschter Blick verschwand ebenfalls sofort wieder und er schaute mich belustigt an. Jetzt schiebt er seine weißen T-Shirt-Ärmel nach oben und spannt seine Oberarmmuskeln​ selbstbewusst an.
Um meine Fassung nicht wegen so etwas simplen zu verlieren, atme ich tief ein. Ich hätte ihn wohl lieber nicht provozieren dürfen...
Um nicht schwach zu wirken muss ich mir also den nächsten Zug einfallen lassen.

Ich öffne meine Beine leicht, die ich bisher übereinander geschlagen hatte, und lehne mich ein Stück vor. Ich greife in meine Haare und öffne meinen Dutt, sodass mir dir Strähnen wie seichte Wellen über die Schulter fallen.

Etwas perplex starrt er mich an und scheint intensiv darüber nachzudenken, wie er mich überbieten könnte.

Ein verschmitztes Lächeln huscht über sein Gesicht.

Verspielt langsam zieht er mit einem Finger sein Shirt nach oben und wirft mir einen herausfordernden Blick zu.

Ich bin gezwungen den Atem anzuhalten.

Er ist so verdammt durchtrainiert...

Ich ziehe beeindruckt meine Augenbrauen hoch.
Triumphierend und zufrieden mit sich selbst nickt er verheißungsvoll und zwinkert mir zu.

Auf einmal kann ich nicht mehr an mich halten und kichere los. Sein Blick sieht so komisch aus, ganz besonders weil er mich jetzt komplett verwirrt ansieht, da er meinen plötzlichen Ausbruch nicht verstehen kann. Ich wische mir eine kleine Träne vom Auge und versuche mich wieder zu beruhigen. Der Junge hat sich inzwischen sein Shirt wieder gerichtet und sieht aus als müsse er sich ebenfalls das Lachen verkneifen...

*drrrrrrrrrrrrr... *

...ertönt das Schrille Klingeln für den Antritt, zurück in unsere Zellen. Nach kurzem Zögern wende ich meinen Blick ab von dem Jungen und kehre ihm den Rücken zu, um mich nach drinnen zu begeben.

Man wird geschubst, getreten, geboxt und zerquetscht auf dem endlosen Weg zurück durch kalte, graue Flure.

Meine Zelle befindet sich in Block C, auf den wir gerade direkt zusteuern.

Nachdem durchgezählt wird und die Gittertür meiner dunklen Zelle hinter mir zufällt, bin ich wieder alleine. Ab morgen soll sich das jedoch ändern, ich werde nämlich eine neue Zellengenossin zugeteilt bekommen, nachdem sich meine Letzte
umgebracht hatte...

Höhö

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Höhö...
Herzlich Willkommen zu meiner allerersten Fanfiction. 😂

Monsta X // Locked InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt